„Wir sollten Trainerinnen und Trainer bezahlen wie im Lehramt“
Bahnrad-Olympiasiegerin Miriam Welte plädiert für bessere Bezahlung und die Förderung der Ausbildung – und erklärt, warum Olympische und Paralympische Spiele das Problem lösen würden.

13.03.2025

Der DOSB hat zehn Forderungen an die neue Bundesregierung aufgestellt – und wir untermauern diese in den Wochen des Bundestagswahlkampfs und der anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der Unterstützung von Testimonials aus dem Leistungssport, um anhand von Beispielen aus der Praxis deutlich zu machen, was diese Forderungen dem organisierten Sport bedeuten. Der Link zu allen zehn Forderungen findet sich am Textende. In Folge 8 geht es um Qualität und Qualifikation.
Sie ist Olympiasiegerin im Teamsprint, holte sechs Weltmeistertitel im Bahnradsport. Sie ist Vizepräsidentin im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), sitzt im Vorstand der Sporthilfe Rheinland-Pfalz. Sie hat einen C-Trainerschein und gibt in Vertretung Kurse an einem Sportgymnasium in ihrer Heimat Kaiserslautern. Es ergibt also aus mehreren Gesichtspunkten absolut Sinn, sich mit Miriam Welte über das Thema auszutauschen, das im Breiten- und Leistungssport alle betrifft: die Gewinnung, Aus- und Weiterbildung sowie Wertschätzung von Trainer*innen und Übungsleiter*innen. „Es ist ein Bereich, der mir extrem am Herzen liegt, weil diese Position eine immense Wichtigkeit hat, aber leider oft nicht so behandelt wird“, sagt die 38-Jährige.
Die Lage ist bekannt, und sie ist angespannt. Die Mitgliederzahlen in den rund 86.000 Sportvereinen in Deutschland steigen, mehr als 28 Millionen organisiert Sporttreibende sind ein Rekordwert, den der DOSB im vergangenen Jahr gefeiert hat. Dass all diese Menschen Anleitung und Betreuung benötigen, liegt auf der Hand. Die Nachwuchsgewinnung im Trainer*innenbereich ist allerdings ein genauso hartes Geschäft wie der Kampf, das vorhandene Personal bei der Stange zu halten. Und das hat Gründe, die Miriam Welte benennen kann. „Die Finanzierung im Hauptberuf wird immer schwieriger. Die Gehälter, die Berufseinsteiger beziehen, sind fast schon prekär. Dafür erwarten wir aber, dass Trainerinnen und Trainer regelmäßig an den Wochenenden oder spätabends zur Verfügung stehen und ihre Freizeit opfern. Ich kann verstehen, dass da viele ins Überlegen kommen, ob der Beruf noch der richtige für sie ist“, sagt sie.
Die Verantwortung, die Übungsleiter*innen tragen müssen, ist genauso groß wie die Erwartungshaltung, mit der die Gesellschaft ihnen gegenübertritt. „Sie sollen Vorbilder sein und im besten Fall Werte wie Fairplay, Respekt, Disziplin und Nächstenliebe, die in unserer Gesellschaft immer mehr verlorengehen, verkörpern und vor allem Kindern und Jugendlichen vermitteln. Früher gab es mehrere Institutionen, die daran mitgewirkt haben: die Kirchen, die Schulen und natürlich auch die Familie. Heute ist der organisierte Sport der wichtigste Ort, an dem Werte noch vermittelt werden“, sagt Miriam Welte. Abnehmender Respekt vor Obrigkeiten und die wegen der Reizüberflutung durch die Medien stark schwindende Aufmerksamkeitsspanne tragen das Übrige dazu bei, die Betreuungsaufgaben zu verkomplizieren. Dass Trainer*innen an dieser Verantwortung oftmals schwer und manchmal zu schwer zu tragen haben, versteht sie – und es missfällt ihr. „Aber leider ist es Fakt, also müssen wir dringend etwas für sie tun!“
Mehr Geld ist die Lösung für viele Probleme, und deshalb unterstützt Miriam Welte, die beim 1. FC Kaiserslautern lebenslanges Mitglied und Trägerin der goldenen Ehrennadel ist, die Forderung des DOSB nach einer regelmäßigen Erhöhung der Übungsleiter*innen- und Ehrenamtspauschale vollumfänglich. „Ich fände es sinnvoll, wenn im Verbund mit den Schulen, die immer mehr Ganztagsangebote machen, die Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch Übungsleitende aus Vereinen übernommen und auch bezahlt würde. Solche Konzepte werden bereits entwickelt, da müssen aber auch die Arbeitgeber mitziehen“, sagt sie. Für im Hauptberuf tätige Trainer*innen sollte das Gehalt deutlich angehoben werden. „Es wäre ein sehr wichtiger Schritt, wenn wir sie bezahlen wie im Lehramt, denn die Aufgaben, die sie übernehmen, sind nicht weniger wichtig in der heutigen Zeit als die, die Lehrerinnen und Lehrer haben.“
Schutz von Kindern und Jugendlichen muss ganz oben stehen
Im DOSB-Forderungskatalog heißt es: „Trainer*innen sind die Gesichter der Vereine und setzen deren Kernaufgabe um. Sie sind Lehrende und Lernbegleiter und sorgen dafür, dass Sportler*innen Sportarten, komplexe Bewegungen oder auch personale Kompetenzen erwerben und sich zu selbstbestimmten Sportlerpersönlichkeiten entwickeln können.“ Klingt nicht nur anspruchsvoll, sondern ist es auch. Dass unter den aktuellen Bedingungen manche an der Umsetzung scheitern, wundert Miriam Welte nicht. Sie ist allerdings überzeugt davon, „dass wir durch eine gute Ausbildung und eine wertschätzende Begleitung das gesamte Trainingspersonal in die Lage versetzen können, das umzusetzen. Auch deshalb mache ich mich für die Förderung der Aus- und Fortbildung durch ein Bundesprogramm stark.“
In diesem Zusammenhang ist es der Mutter zweier Töchter – Ida wird bald drei Jahre alt, Lotta ist vier Monate jung – sehr wichtig, die Bedeutung des Safe-Sport-Codes zu unterstreichen, den der DOSB auf seiner Mitgliederversammlung im Dezember in Saarbrücken beschlossen hatte. Die Diskussionen um dieses Thema, die durch die Missbrauchsvorwürfe am Bundesstützpunkt Turnen in Stuttgart in diesen Wochen aktuelle Nahrung erhalten haben, haben auch Miriam Welte aufgewühlt. „Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss ganz oben stehen, und man muss von allen Trainerinnen und Trainern erwarten können, dass sie sich an Maßgaben halten. Dazu allerdings bedarf es eben auch einer hochwertigen Aus- und Weiterbildung. Für das Trainingspersonal ist der Safe-Sport-Code eine gute Orientierung“, sagt sie.
Selbstverständlich lebt auch Miriam Welte nicht in einer Blase, sondern weiß um die finanziellen Sorgen insbesondere in den Kommunen und Ländern. Deshalb hält sie auch Steuererleichterungen oder Rentenpunkte anstelle von höheren Pauschalen oder Gehältern für praktikabel. Die beste Lösung allerdings wäre eine, die den gesamten deutschen Sport auf ein neues Level heben würde: „Wenn wir den Zuschlag für die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele bekämen, erledigen sich die Probleme von allein. Dann hätte der Sport auch auf politischer Ebene den Stellenwert, der ihm gebührt“, sagt sie. Die Politik müsse endlich anerkennen, welche Bedeutung Sport und Bewegung für die gesamte Gesellschaft haben. „Wenn das nicht passiert, dann wird sich auch nichts verändern“, sagt sie. Und das kann niemand wollen.