„Sport muss für jedes Kind in Deutschland Teil des Aufwachsens sein“
Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig spricht als Mutter zweier Söhne über die Bedeutung von Bewegung für Kinder und fordert täglichen Sport in Kitas und Schulen.
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27.02.2025
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Der DOSB hat zehn Forderungen an die neue Bundesregierung aufgestellt – und wir untermauern diese in den Wochen des Bundestagswahlkampfs und der anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der Unterstützung von Testimonials aus dem Leistungssport, um anhand von Beispielen aus der Praxis deutlich zu machen, was diese Forderungen dem organisierten Sport bedeuten. Der Link zu allen zehn Forderungen findet sich am Textende. In Folge 6 geht es um Spiel und Sport.
Es mag keine neue Erkenntnis sein, dass sich Perspektiven verändern, wenn das Leben von eigenen Kindern bereichert wird. Und trotzdem staunt Laura Ludwig noch immer fast jeden Tag darüber, wenn sie mit dem natürlichen Bewegungsdrang ihrer Söhne Teo (6) und Lenny (2) konfrontiert wird. „Kinder haben ja ein ausgeprägtes natürliches Bewegungsbedürfnis. In unserer Familie kann ich das absolut bestätigen“, erzählt die Beachvolleyball-Olympiasiegerin von 2016. Im Garten ihres Hauses in einem Hamburger Vorort haben ihr Mann Imornefe Bowes und sie extra ein Klettergerüst aufgestellt, um den Jungs zusätzliche Abwechslung zu bieten und ihnen Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Körper zu vermitteln. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sehe, wie kreativ sie dabei sind. Wenn Teo und Lenny die Wahl haben, ob sie drinnen oder draußen spielen, dann ist die Antwort klar, und das bei jedem Wetter.“
Was dieser Einstieg mit den Forderungen des DOSB zur Bundestagswahl zu tun hat? Er unterstreicht die enorme Bedeutung von Sport und Bewegung für Kinder und Jugendliche, und weil diese Bedeutung in Deutschland zwar seit Jahrzehnten thematisiert, aber immer noch viel zu wenig ernst genommen wird, möchte Laura Ludwig in ihrer Eigenschaft als ehemalige Profisportlerin und Mutter den Kampf um mehr Beachtung und Wertschätzung dieser Zielgruppe aufnehmen. „Mir liegt es einfach am Herzen, dass Sport für jedes Kind in Deutschland ein selbstverständlicher Teil des Aufwachsens werden kann“, sagt sie.
An ihre eigenen ersten Schritte denkt die 39-Jährige mit großer Dankbarkeit zurück. „Ich hatte das Glück, beim Köpenicker SC in Berlin einen Trainer gehabt zu haben, der unglaublich engagiert war. Gefühlt hat er von frühmorgens bis spätabends in der Halle gestanden und Training gegeben. Er hatte einen riesigen Anteil daran, dass die Gruppen alle voll waren und wir Kinder und Jugendlichen Sport treiben konnten“, sagt sie. Dazu kam, dass sich viele Eltern engagierten. Es ist diese Art von Eigeninitiative, die bis heute viele Vereine am Laufen hält. Auch im Fußballverein ihres Sohnes Teo sei diese Hingabe zu beobachten. „Aber es wird für die Vereine immer schwieriger, diese Angebote aufrecht zu erhalten, weil das Geld fehlt und weniger Menschen bereit sind, sich zu engagieren. Deshalb muss es eine bedarfsgerechte und dynamisierte Finanzierung geben, um die Strukturen im Kinder- und Jugendsport zu sichern.“
Der vom DOSB erhobenen Forderung nach einem Bundesprogramm zur Unterstützung der Präventions-, Interventions- und Aufklärungsarbeit, um Kinder- und Jugendschutz im Sport weiter zu stärken und die Qualität der Jugendarbeit zu sichern, kann sich Laura Ludwig ebenfalls anschließen. „Sicherheit und Vertrauen sind für Kinder extrem bedeutsam, das spüre ich natürlich auch bei meinen Söhnen. Mit Teo rede ich auch schon über solche Dinge. Er ist ein toller Beobachter, der aber nie laut aufschreien würde. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die Prävention einen hohen Stellenwert bekommt, um Missbrauch vorzubeugen“, sagt die fünfmalige Olympia-Teilnehmerin vom Hamburger SV, die ihre Karriere im Spätsommer 2024 beendet hatte und nun zum Fitbleiben und Spaßhaben in der Ü-37-Auswahl des TV Fischbek Hallenvolleyball spielt, mit der sie im Juni um die deutsche Meisterschaft kämpft.
Kinder, deren Eltern Leistungssport betreiben, haben naturgemäß einen anderen Zugang zum Thema Bewegung als das Gros der Jugend. Um jedoch allen Kindern eine angemessene Basis zu ermöglichen, vertritt Laura Ludwig vehement die Forderung nach mehr Sportangeboten in Kindergärten und Schulen. „Es gibt ausreichend Studien, die belegen, dass Bewegung die Konzentration fördert und damit das Lernen erleichtert. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir nicht längst die tägliche Sportstunde eingeführt haben“, sagt sie. Ihre Söhne hätten das Glück, dass im Kindergarten ein Bewegungsraum existiere, der regelmäßig genutzt wird, und die Grundschule beispielsweise über eine Kooperation mit einer Tanzschule zusätzliche Bewegungsangebote schaffe. „Aber das ist ja leider nicht die Regel in Deutschland.“

Es müsse endlich im Bewusstsein aller ankommen, dass Sport und Bewegung viel mehr Aspekte abdecken als nur den gesundheitlichen. „Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit und merken alle, wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft gerade schwindet. Das soziale Miteinander und das Einstehen füreinander geraten – oft aus persönlichen Gründen – in den Hintergrund“, sagt Laura. Um den Umgang miteinander und das Sich-selber-Spüren wieder in den Mittelpunkt zu stellen, sei Sport unabdingbar, „weil man dort lernt, mit anderen zu kommunizieren, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und darauf mit Spaß und Disziplin hinzuarbeiten. Diese Chance sollten alle Kinder bekommen!“ Dieser Perspektive dürften sich alle anschließen, denen die Zukunft unseres Landes am Herzen liegt.