Ohne Ehrenamt geht es nicht!
Spitzen-Fechterin Léa Krüger hebt die Bedeutung des Ehrenamts für den Sport hervor und macht Vorschläge, wie mehr Wertschätzung funktionieren könnte.
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05.02.2025
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Der DOSB hat zehn Forderungen an die neue Bundesregierung aufgestellt – und wir untermauern diese in den Wochen des Bundestagswahlkampfs und der anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der Unterstützung von Testimonials aus dem Leistungssport, um anhand von Beispielen aus der Praxis deutlich zu machen, was diese Forderungen dem organisierten Sport bedeuten. Der Link zu allen zehn Forderungen findet sich am Textende. In Folge 3 geht es um Zusammenhalt und Zukunft.
Ein guter Trainer kann den Unterschied machen, wenn es um die Frage geht, ob ein junger Mensch seinem Sport treu bleibt. Für Léa Krüger war der Mann, der sie ins Fechten einführte, sogar mehr als ein Unterschiedmacher. „Mein erster Trainer, als ich mit zwölf Jahren beim Fechterring Nürnberg e.V. mit meinem Sport angefangen habe, hieß Albert, und er hat den Grundstein dafür gelegt, dass ich mich ehrenamtlich engagiere“, sagt Léa Krüger. Es habe einige Zeit gedauert, bis sie verstanden hatte, dass Albert im Hauptberuf etwas ganz anderes war als Fechttrainer. „Er hat das Training ehrenamtlich geleitet, einfach weil es ihm so viel Freude bereitete, sein Wissen an Jugendliche weiterzugeben. Für mich war das die erste Berührung mit dem Thema Ehrenamt, und ich war wahnsinnig beeindruckt.“
Um ein Paket zur Stärkung und Entlastung des ehrenamtlichen Engagements und den Start einer Digitaloffensive geht es in Punkt drei der zehn Forderungen umfassenden To-do-Liste des DOSB für die Bundespolitik, und es kann wohl kaum eine kompetentere Gesprächspartnerin für diesen Bereich geben als die Säbelspezialistin vom TSV Bayer Dormagen. Nicht nur, weil sie in ihrer Karriere nach Albert noch viele ehrenamtlich tätige Menschen kennen gelernt hat. Sondern vor allem, weil sie sich selbst unentgeltlich für die Belange anderer einsetzt. 2020 übernahm sie beim Deutschen Fechter-Bund das Amt der Athletensprecherin, seit drei Jahren ist die 28-Jährige im Präsidium des Vereins Athleten Deutschland e.V. und in der Athletenkommission des DOSB engagiert.
Der Moment, in dem Léa Krüger verstand, warum ehrenamtliches Engagement unerlässlich ist für den Sport in Deutschland, liegt allerdings etwas weiter zurück. „Als ich 15 war, bin ich ans Sportinternat nach Dormagen gewechselt. Dort werden regelmäßig Turniere ausgerichtet, unter anderem auch ein internationaler Junioren-Weltcup. Dafür müssen alle mit anpacken, es ist eine Mordsarbeit. Und das hat meinen Blick dafür, was für das Funktionieren des Sportbetriebs notwendig ist, total verändert“, sagt die angehende Juristin, die ihr Studium an der Uni Köln in diesem Frühjahr mit dem ersten Staatsexamen abschließen möchte.
In den vielen Jahren, die sie im Leistungssport verbracht hat, sei ihr klar geworden, dass mehr Wertschätzung für das Ehrenamt nicht nur ein bislang ungelöstes Dauerthema ist, sondern auch für die meisten gar nichts mit Geld zu tun hat. „Die wenigsten Ehrenamtler entscheiden sich dafür, aktiv ein Amt zu suchen. Vielmehr ist es so, dass man irgendwann einen Bereich findet, für den man so sehr brennt, dass man sich einbringen möchte. Das ist eine intrinsische Motivation, die nichts damit zu tun hat, ob es dafür Geld gibt oder nicht“, sagt sie. Ihr Antrieb, sich in der Athletenvertretung einzubringen, sei das Gefühl gewesen, für nachfolgende Generationen etwas zum Positiven verändern zu können. Und sie erzählt von einer Idee, die sie gemeinsam mit Siebener-Rugby-Nationalspieler Ben Ellermann nach den Olympischen Spielen in Paris umgesetzt hat. „Wir haben einen Safe Space geschaffen, in dem wir uns mit anderen Athletinnen und Athleten zum Thema mentale Gesundheit ausgetauscht haben. Zunächst dachte ich, dass das kaum jemanden interessiert, aber dann waren viele dabei und wir haben richtig tolles Feedback bekommen und den Wunsch, dieses Konzept auszubauen.“
Genau darin liegt ihrer Meinung nach auch die wichtigste Entlohnung. „Wenn ich spüre, dass ich einem Menschen helfen konnte, auch nur einen Kieselstein aus seinem Weg zu räumen, ist es für mich die Bestätigung, dass meine Arbeit Sinn ergibt“, sagt sie. Als Realistin, die sie ist, weiß Léa Krüger, dass die finanziellen Mittel, um die rund acht Millionen ehrenamtlich Tätigen angemessen zu entlohnen, nicht zur Verfügung stehen. „Deshalb glaube ich, dass wir andere Anreize setzen müssen, um mehr Wertschätzung zu erreichen.“ Herausragende Veranstaltungen wie die „Sterne des Sports“, bei denen ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet wird, würde sie gern ausgeweitet sehen, „zum Beispiel mit mehr gemeinsamen Festen oder Galas, bei denen das Ehrenamt im Fokus steht und geehrt wird.“ Außerdem wünscht sie sich, dass Geschichten über Menschen im Ehrenamt häufiger in den Medien zu finden wären, „um die Sichtbarkeit zu erhöhen und dadurch andere zum Nachahmen zu animieren.“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Léa Krüger der nachlassende Respekt vor dem ehrenamtlichen Engagement. „Dass Ehrenamtliche mit anpacken, wird oftmals als selbstverständlich angesehen. Gerade in den jüngeren Generationen ist es daher wichtig, mehr auf das Thema aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren, um das Nachwuchsproblem zu lösen“, sagt sie. Mentoringprogramme wie „U27 für Morgen” der Deutschen Fechtsportjugend (dfj) und der Deutschen Leichtathletik-Jugend (DLJ) seien ein wichtiger Schritt, um junge Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. „Erfahrene Ehrenamtliche geben ihr Wissen weiter, erleichtern den Einstieg und unterstützen die jungen Engagierten dabei, eigene Projekte umzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. So können sie den Sport aktiv mitgestalten und langfristig bereichern.” Wobei ihr auch klar ist, dass nicht jeder Mensch für ein Ehrenamt geeignet ist. „Es ist schon eine Typfrage, Menschen mit ausgeprägtem Hang dazu, anderen zu helfen und sich dabei selbst zu vergessen, sind sicher überrepräsentiert. Aber es wäre sehr wichtig, dass wir auch fokussierte Einzelkämpfer dafür gewinnen, Aufgaben für die Gemeinschaft zu übernehmen, und das geht nur über mehr Anreize.“
Was Léa Krüger leider häufiger bemerkt: Ehrenamtliche neigen dazu, sich zu überfordern und dadurch auszubrennen. „Ehrenamt ist immer auch eine Ressourcenfrage. Deshalb braucht es hier auch deutliche Verbesserungen“, sagt sie. Zum einen würden Mindeststandards für Freistellungen für ehrenamtliche Tätigkeiten helfen, um nicht alles außerhalb der vergüteten Arbeitszeit erledigen zu müssen. „Es sollte zum Beispiel viel mehr Unternehmen geben, die einen Social Day im Monat anbieten, für den sie ihre Mitarbeitenden bei vollem Lohnausgleich in einem Sozialprojekt arbeiten lassen. Das zahlt nicht nur positiv auf das Arbeitsklima ein, sondern auch auf das Image des Unternehmens“, sagt sie.
Im Sinne der Ressourcenschonung müsse zudem die Digitalisierungsoffensive endlich angeschoben und auskömmlich finanziert werden. „Digitalisierung bedeutet Zeitersparnis, und genau darum geht es – übrigens auch im Spitzensport: Mehr Daten, Fakten und schlankere Abläufe könnten auch die Bedingungen für Athletinnen und Athleten signifikant verbessern. Wenn ich sehe, dass man sich für viele ehrenamtliche Tätigkeiten durch einen Dschungel von Dokumenten kämpfen muss, die meistens auf Papier ausgefüllt werden müssen, kann ich verstehen, dass manche es gar nicht erst versuchen. Wir brauchen die Digitaloffensive, um die Hürden möglichst niedrig zu setzen und die Hemmschwellen zu durchbrechen“, sagt sie.
Wegen einer schweren Sehnenverletzung im Oberschenkel, die sie im Mai 2024 im letzten Qualifikationswettkampf für die Paris-Spiele erlitten hatte, steht die Fortsetzung ihrer Leistungssportkarriere aktuell noch immer in den Sternen. „Ich habe vor Kurzem wieder mit fechtspezifischem Training angefangen, und eigentlich möchte ich im Sport bleiben und noch einmal angreifen. Aber noch ist unklar, ob das auch gelingt“, sagt sie. Klar ist dagegen, dass ihre ehrenamtliche Tätigkeit weitergehen wird, selbst wenn es für das Leistungsfechten nicht mehr reichen sollte. „Ohne Ehrenamt geht es nicht“, sagt Léa Krüger, und das gilt für sie persönlich wie auch für die gesamte Gesellschaft.