„Lisas Literatur-Likes“: Ein Buch, das aktuelle gesellschaftliche Themen anpackt
Lisa Mayer (28), Bronzegewinnerin bei Olympia in Paris mit der 4x100-Meter-Sprintstaffel, gibt in ihrer Kolumne Literaturtipps und empfiehlt in Teil vier den Roman „Das Comeback“ von Ella Berman.

25.04.2025

Warum diese Autorin und dieses Buch?
Ich bin beim Stöbern nach neuem Lesestoff durch Zufall auf Ella Bermans Debütroman „Das Comeback“ gestoßen, der 2020 veröffentlicht und im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde. Ella Berman ist in London, wo sie auch aktuell lebt, und Los Angeles aufgewachsen und hat zunächst in der Musikbranche bei Sony Music gearbeitet, ehe sie sich dem Schreiben zugewandt hat. Der Titel hat mich direkt angesprochen, da ich im sportlichen Kontext ja auch das ein oder andere Comeback nach Verletzungen in der Vergangenheit hingelegt habe. Bermans Roman spielt allerdings in einer anderen Welt: in Hollywood. Es geht auch nicht um das „Wieder-zurück-auf-die-Bühne-Arbeiten“ nach ausbleibendem Erfolg, sondern vielmehr um das Herauslösen aus einem starken Machtgefälle und der damit einhergehenden Abhängigkeit.
Worum geht es?
Die jugendliche Grace wurde als Schauspielerin entdeckt. Fast noch als Kind verließ sie ihr Elternhaus und kam nach Hollywood. Ihr Agent Abel wurde für sie zur Vaterfigur, da er sich von nun an um alle Belange kümmerte. Vom einen auf den anderen Tag verschwand sie jedoch plötzlich von der Bildfläche und gab damit ihre Karriere auf. Nach einem Jahr Abstinenz kehrt sie nun wieder nach Hollywood zurück, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Grace ist gezeichnet von ihrem frühen Erfolg. Drogen, Partys, Alkohol bestimmten ihre Jugend. Doch schnell wird klar, dass das nicht Graces größte Angst vor der Vergangenheit ist. Abel war nicht nur ein Agent, der sich um seinen Schauspielschützling kümmerte, er übte massiven psychischen Druck aus, der Grace total von ihm abhängig machte. Außerdem missbrauchte er sie sexuell. Nun versucht sie, das Erlebte zu verarbeiten und einen Schlussstrich zu ziehen.
Womit punktet das Buch besonders?
Die Protagonistin wird als sehr komplexe Figur dargestellt, die zwar nicht immer sympathisch wirkt, allerdings sehr authentisch, da sie ihre Verletzlichkeit und seelischen Narben zeigt. Die Ich-Form, in der Grace selbst erzählt, führt die Leser*innen tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt ein. Man kann Graces seelischen Schmerz förmlich selbst spüren. Es wird immer wieder deutlich, wie viel Macht ihr Agent Abel über sie besitzt. Ihr Handeln und Nicht-Handeln, ihre Selbstwahrnehmung und ihr Selbstvertrauen werden fast vollständig durch ihn gesteuert. Dieser Macht ist er sich auch bewusst und nutzt diese schamlos aus. Ich fand es spannend, wie Grace im Verlauf des Buches reifer wird und immer mehr beginnt, die Geschehnisse zu reflektieren und auf der Suche nach Halt und Selbstbestimmung ist.
Wie war das Lesegefühl?
Die Satzstruktur des Romas ist anspruchsvoll aufgebaut, aber trotzdem gut verständlich. Somit konnte ich den Roman zwar nicht „einfach so weglesen“, was mir persönlich aber gut gefallen hat. Ich hatte dadurch das Gefühl, dass ich mir noch mehr Gedanken über das Geschriebene machen und mich dadurch besser in die Story hineinversetzen konnte. Der Roman ist in zwei Teile aufgeteilt: Vorher und Nachher. Getrennt werden die beiden Teile durch einen Autounfall, was dem Leser vorab in einem Mini-Prolog bekannt gemacht wird. Den Umfang des Romas, 448 Seiten im Hardcover, fand ich sehr angemessen. Er war weder abrupt vorbei noch wurde er unnötig in die Länge gezogen.
Werde ich die Thematik weiterverfolgen?
„Das Comeback“ regt insgesamt zum Nachdenken an, um sich über die dargestellten Themen seine eigenen Gedanken zu machen. Neben dem Machtmissbrauch werden auch weitere aktuelle gesellschaftliche Themen behandelt, die vor allem in der Unterhaltungsindustrie, aber auch im Sport von großer Bedeutung sind, beispielsweise der Umgang mit sexuellen Übergriffen, damit einhergehend auch die Thematik der #MeToo-Bewegung. Oder aber auch die Rolle der Medien im Leben von Prominenten. Alles sind Themen, die ich spannend finde und weiter verfolgen möchte, vor allem, wenn sie dann auch noch so gut dargestellt werden wie in „Das Comeback“. Ich kann mir auch gut vorstellen, weitere Bücher von Ella Berman zu lesen. Im August erscheint ihr dritter Roman „L.A. Women“…