„Wir empfinden das als eine große Wertschätzung“
Xenia Smits, Vizekapitänin der deutschen Handballerinnen, spricht zum Equal-Pay-Day und Weltfrauentag über die Angleichung der Tagegelder im DHB und über die Kämpfe, die auf dem Weg zu Gleichberechtigung noch geführt werden müssen.

06.03.2025

Es war eine Nachricht, die für Aufsehen sorgte. Am 20. Februar gab der Deutsche Handballbund (DHB) bekannt, von diesem Jahr an seinen Nationalspielerinnen das gleiche Tagegeld für Lehrgangs- und Wettkampftage zahlen zu wollen wie deren männlichen Pendants. Gestaffelt sind diese Tagegelder nach Zahl der Länderspiele. Nationalspielerinnen und Nationalspieler erhalten ab dem 26. Einsatz 65 Euro pro Lehrgangstag. Der Betrag steigt ab dem 61. Länderspiel auf 130 Euro, ab dem 121. auf 195 Euro, der Maximalbetrag von 260 Euro wird vom 181. Länderspiel an erreicht. Anlässlich des Equal-Pay-Days an diesem Freitag und dem Weltfrauentag einen Tag später (8. März) bat der DOSB die neue Vizekapitänin der DHB-Frauen, Xenia Smits (30) vom aktuellen Meister und Pokalsieger HB Ludwigsburg, vor den Länderspielen gegen Weltmeister Frankreich an diesem Donnerstag (18.30 Uhr) in Trier und am Samstag (18 Uhr) in Besançon (beide live im Free-TV und Livestream auf DF1) zum Gespräch über diese Neuerung und ihre Konsequenzen.
DOSB: Xenia, was war deine erste Reaktion, als der DHB vor zwei Wochen die Nachricht vom gleichen Tagegeld öffentlich gemacht hat? Warst du sehr überrascht?
Xenia Smits: Überrascht nicht, weil wir über dieses Thema schon sehr oft gesprochen hatten. Eher war es eine Mischung aus Freude und Dankbarkeit. Wir finden es super toll, dass der DHB so reagiert, denn wir bringen bei allen Maßnahmen mit dem Nationalteam die gleiche Leistung wie die Männer, wir lassen unser Herz mindestens genauso auf der Platte. Deshalb sind wir alle glücklich und auch ein wenig erleichtert, dass der Schritt zum gleichen Tagegeld nun gegangen wird.
Die Summen, die gezahlt werden, scheinen überschaubar. Warum ist es trotzdem ein richtig großer Wurf?
Geld sollte bei der Nationalmannschaft niemals im Fokus stehen, da geht es vielmehr um die Leidenschaft für den Sport und die Ehre, sein Land vertreten zu dürfen. Natürlich ist es schön, wenn sich Wertschätzung auch in Zahlen niederschlägt. Aber viel wichtiger ist die Symbolik, die dahintersteht.
Welches Symbol sendet der DHB damit deiner Meinung nach?
Dass er das Thema Gleichberechtigung sehr ernst nimmt. Wir leisten das Gleiche wie die Männer, manche Frauen, die sich federführend um die Familienplanung kümmern und trotzdem auf höchstem Niveau Sport treiben, leisten sicherlich noch mehr. Da ist es schön und sehr wichtig zu spüren, dass wir auf gleicher Augenhöhe mit den Männern eingestuft werden. Wir empfinden das als eine große Wertschätzung.
Welche Reaktionen haben Sie aus Sportkreisen erhalten?
Durchweg positive. Mir haben ein paar ältere Spielerinnen geschrieben, die nicht mehr aktiv sind, dass sie sich sehr für uns freuen, dass das Thema nun endlich angegangen wird, dass wir aber auch nicht vergessen dürfen, wie viele Frauen vor uns schon lange darum gekämpft haben. Das tun wir nicht, wir sind allen, die sich dafür eingesetzt haben, sehr dankbar. Grundsätzlich wird der DHB für das Zeichen, das er gesetzt hat, sehr gelobt.
Haben sich auch Mitglieder der Männer-Nationalmannschaft gemeldet?
Tatsächlich hatte ich mit den Männern länger keinen Kontakt. Aber ich bin sicher, dass sie sich für uns freuen. Manche wussten wahrscheinlich gar nicht, dass die Tagegelder noch nicht auf gleichem Level waren. Man spricht ja meist nicht so offen über Geld. Männer aus meinem Umfeld, die nicht im Handball aktiv sind, haben jedenfalls sehr positiv reagiert, einige sagten aber auch, dass es ja wohl höchste Zeit war, dieses Thema anzugehen.
Es gibt aus dem dänischen Fußball das Beispiel, dass die Männer auf eine Gehaltserhöhung verzichtet haben, um den Frauen eine Angleichung ihres Gehalts auf Männerniveau zu ermöglichen. Wünschen Sie sich solche Beispiele öfter und in allen Sportarten?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich will es mal so formulieren: Männer sollten sich in der heutigen Zeit nicht mit eigenem Verzicht dafür einsetzen müssen, dass Frauen bessergestellt werden. Das sollte selbstverständlich sein. So schön wir die Aktion des DHB finden, ist es doch das Problem, dass solche Pressemitteilungen auch heute noch so viel Aufsehen erregen, weil es doch eigentlich um Selbstverständlichkeiten geht. Das zeigt uns aber, wie weit der Weg noch ist.
Auch die deutschen Handballfrauen bekommen bei Großereignissen wie EM oder WM noch nicht die gleichen Prämien wie die Männer. Wann ändert sich das?
Wir können nicht erwarten, dass das alles in einem Schritt passiert. Wir verstehen, dass diese Thematik komplex ist, weil es dabei eben auch um Vermarktungserlöse und andere wirtschaftliche Kennzahlen geht. Wir freuen uns deshalb darüber, dass mit dem angepassten Tagegeld der erste Schritt gemacht ist.

Im Skispringen gab es zu Jahresbeginn im Rahmen der Vierschanzentournee großen Aufruhr, weil der Sieger der Qualifikation 3200 Euro Prämie bekam, die Siegerin aber nur eine Sporttasche mit Körperpflegeprodukten. Wie geht es Ihnen, wenn Sie solche Beispiele aus anderen Sportarten hören?
Ich spüre dann neben Mitgefühl vor allem Enttäuschung und Ärger. Fehlende Anerkennung für gezeigte Leistungen ist immer traurig. Es ist gar nicht immer das Geld, das im Fokus steht. Es geht vielmehr um Wertschätzung für das, was Menschen leisten. Das sollte unabhängig vom Geschlecht anerkannt werden. Und das ist leider in zu vielen Sportarten nicht der Fall. Bei vielen Frauen ist die Lücke zu den Männern noch deutlich größer als bei uns. Da gibt es noch wahnsinnig viel zu tun. Deshalb sind Equal-Pay-Day und Weltfrauentag auch sehr wichtige Vorlagen, um diese Themen in den Fokus zu rücken.
So bitter Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern sind, es gibt leider noch schlimmere Probleme, auf die der Weltfrauentag aufmerksam macht, als ein Beispiel wäre die hohe Zahl an Femiziden zu nennen. Inwieweit kann der Sport als Vorbild dienen, um zu zeigen, was Frauen in ihrem Kampf um Gleichberechtigung bereits erreicht haben?
Ich denke, dass der Sport hier eine sehr wichtige Vorbildfunktion hat. In Frauenteams ist im Allgemeinen ein extremer Zusammenhalt zu spüren. Wir zeigen, dass wir durch unsere Gemeinschaft sehr stark sein können, wir bieten ein hohes Maß an Sicherheit und Selbstwertgefühl. Die Einführung des Safe Sport Codes im DOSB ist ein ganz wichtiger Schritt, denn Sport muss ein sicherer Platz für alle sein. Es gibt mittlerweile viele Anlaufstellen dafür, die müssen noch viel bekannter gemacht werden. Aber all das zeigt, dass der Sport beim Thema Stärkung der Frauenrechte durchaus als Vorreiter gelten kann.
Neben der Angleichung auch der Prämien wäre ein weiterer wichtiger Schritt, noch mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, um auch dort die weibliche Perspektive zu stärken und dadurch auch Entscheidungswege zu verändern und schneller zu machen. Welche Entwicklung wünschen Sie sich da?
Natürlich ist es erstrebenswert, dass Frauen und Männer in entscheidenden Positionen gleichermaßen vertreten sind. Der DHB hat sich in diesem Jahr einiges vorgenommen, um daran zu arbeiten. Wir haben Anja Althaus als Teammanagerin, Heike Ahlgrimm wird neue Chef-Bundestrainerin für den weiblichen Nachwuchs. Im Zuge unserer Heim-WM, die am Jahresende gemeinsam mit den Niederlanden ausgerichtet wird, sind viele Aktionen geplant, um Frauen mehr Chancen zu bieten. Der DHB hat hier – mit viel Energie von Saskia Lang – mit „Hands up for more“ eine inspirierende Bewegung gestartet. Im Trainerinnen- oder Schiedsrichterinnenbereich, auf der Führungsebene von Vereinen und Verbänden – wir können überall mehr Frauenpower brauchen. Der Anfang ist mit dem gleichen Tagegeld gemacht, aber wir werden weiter dafür kämpfen, dass sich die Lage für Frauen auf allen Feldern verbessert.