„Die Richtung stimmt, ich schaue mit Optimismus in Richtung der Spiele“
Felix Bitterling (47), Sportdirektor Biathlon im Deutschen Skiverband, analysiert das Abschneiden bei der WM in Lenzerheide (Schweiz) und schaut auf die Olympischen Winterspiele 2026 voraus.

24.02.2025

DOSB: Herr Bitterling, mit fünf Medaillen hat das deutsche Team die WM auf Rang vier der Nationenwertung beendet. Was war für Sie die positivere Überraschung dieser Titelkämpfe: Die überragende Performance von Franzi Preuß mit Gold in der Verfolgung, Silber im Sprint und zweimal Bronze in der Mixed- und Single-Mixed-Staffel? Oder der Bronzerang für die Männerstaffel?
Felix Bitterling: Ehrlich gesagt war ich von beidem nicht wahnsinnig überrascht, habe mich aber über beides extrem gefreut. Dass die Franzi in der Lage sein würde, in allen Wettbewerben um Medaillen mitzukämpfen, wussten wir. Dennoch ist es eine herausragende Leistung, es dann auch so abzurufen. Und bei der Männerstaffel war uns das Potenzial ebenfalls bewusst, sie haben es geschafft, ihr Zeug zu machen und gemeinsam eine starke Leistung hinzulegen. Norwegen und Frankreich sind in einer anderen Liga. Bronze war an dem Tag das Maximum, was zu erreichen war, das haben sie erreicht.
In den Einzelwettbewerben waren die Männer weit entfernt von den Medaillen, Rang sieben im Einzel von Philipp Horn war die einzige Top-10-Platzierung. Wie weit entfernt war das vom Maximum, das derzeit möglich ist?
Selbstverständlich können wir mit den Einzelleistungen nicht zufrieden sein. Wir wissen, dass der Wettkampf bei den Männern beinhart ist, die Norweger und Franzosen sind so weit entfernt, dass man sie teilweise mit dem Fernglas kaum noch sehen kann. Dennoch ist das Potenzial im Team vorhanden, es gelingt uns nur leider noch nicht ausreichend, es auch in die Loipe und auf den Schießstand zu bringen.
Woran liegt das?
Das werden wir nun in Ruhe, aber scharf analysieren. Fakt ist, dass diese Mannschaft bis auf Benedikt Doll identisch ist mit der, die im vergangenen Jahr im Nationencup Zweiter wurde. Und das Potenzial Danilo Riethmüller, der neu dabei ist, ist zweifellos vorhanden. Es muss uns häufiger gelingen, dass wir uns im Sprint in eine aussichtsreiche Position für den Verfolger bringen, denn dann ist trotz der Dominanz der Norweger und Franzosen immer etwas möglich. Und Philipp hätte im Einzel mit einem Treffer mehr Bronze holen können. Deshalb wehre ich mich auch etwas gegen die teilweise sehr negative Darstellung des Teams in den Medien. Es tut mir weh, wenn die Jungs schlecht dargestellt werden und man ihnen nichts zutraut. Das ist schlicht verkehrt. Dennoch verkennen wir nicht, dass das, was bei dieser WM und auch vorher abgerufen wurde, nicht ausreichend für die Ansprüche in Deutschland ist.
Bei den Frauen überstrahlt Franzi Preuß alles, dennoch hält sich der Eindruck, dass sie auch in der Breite deutlich leistungsstärker sind. Warum?
Es ist sicherlich richtig, dass wir bei den Frauen den leistungsstärkeren Nachwuchs haben. Selina Grotian und Julia Tannheimer haben mit ihren Leistungen im Dezember unterstrichen, dass mit ihnen schon jetzt zu rechnen ist, obwohl sie erst 20 respektive 19 Jahre alt sind. Julia Kink, Marlene Fichtner und Johanna Puff drängen ebenfalls ins Weltcup-Team, keine von ihnen ist älter als 23 Jahre. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Mannschaft nach den Ausfällen von Vanessa Voigt und Janina Hettich-Walz stark ersatzgeschwächt war. Dafür ist die WM wirklich gut gelaufen.
Was verändert es für ein Team, eine Weltspitzen-Athletin wie Franzi Preuß als Galionsfigur zu haben?
Der Fokus lag komplett auf Franzi, so dass die Jungen in ihrem Fahrwasser mitschwimmen konnten. Das ist eine komfortable Situation für sie, gleichzeitig ist es ein riesiger Ansporn, wenn man in der eigenen Mannschaft sieht, welche Erfolge möglich sind. Wenn du die aktuell beste Biathletin der Welt um dich herum hast, verändert das eine Teamstruktur. Es war ja kein Zufall, dass Selina so explodiert ist im Dezember. Und Julia Tannheimer hat oft gesagt, dass die Franzi ihr Vorbild ist, die beiden machen viel miteinander, Franzi gibt ihre Erfahrungen weiter. Es ist extrem wichtig, so jemanden zu haben.

Um ihre persönliche Bestleistung zu erreichen, ist Franziska eigene Wege gegangen, sie hatte als Einzige ein Einzelzimmer, macht auch im Training viele Dinge für sich. War das der Türöffner zum großen Erfolg?
Mit Sicherheit hat das viel dazu beigetragen, und wir unterstützen sie deshalb auch auf ihrem Weg. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass sie sich herausragend ins Team einbringt. Sie hat jetzt noch einen großen Traum für diese Saison, und das ist die Verteidigung des Gelben Trikots der Führenden im Gesamtweltcup bis zum Saisonende. Das ist aber nicht nur ihr Traum, sondern der des gesamten Teams, deshalb wird das ein Gemeinschaftsprojekt.
Wie kann es ihr gelingen, diese Form bis zu den Olympischen Spielen im Februar 2026 in Italien zu konservieren?
Konservieren lässt sich eine solche Form nicht über einen so langen Zeitraum. Sie wird ihre Form über den Sommer neu aufbauen müssen, weil es nach der Saison auch eine Phase der Erholung geben muss. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass es ihr gelingen wird, und dafür werden wir ihr den Freiraum geben, den sie benötigt. Die Jungen im Team müssen den Sommer nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Läuferisch ist da schon noch ein Brett zu bohren, aber das Potenzial ist so groß, dass wir uns mit Blick auf die Winterspiele einiges erhoffen. Und wenn Vanessa Voigt nach ihrer Verletzung und Janina Hettich-Walz nach ihrer Schwangerschaft zurückkehren, haben wir ein wirklich aussichtsreiches Frauenteam für die Wettkämpfe in Antholz.
Welche Schritte müssen die Männer gehen, um bei Olympia konkurrenzfähig zu sein?
Da muss uns tatsächlich schnell etwas einfallen, um mit Blick auf die Spiele den Abstand zu Norwegen und Frankreich zumindest deutlich zu verkürzen. Das Problem ist im Biathlon, dass du nach dem Sommertraining im Herbst oft mit einem guten Gefühl in die Saison gehst, wenn alle gesund durchgekommen sind, weil du denkst, dass das Training gut gelaufen ist. Die Quittung aber gibt es immer erst im Winter, weil im Sommer die stetigen Vergleiche fehlen. Ich bin absolut sicher, dass wir die Jungs fit bekommen. Aber ihr Leistungsmaximum müssen sie selbst abrufen in der Loipe und am Schießstand, während der Rennen können wir nicht mehr helfen. Die Bronzemedaille mit der Staffel sollte jedoch dazu beitragen, dass das Selbstvertrauen wächst. Deshalb schaue ich mit Optimismus in Richtung der Spiele.