„Der Sport leistet einen zentralen Beitrag zur Integration - das müssen wir stärker zeigen“
Zum Internationalen Tag gegen Rassismus erklärt Bianca Tamadon, Bundesprogrammleiterin von „Integration durch Sport“, wie das IdS-Programm seit über 35 Jahren einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte leistet.

21.03.2025

Liebe Bianca, du bist seit September 2024 die neue Bundesprogrammleiterin für „Integration durch Sport“ (IdS) im DOSB. Kannst du uns zum Einstieg etwas zum Bundesprogramm erzählen, welche Schwerpunkte aktuell im Fokus stehen?
Bianca Tamadon: „Integration durch Sport“ (IdS) schafft seit über 35 Jahren durch Sport Begegnungen und unterstützt Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte bei der gesellschaftlichen Teilhabe. Unsere 16 Programmleitungen in den Landessportbünden und -jugenden begleiten Vereine dabei aktiv. Neben interkulturellem Austausch setzen wir auf Demokratieförderung und Antirassismus. Gegenwärtig ist unser Fokus die Weiterentwicklung des Programms mit einer zeitgemäßen Strategie zusammen mit den bundesweiten Programmleitungen und den IdS-Teams. Einen weiteren Aspekt, den ich gerade besonders wichtig finde angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Diskussionen in Deutschland, ist die Sichtbarkeit unseres Programms. Der Sport leistet seit Jahrzehnten einen zentralen Beitrag zur Integration - das müssen wir stärker zeigen.
Heute ist der „Internationale Tag gegen Rassismus“. Welche Rolle siehst du für den Sport bei der Bekämpfung von Rassismus und Ausgrenzung?
Sportvereine sind weit mehr als Orte der körperlichen Betätigung - sie sind Orte der Begegnung, an denen Menschen Zeit, Interessen und Werte teilen. Gerade deshalb spielen sie eine zentrale Rolle in der Vermittlung von Vielfalt und einem respektvollen Miteinander. In aktuellen Zeiten, mit zunehmender Polarisierung, wichtiger denn je, dass der Sport eine klare Haltung zeigt - gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung.
Welche Projekte oder Initiativen setzt der DOSB derzeit im Bereich Antirassismusarbeit um?
Ein aktuell herausragendes Projekt im Bereich Antirassismus im Sport ist der Vereinswettbewerb „(M)ein Verein gegen Rassismus“ der Deutschen Sportjugend (dsj) und dem DOSB. Dieser unterstützt Initiativen, die sich aktiv mit (Anti-)Rassismus im organisierten Sport auseinandersetzen. Der Wettbewerb geht nun in die zweite Runde und bietet Sportvereinen die Möglichkeit, ihr Engagement gegen Rassismus sichtbar zu machen.
Als Bundesprogrammleiterin befindest du dich im Austausch mit den IdS-Teams in den Landesportbünden (LSBs) und -jugenden. Wie erleben die LSBs und die dortigen Vereine im Bundesprogramm, die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Antirassismus-Arbeit?
Viele IdS- Kolleg*innen aus den LSBs und die Vereine, die sich im Bundesprogramm engagieren, haben mir berichtet, dass sie in den letzten Monaten zunehmend mit Themen wie anti-demokratischer Haltung, rechtsgesinnten Mitgliedern und auch vermehrter Spaltung konfrontiert wurden. Die Vereine und Verbände stehen nun vor der Herausforderung, sich klar gegen solche Tendenzen zu positionieren, ohne dabei Mitglieder zu verlieren oder Engagement weiterhin möglich zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass unser aktueller Auftrag vor allem darin besteht, ein Bewusstsein für Demokratieförderung und Antidiskriminierungsarbeit sowie entsprechende Angebote hierfür zu schaffen.

Antirassismus im Sport: Projekte von DOSB und dsj
Die Deutsche Sportjugend (dsj) und der DOSB setzen sich aktiv für Antirassismus und gegen Rechtsextremismus im Sport ein. Mit der Weiterführung des Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus sowie dem neuen Projekt „Ultranationalismus & Rechtsextremismus im Sport“ arbeiten wir gezielt daran, Vereine, Verbände und junge Engagierte für diese wichtigen Themen zu sensibilisieren und zu stärken.
Gibt es hier gelungene Beispiele, die wir weiterverfolgen sollten?
Ja, in einigen Bundesländern gibt es bereits Anlaufstellen für Antirassismus-Arbeit im Sport, die als Vorbilder dienen können. Viele Vereine haben zudem Anti-Rassismus-Beauftragte, die gezielt in ihren Strukturen gegen Diskriminierung und Rassismus vorgehen. Diese Modelle sollten weiterverfolgt und ausgebaut werden, um die Sensibilisierung und den aktiven Kampf gegen Rassismus in allen Sportvereinen zu stärken.
Wie können Sportverbände und -vereine aktiv gegen Rassismus vorgehen? Welche Maßnahmen oder Leitlinien empfiehlt das Bundesprogramm bzw. der DOSB?
Rassismus darf kein Tabuthema sein. Um ihn aktiv zu bekämpfen, muss er vor allem in Vereinen thematisiert werden und im Alltag offen dagegen angegangen werden. Vereine können ihre Werte aktiv formulieren - etwa durch einen Code of Conduct oder eine Selbstverpflichtung gegen Diskriminierung - und diese in ihre Satzungen aufnehmen. Ein hilfreiches Werkzeug ist das rechtswissenschaftliche Gutachten von Prof. Dr. Martin Nolte - es beantwortet praxisrelevante Fragen, gibt Rat zum Umgang mit rechtsgesinnten Parteien und zeigt die Rechtsfolgen von vereins- bzw. verbandsschädigendem Verhalten auf. Zudem empfehle ich die DOSB-Kampagne „Sport mit Haltung“ zur Demokratiestärkung - sie bietet konkrete Inhalte, die Vereine und LSBs direkt nutzen können, um sich z.B. auf den sozialen Medien zu positionieren.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft - sowohl für das Programm als auch für die Rolle des Sports in der Integrationsarbeit?
Ich glaube, dass der organisierte Sport ohne Zweifel bereits viel für die Integration und Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte umgesetzt hat. Schöne aktuelle Beispiele sind die engagierten Menschen im Projekt „Willkommen im Sport“. Die Menschen, die im Rahmen dieser Initiative unterstützt wurden, kann man in der Kampagne „Wegbegleiter*innen“ kennenlernen. Ein anderes starkes Beispiel für gelebte Integration ist zurzeit in Brandenburg zu sehen: Der dortige Landessportbund zeigt im Landtag die Ausstellung „Wege in den Sport - Ehrenamtliche Engagements im Programm ‚Integration durch Sport‘“ mit 32 Portraits von Menschen, die über den Sport angekommen sind - und wie das Sportland Brandenburg davon profitiert. Zukünftig wünsche ich mir noch mehr Synergien - etwa durch gezielte Kooperationen mit Anti-Rassismus- und migrantischen Selbstorganisationen. Ich bringe selbst eine migrantische Perspektive mit und sehe, wie sehr diese Erfahrung die Arbeit bereichert. Sportvereine sollten Orte sein, an denen jede*r sein kann, wie er*sie ist - und genau dafür geschätzt wird.
Was können Menschen außerhalb des organisierten Sports tun, um Integration und den Kampf gegen Rassismus im Sportumfeld zu unterstützen?
Ich denke, der erste Schritt ist nicht unbedingt, etwas Konkretes zu tun, sondern vor allem, eine klare Haltung zu zeigen und den Mut zu haben, Diskriminierung nicht zu ignorieren. Wir sollten aktiv widersprechen und unsere Solidarität mit denen zeigen, die betroffen sind. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, sich in einem unserer IdS-Sportprojekte oder in einem unserer Stützpunktvereine ehrenamtlich zu engagieren und so aktiv zur Integration und gegen Rassismus beizutragen.
Bundesprogramm „Integration durch Sport“
Ein Programm, das immer in Bewegung ist: Schon seit 1989 ist der organisierte Sport einer der größten aktiven Integrationshelfer in Deutschland. Bundesweit gibt es ca. 1.500 programmnahe Vereine, darunter ca. 900 Stützpunktvereine, die durch das IdS-Programm in der Lage sind, Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete anzubieten. Die Landessportbünde und -jugenden sind dabei diejenigen, welche die Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern koordinieren und umsetzen.
Der Deutsche Bundestag stellt die finanzielle Förderung des Programms sicher. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern (BMI), dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie dem DOSB.