Wir lieben die bunte Vielfalt
In einem dreijährigen Modellprojekt stellen sich elf Vereine aus Nordrhein-Westfalen den Herausforderungen der Inklusion.

19.06.2013

Jeder Mensch ist in seiner Individualität zu akzeptieren. Jedem Menschen muss es möglich sein, sich gemäß seiner individuellen Voraussetzungen in die Gesellschaft einzubringen. Jeder Mensch hat das Recht zur Teilhabe! – Diese Prinzipien prägen die Idee der Inklusion. Auch der organisierte Sport in Nordrhein-Westfalen stellt sich der Herausforderung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, die die volle und gleichwertige Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten für Menschen mit Behinderungen fordert.
Die Idealvorstellung ist der „inklusive Sportverein“. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen viele Fragen beantwortet werden:
- Welche Sporträume (über die allgemeine Barrierefreiheit hinaus) werden benötigt?
- Welche Sportangebote sind in welchen Gruppengrößen und -zusammensetzungen erforderlich?
- Über welche Kompetenzen müssen Übungsleiter sowie deren Aus- und Fortbilder zusätzlich verfügen?
- Wie müssen Angebote im Breiten- und Leistungssport in den verschiedenen Sportarten aussehen?
- Mit welchen Netzwerkpartnern müssen/sollten Vereine kooperieren?
Diese und viele weitere Fragen stehen im Mittelpunkt des dreijährigen Modellprojekts „Sport und Inklusion im Verein.“ Elf Sportvereine stellen sich landesweit den wichtigsten Herausforderungen rund um die nachhaltige Entwicklung inklusiver Vereine.
„Wir lieben die bunte Vielfalt!“ – So lautet das Motto, mit dem sich der Lintforter Turnverein (LTV) im Rahmen des ehrgeizigen Modellprojektes engagiert. „Wir haben in unserem Verein schon immer inklusiv gearbeitet“, sagt Angela Schwetzel. Die zweite Vorsitzende des Vereins vom Niederrhein freut sich über die Unterstützung, die der LSB als einer der Projektträger bietet. „Inklusion ist die konsequente und notwendige Fortführung des Integrationsgedankens. Sportvereine müssen helfen, ein besseres Miteinander zu realisieren“, ergänzt der 1. Vorsitzende Willi Schreurs.
Bisher sieht es zumeist so aus: Der überwiegende Teil der Menschen mit Behinderungen betreibt seinen Sport in den Behindertensportvereinen oder -gruppen. Nur in wenigen „normalen“ Vereinen findet das gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderungen statt. Es besteht ein großer Entwicklungsbedarf, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen die sportliche Teilhabe zu ermöglichen.
Es geht um mehr als barrierefreie Sportstätten
Energisch packen es die Verantwortlichen im LTV an: „Es geht um mehr als barrierefreie Sport-stätten. Es geht darum, die Philosophie der Inklusion zu vermitteln, die Öffentlichkeit für diese Notwendigkeit zu sensibilisieren“, betont Ulrike Plitt. Die stellvertretende Vorsitzende des Kreissportbundes Wesel ist gleichzeitig die Projektleiterin im LTV. „Für die rund 500 Vereine im KSB Wesel sollen neue Anreize entstehen. Alle können von und mit dem Projekt lernen“, blickt die 51-Jährige auf die gesamte Region.
Alle Beteiligten sind sich bewusst: Die nachhaltige Entwicklung eines inklusiven Sportvereins ist ein langfristiger Prozess. Die Verantwortlichen in den Vereinen sollten sich dabei klar zur „Inklusion im Sport und im Verein“ bekennen. Stellvertretend für alle elf teilnehmenden Vereine und die dazu gehörigen Städte, Kreise und Gemeinden formuliert Wolfgang Roth, Ratsmitglied der Stadt Kamp-Lintfort: „Dieses Projekt ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer inklusiven Stadt beziehungsweise einer inklusiven Gesellschaft.“
Das Vereinsentwicklungsprojekt „Sport und Inklusion im Verein“ geht über drei Jahre – von 2013 bis 2015. Träger sind neben dem Landessportbund NRW der nordrhein-westfälische Behinder-ten-Sportverband (BSNW) und das nordrhein-westfälische Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport.
Die elf Vereine/(Sport-)Organisationen des Landes, die sich intensiv der Verbesserung inklusiver Angebote im organisierten Sport widmen, sind: Aqua-Sports Plettenberg, SV Oppum 1910, Lintforter Turnverein 1927, Post-Sportverein Bonn 1926, Siegburger Turnverein 1862/92, TV 1875 Paderborn, BS Oberhausen, Baukauer Turnclub Herne 1879, KSB Rhein-Kreis Neuss, WMTV Solingen und Tvg Holsterhausen.
Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Aus den gesammelten Erfahrungen und deren Analysen sollen im Anschluss an die dreijährige Projektphase unter anderem Handlungs- und Schulungskonzepte für Vereine erarbeitet werden.
(Quelle: Rüdiger Zinsel, Juni-Ausgabe des Magazins „Wir im Sport“ des LSB Nordrhein-Westalen)