„Wir haben die Sporthilfe zukunftsfähig gemacht“
Michael Ilgner ist der erste hauptamtliche Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe, im Interview erklärt er die neue Struktur der Stiftung.

30.09.2010

DOSB PRESSE: Sie sind in der 43jährigen Geschichte der Stiftung Deutschen Sporthilfe der erste hauptamtliche Vorstandsvorsitzende. Wie gehen Sie damit um?
MICHAEL ILGNER: Es wird wohl nie wieder so sein, dass die Stiftung Deutsche Sporthilfe so stark von einem einzigen Mann verkörpert wird wie in ihren ersten Jahren durch Joseph Neckermann. Ich muss ja die Stiftung nicht repräsentieren. Meine Aufgabe ist es, mit unseren Förderern, Partnern, Kuratoren und Freunden dafür zu sorgen, damit wir die Athleten optimal fördern und ihnen ein bestmögliches Umfeld bereiten. Zur Repräsentation gibt es Vielzahl herausragender Persönlichkeiten, die sich ehrenamtlich engagieren. Heute wirkt die Sporthilfe neben den Namen ihrer führenden Köpfe in der öffentlichen Wahrnehmung aber vor allem über ihre Ideen und über ihre Botschaft „Leistung, Fairplay, Miteinander“. Bei unserem Pendant in Großbritannien zum Beispiel werden auf der Internetseite nicht einmal mehr die Namen derjenigen genannt, die dort für die Sporthilfe tätig sind.
DOSB PRESSE: Was hat sich mit der neuen Struktur geändert?
MICHAEL ILGNER: Alle wesentlichen Entscheidungen darüber, wie wir Geld einnehmen und ausgeben, wurden bisher von einem ehrenamtlichen Vorstand mit fünf Mitgliedern getroffen. Mit Werner E. Klatten als Vorsitzendem war ich stets in sehr engem Kontakt. Das wird auch künftig so sein. Aber es war oft schwierig, Dinge, die sich aus dem laufenden Geschäft ergaben und schnell entschieden werden mussten, immer erst dem gesamten Vorstand vorzulegen. Das ist jetzt leichter, weil der Vorstand nur noch aus zwei Personen besteht und Jörg Adami und ich hauptamtlich für die Sporthilfe arbeiten. Das heißt, der gesamte Vorstand sieht sich tagtäglich im Büro und ist auf diese Weise anders handlungsfähig. Wir haben jetzt einen effizienteren Weg der Entscheidungsfindung. Das bedeutet natürlich auch, dass nunmehr die Verantwortung auf weniger Schultern verteilt und somit für die beiden Vorstände auch viel größer geworden ist.
DOSB PRESSE: Ist der hauptamtliche Vorstand der Abschluss eines Reifeprozesses?
MICHAEL ILGNER: In Bezug auf unsere Geldgeber und Förderer kann man das so sagen. Die neue Struktur ist praktisch der Schlusspunkt unter die Phase eines gravierenden Umbaus der Ertragsstrukturen. Dies war die zwingende Voraussetzung, ohne die es den Schritt von einem ehrenamtlichen zu einem hauptamtlichen Vorstand unmöglich hätte geben können. Jetzt aber war die Zeit reif für diesen Schritt. Ich verhehle nicht, dass ich sehr stolz darauf bin, wie diese inhaltliche Reform mit viel Sachverstand und Herzblut in einer Teamarbeit bewältigt wurde. Auf diese Weise haben wir die Sporthilfe modernisiert, krisenfest und zukunftsfähig gemacht.
DOSB PRESSE: Die Sporthilfe ist jetzt also wie ein großes Unternehmen aufgestellt?
MICHAEL ILGNER: Was wir machen, ist eine sehr spezielle, moderne Form des bürgerlich-gesellschaftlichen Engagements. Wir sind auf der einen Seite keine rein karitative Organisation, auf der anderen Seite stehen wir auch nicht für klassisches Sportsponsoring. Wir bieten eine besondere, einzigartige Mischung, die gerade deshalb für gesellschaftspolitisch engagierte Unternehmer und Persönlichkeiten sehr interessant ist. Damit wir ihnen besser begegnen können, braucht es eine Struktur, die den Anforderungen unserer Partner entspricht. Ohne dieses Pendant auf der Gegenseite würde die Partnerschaft nicht funktionieren, ansonsten könnten unsere Partner ihren guten Willen nicht einbringen.
Bei der neuen Struktur gehen wir mit der Zeit. Dass es im Sport bereits solche Strukturen gibt, das sieht man zum Beispiel beim FC Bayern München oder der Deutschen-Fußball-Liga DFL. Zudem haben wir bei unseren hauptamtlichen Mitarbeitern einen Verjüngungsprozess eingeleitet und sehr gute neue Kräfte aus den Bereichen Sport und Wirtschaft gewonnen. Wir haben neue Partnerschaften aufgebaut mit großen Unternehmen wie Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Lufthansa und Mercedes Benz. Mit Hilfe der Fußball-Bundesliga haben wir zudem unseren Bekanntheitsgrad enorm gesteigert. Das hat uns sehr geholfen, gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise zu kommen. Und wir haben viele Partner mit interessanten Projekten auf Dauer integrieren können wie adidas mit der Hall of Fame des deutschen Sports, wie die DKB Deutsche Kredit-Bank mit dem Sporthilfe-Elite-Forum, wie TUI/Robinson mit dem Champion des Jahres oder J.P. Morgan mit dem größten Benefiz-Lauf der Welt.
DOSB PRESSE: Welches Gewicht messen Sie der Bürgerbewegung „Dein Name für Deutsch-land“ bei, um den Etat der Sporthilfe langfristig noch zu vergrößern?
MICHAEL ILGNER: Kleinspenden werden eine wichtige Ertragsquelle werden. Viele Sportfans können mit drei Euro im Monat die von uns geförderten Athleten unterstützen. Wir werden für diesen Aufbau zwei bis drei Jahre brauchen, um eine nachhaltige Förderung zu erreichen. Schließlich geht es dabei ja nicht darum, einmal und möglichst schnell viel Geld zu bekommen. Es handelt sich um eine dauerhafte und hoffentlich beständige Aktion, die es so in der Geschich-te der Sporthilfe noch nicht gegeben hat. Das ist richtige Kärrnerarbeit. Wir mussten bereits ein kleines Call-Center aufbauen, um allen Fragen und Anfragen nachkommen zu können. Wir wollen dieses Engagement von Bürgern mit unseren Unternehmenspartnerschaften und dem Einsatz unserer Kuratoren verzahnen, wovon wir uns langfristig ein Alleinstellungsmerkmal versprechen. Erst daraus ergibt sich ein stabiles, langfristiges und tragfähiges wirtschaftliches Fundament.
DOSB PRESSE: Wie verhalten sich Geld- und Sachleistungen für die Athleten zueinander?
MICHAEL ILGNER: An pekuniären Leistungen einschließlich der Prämien für die Ergebnisse bei Olympischen Spielen, Welt- oder Europameisterschaften geben wir jährlich etwa zehn Millionen Euro aus. Was die Sachleistungen unserer Partner angeht und Ausgaben für Aktionen wie Bewerbertraining zur Unterstützung der „Dualen Karriere“, so schätzen wir all das auf drei bis vier Millionen Euro pro Jahr, wobei dieser Prozess sicher noch nicht abgeschlossen ist. Wir sehen eine wichtige Aufgabe darin, die Athleten frühzeitig mit ihrer beruflichen Zukunft zu konfrontieren, aber auch unsere Partner dafür in die Pflicht zu nehmen.
DOSB PRESSE: Wie stark sind die Athleten auf die Sporthilfe angewiesen?
MICHAEL ILGNER: Natürlich gibt es Sportarten, die den Athleten zusätzliche Erlösquellen bieten können. Aber: Die Leistungen der Sporthilfe sind für über die Hälfte der von uns geförderten Sportler eine existentielle Grundlage, das geht quer durch alle Sportarten. Die finanzielle Förderung wird weiter den Schwerpunkt unserer Arbeit bilden. Das Prinzip bleibt: Rund 80 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel werden nach standardisierten Kriterien beispielsweise über Prämien und Stipendien ausgeschüttet und 20 Prozent sind individuellen Fördermaßnahmen oder speziellen Projekten vorbehalten. Beispielsweise haben wir auf diese Weise gemeinsam dem Reiter-Verband die Vielseitigkeitsreiter über mehrere Jahre in einer neuen Förderstruktur unterstützt, was sich seit ein paar Jahren sehr positiv auswirkt. Eine ähnliche Sonderförderung etwa bei der Rhythmischen Sportgymnastik vor den Sommerspielen in Peking hatte nicht den erhofften Effekt.
DOSB PRESSE: Wäre ein spezielles Sporthilfe-Förderprogramm „München 2018“ denkbar?
MICHAEL ILGNER: Diese Möglichkeit haben wir grundsätzlich. Es würde uns aber überfordern, mit Blick auf München 2018 – falls die Stadt die Spiele erhält – ganze Sportarten nach vorne zu bringen oder völlig neu zu etablieren. Katarina Witt, die diesjährige Preisträgerin der Goldenen Sportpyramide, wird ihr Preisgeld von 25.000 Euro dafür verwenden, die Nachwuchsförderung für den Behindertensport mit Blick auf die Paralympics 2018 zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit den Fachverbänden wollen wir über verstärkte Sichtungslehrgänge und C-Kader-Förderung noch besser an den Nachwuchs gelangen. Die sportfachlichen Konzepte sollen selbstverständ-lich weiter von den Verbänden erarbeitet werden. Daran wollen und werden wir nicht rütteln, aber im Dialog mit den Verbänden können wir gute Konzepte besonders fördern oder auch mal anmahnen, Entwicklungen nicht zu verschlafen. Mit unserem Gutachterausschuss haben wir ein Gremium, das über hohe sportfachliche Kompetenz verfügt.
DOSB PRESSE: Wo würden Sie gern mehr investieren?
MICHAEL ILGNER: Verbesserungsbedarf gibt es ausreichend. So sind unsere geförderten Talente in ihren Jahrgängen international sehr oft die Besten. Doch nach dem Wechsel zu den Senioren bleibt davon zu wenig. Das ist die schwierige Zeit, in der junge Athleten eine sportliche und berufliche Perspektive brauchen. Dort mehr zu investieren, könnte beitragen, bei den Sportlern zusätzliche Motivation zu schaffen und zu verhindern, dass weniger Talente dem Leistungssport verloren gehen.
Wir müssen versuchen, von unten mehr nachzuschieben und den Pool unserer Talente so groß wie möglich zu erhalten. Auch liegen mir die Sportler im Elitebereich sehr am Herzen, die keiner Sportfördergruppe der Bundeswehr oder der Bundespolizei angehören und über keine privaten Sponsoren verfügen. Diese Athleten möchten wir gern noch stärker fördern. Mit Blick auf London 2012 haben wird das Programm Elite+ aufgelegt, das Athleten mit Medaillenperspektive monatlich 1.500 Euro zusätzlich zur Verfügung stellen wird, falls sie sich vor den Spielen für 18 Monate ganz auf den Sport konzentrieren wollen.
DOSB PRESSE: Sind 3.800 geförderte Athleten nach spitzensportlichen Maßstäben zu viele?
MICHAEL ILGNER: Das ist schwer zu beantworten. Das ist immer so etwas wie die Gretchen-frage, die man allerdings immer nur im Dialog mit den Spitzenverbänden diskutieren kann. Dort liegt die sportfachliche Kompetenz. Dort weiß man am besten, wie gut sich die Talente entwickeln. Es ist richtig, diese Zahl von etwa 3800 nicht als unabänderliche, stets gleich bleibende Fixzahl zu betrachten. Diese Zahl ist nicht festgeschrieben. Im Einzelfall müssen die Entwicklung eines Athleten und die begleitenden Förderinstrumente immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Wir sind in diesen Dialog aktiv eingebunden und an diesem dynamischen Prozess naturgemäß sehr interessiert. Entscheidend sind nicht nur Quantitäten, am Ende entscheidet die Qualität der einzelnen Athleten über die Leistungsfähigkeit des deutschen Spitzensports und über Erfolge im internationalen Leistungssport. Dafür arbeiten wir.