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Wegbereiterin, Türöffnerin, Pionierin – das bunte Fußballleben der Monika Staab

Die Hessin gilt als eine der weltweit erfolgreichsten Trainerinnen im Frauenfußball, wurde mehrfach auch vom DOSB entsandt. Zum Eintritt in den Ruhestand blickt sie zurück.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

18.02.2025

Eineinhalb Stunden lang hat sie bereits geredet, auf jede Frage eine Antwort gefunden und mindestens eine Anekdote dazu erzählt, blumig und unterhaltsam. Aber nun hält Monika Staab inne und muss überlegen. Ob es eine Station auf ihrem beruflichen Lebensweg gegeben habe, die sie sich im Nachhinein lieber erspart hätte, war die Frage gewesen. Sie schaut irritiert, dann sagt sie: „Reisen ist schön, birgt aber immer auch Gefahren. Aber da ich ein angstfreier Mensch bin, habe ich auf jeder Station etwas gelernt und davon profitiert. Insofern möchte ich keine davon missen.“

Monika Staab, der man die Athletik aus ihrer aktiven Karriere bis heute ansieht, ist der Typ Frau, für den der Begriff Pionierin erfunden wurde. Ihr gesamtes berufliches Wirken hat sie dem Frauenfußball verschrieben. Sie stand als Spielerin 1977 mit der NSG Oberst Schiel im Finale um die deutsche Meisterschaft, spielte mehrere Jahre für Clubs in Frankreich und England, führte die SG Praunheim 1990 als Mannschaftskapitänin in die Bundesliga. Von 1993 an war sie Trainerin, feierte Erfolge bei der SG Praunheim und gewann, nachdem sie deren Frauenabteilung in den als neuen Verein gegründeten 1. FFC Frankfurt überführt hatte, mit ihren Teams als Trainerin und Präsidentin viermal die deutsche Meisterschaft, fünfmal den DFB-Pokal und 2002 den ersten UEFA-Pokal der Frauen. Doch was nun, da die 66-Jährige in den Ruhestand eingetreten ist, im Rückblick alles überstrahlt, ist ihr Wirken als internationale Trainerin, das ihr weltweit zu großer Bedeutung verholfen hat. Und darüber mit ihr zu sprechen, ist wie ein kleiner Bildungsurlaub.

  • Mein wichtigster Antrieb war immer, dass jedes Mädchen, jede Frau Fußball spielen dürfen muss. Deshalb habe ich, als ich das Gefühl hatte, in Deutschland alles erreicht zu haben, die Zelte hier abgebrochen und entschieden, dass ich in die Welt hinausgehen möchte.

    Monika Staab

    In mehr als 90 Ländern hat Monika Staab gearbeitet, seit sie Ende 2006 entschied, den deutschen Frauenfußball hinter sich zu lassen, um internationale Aufbauarbeit zu leisten. „Mein wichtigster Antrieb war immer, dass jedes Mädchen, jede Frau Fußball spielen dürfen muss. Deshalb habe ich, als ich das Gefühl hatte, in Deutschland alles erreicht zu haben, die Zelte hier abgebrochen und entschieden, dass ich in die Welt hinausgehen möchte“, erinnert sie sich an den Impuls für den Aufbruch. Ihre erste Station war 2007 im Auftrag des Fußball-Weltverbands Fifa der Bahrain, wo sie die Frauen-Nationalmannschaft trainieren sollte. „Ehrlich gesagt musste ich zunächst auf der Landkarte nachschauen, wo das überhaupt liegt“, sagt sie.

    Tatsächlich war die erste Aufgabe der Türöffner in einen Teil der Welt, der Monika Staab fortan nicht mehr loslassen sollte. „Der arabische Raum ist hochspannend, weil sich dort wahnsinnig viel entwickelt. Wir machen aus unserer Sicht oft den Fehler, alles über einen Kamm zu scheren, dabei ist die Region kulturell sehr unterschiedlich“, sagt sie. Anfangs war es schwierig für die Dietzenbacherin, sich an die Gepflogenheiten anzupassen. „Ich war politisch nicht so angehaucht und musste erst einmal verstehen, welche Befindlichkeiten und Themen wichtig waren. Aber man lernt auf solchen Reisen nicht nur sich selbst, sondern auch die Länder auf eine ganz eigene Weise kennen“, sagt sie.

     

    • Wir sind Hauptpartner des Auswärtigen Amts in der internationalen Sportförderung und können unter der Maßgabe, Projekte zu fördern, deutsche Trainerinnen und Trainer weltweit entsenden.

      Katrin Grafarend
      Ressortleiterin Internationales

      Wegbereiterin für Frauen als Trainerinnen in Auslandsprojekten

      Als nach fünf Monaten das Abenteuer Bahrain wieder beendet war, häuften sich die Anfragen. Monika Staab begann, für die Fifa als Beraterin für Entwicklungsprojekte zu arbeiten, und kam darüber auch mit dem DOSB in Kontakt. „Wir sind Hauptpartner des Auswärtigen Amts in der internationalen Sportförderung und können unter der Maßgabe, Projekte zu fördern, deutsche Trainerinnen und Trainer weltweit entsenden“, sagt Katrin Grafarend, die im DOSB die Abteilung Internationales leitet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist über eine enge Kooperation beteiligt, formal aber entsendet der DOSB, und das nicht nur im Fußball. Elf Frauen in sechs Sportarten, neben Fußball auch Handball, Volleyball, Leichtathletik, Turnen und Schwimmen, sind es bislang. Monika Staab hat allerdings eine Sonderstellung inne. „Vor ihr hatten wir nie eine Frau in ein Langzeitprojekt entsandt, mittlerweile leiten regelmäßig Trainierinnen Lehrgänge in unseren Auslandsprojekten. Moni war eindeutig eine Wegbereiterin“, sagt Katrin Grafarend. 

      Die Liste der Länder, in denen Monika Staab Aufbauhilfe leistete, liest sich genauso eindrucksvoll wie die Erlebnisse, die sie dort hatte. Sie war in allen englischsprachigen afrikanischen Ländern tätig („Leider ist mein Französisch nicht gut genug“) und lernte dort die technischen Fertigkeiten der Spielerinnen zu schätzen. „Das sind weltweit die besten Fußballerinnen, nur leider haben sie oft so schlechte Bedingungen, dass sie nicht erfolgreich sind“, sagt sie. In Pakistan erlebte sie einen Anschlag auf ein Hotel, das sie kurz vorher verlassen hatte. In Myanmar fegte der Monsun ein Hotel weg, in dem sie tags zuvor noch gewohnt hatte. In Papua-Neuguinea warnte man sie vor den Busreisen durch Dschungelgebiet davor, dass dort Kannibalismus ein verbreitetes Phänomen sei. „Da fühlt man sich doch etwas mulmig“, sagt sie. Traumhaft schön sei es dagegen auf den Cook-Inseln im Südpazifik gewesen. „Die haben einen so entspannten Lebensstil, jeder kümmert sich um jeden. Das war fast wie Urlaub.“

      Der Nahe Osten übt die größte Faszination aus

      Die größte Faszination jedoch übt bis heute der Nahe Osten auf Monika Staab aus. Dem Abenteuer Bahrain folgte von Februar 2013 bis Oktober 2014 ein Engagement beim Frauen-Nationalteam in Katar, ehe sie im Herbst 2021 eine direkte Anfrage des Verbands Saudi-Arabiens annahm und dort das neu gegründete Frauen-Nationalteam aufbauen konnte. „Als ich den Anruf erhielt, hieß es, dass ich schon in der darauffolgenden Woche anfangen sollte. Ich musste aber nicht lange überlegen, denn Saudi-Arabien hatte mich immer schon gereizt“, sagt sie. Die finanziellen Mittel des Landes, das als einer der reichsten Staaten der Erde gilt, waren für die Umsetzung des Projekts Frauen-Nationalmannschaft ein gewichtiger Faktor. Aber auch die unglaubliche Leidenschaft und Power der Frauen sowie das Commitment der Verantwortlichen, den Frauenfußball ernsthaft zu unterstützen. 

      Dass das streng islamisch und absolutistisch geführte Land weltweit noch immer einen der letzten Plätze in puncto Frauenrechte belegt, dass Meinungs- und Pressefreiheit nicht gegeben sind und das Vollstrecken der Todesstrafe auch für das öffentliche Zurschaustellen von Homosexualität Normalität ist; davor verschließt Monika Staab nicht die Augen. Sie wirbt dennoch für einen differenzierten Blick auf die Entwicklung Saudi-Arabiens. „Es ist beeindruckend zu sehen, wie schnell die Transformation voranschreitet. Dass viele Frauen heute im Straßenbild ohne Hijab herumlaufen, zeigt, dass Dinge sich verändern.“ 

      Zu viele Menschen, kritisiert sie, bewerteten etwas aus der Ferne, ohne sich vor Ort ein eigenes Bild gemacht zu haben. „Ich kann nach drei Jahren in Saudi-Arabien sagen, dass ich durchaus eine Entwicklung feststellen konnte. Das Königshaus lässt die Frauen machen, weil sie sehen, dass viele sich aktiv in die Wirtschaft einbringen möchten. Frauen kriegen dort mittlerweile auch Top-Jobs, und das bei gleicher Bezahlung, was bei uns in Deutschland nicht flächendeckend der Fall ist.“ Es sei unangebracht, anderen Ländern vorschreiben zu wollen, was richtig oder falsch sei. „Wir sollten nur nicht erwarten, dass Prozesse, die bei uns mehrere Jahrzehnte gebraucht haben, dort innerhalb weniger Jahre vonstattengehen können. Aber Saudi-Arabien hat sich auf den Weg gemacht, und dazu hat mit Sicherheit auch die Entwicklung im Frauenfußball beigetragen“, sagt sie. 

      Die Männer-WM 2034, die Saudi-Arabien auch mit der Stimme des DFB zugesprochen bekommen hat, werde auf diesem Weg hilfreich sein, denn anders als in Katar sei die saudische Bevölkerung, in der 70 Prozent unter 35 Jahre alt sind, sehr fußballverrückt. „Saudi-Arabien wird eine großartige WM ausrichten, und natürlich können sie auch Olympische Spiele ausrichten. Sie wollen den Tourismus ankurbeln, haben mit Mekka und Medina zwei der größten Monumente islamischer Kultur zu bieten. Viele Saudis denken, dass die Frauen in ein paar Jahren Weltmeisterinnen werden können. Aber so schnell geht es natürlich nicht, da ist Geduld gefragt.“

      Botschafterin Deutschlands in der Welt

      Geduld, die Monika Staab auf all ihren Stationen aufzubringen gelernt hat. 108 Nationen hatten eine Frauen-Nationalmannschaft, als sie 2007 ihre internationale Reise antrat, mittlerweile sind es 195. „Und ich freue mich auch darüber, dass einige deutsche Trainerinnen den Weg eingeschlagen haben, den auch ich gegangen bin. Auch wenn ich der Meinung bin, dass in der Frauen-Bundesliga noch immer zu wenige Frauen auf dem Cheftrainerposten sind. Aber wir haben 34 Fußballlehrerinnen, deren Bereitschaft, sich einzubringen, ständig wächst.“ Angstfrei, flexibel und adaptionsfähig, das seien die wichtigsten Attribute, um sich als Frau im Fußballgeschäft zu behaupten. „Nicht zu glauben, dass man die Dinge so machen kann, wie man sie von zu Hause kennt, und trotzdem selbstbestimmt und unabhängig zu bleiben – darauf kommt es an“, sagt sie.

      Als Botschafterin Deutschlands in der Welt, aber ebenso auch als Mittlerin für andere Kulturen in Deutschland habe sie sich immer verstanden, sagt die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, die stets soziale Projekte in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen verstand. Sie berichtet mit einem Leuchten in den Augen von einem Austausch zwischen bayrischen und jordanischen Fußballerinnen oder Trainingseinheiten mit traumatisierten Flüchtlingen in Berlin. Und wer ihr zuhört, während sie schwärmt, der kann nicht umhin zu bezweifeln, dass ihr Ruhestand wirklich von Ruhe geprägt sein wird. 

      „Tatsächlich erhalte ich viele Anrufe und Angebote. Aber ich habe bewusst meine Tätigkeit in Saudi-Arabien beendet, um einen Cut zu machen“, sagt sie. Sie hat zunächst einen längeren Urlaub gemacht. „Ich habe seit 18 Jahren wieder ein Buch gelesen!“ In diesem Sommer will sie zum ersten Mal die blühende Lüneburger Heide erleben, sie will Freunde in Frankreich und England besuchen, irgendwann das Nordlicht sehen. Aber weil es ihr einfach so viel Freude bereitet, sich mit Menschen zu umgeben und ihre Erfahrungen zu teilen, wird sie dem Frauenfußball verbunden bleiben. Und das, so ist für alle Beteiligten zu hoffen, so lange wie möglich.

       

      DOSB-Ressort Internationales

      Der DOSB ist auf sehr vielfältige Weise internationaler Akteur. Von der Teilnahme an internationalen Wettkämpfen, der Ausrichtung internationaler Sportgroßveranstaltungen, der Mitarbeit in internationalen Gremien bis hin zu Beiträgen bei internationalen Kongressen. 

      Darüber hinaus organisiert der DOSB Projekte der internationalen Sportförderung sowie der Entwicklungszusammenarbeit, fördert die internationale Jugendarbeit im Sport und engagiert sich für die Stärkung der Interessen des Sports auf EU-Ebene und in Kooperation mit der internationalen Sportwissenschaft und den Olympischen Akademien.

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      Galerie

      • Monika Staab mit einer jungen Trainerin mit Kopftuch Foto: privat/Monia Staab
        Monika Staab im Gespräch mit einer Trainerin Foto: privat/Monika Staab
      • Monika Staab spricht mit jungen Mädchen in Trikots Foto: privat/Monika Staab
        Monika Staab mit jungen Sportlerinnen Foto: privat/Monika Staab

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