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Von Profiteuren und Verlierern bei Olympischen Spielen

Warum der grüne Protest gegen die Olympischen Winterspiele in München 2018 nicht trägt, erläutert der Tübinger Sportwissenschaftler Helmut Digel.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

16.02.2011

Die Befürworter zukünftiger Olympische Spiele leiden nicht selten unter Realitätsverlust. Die Schattenseiten früherer Olympischer Spiele werden meist negiert, positive Effekte werden überbewertet, und es wird dabei ein Bild zukünftiger Olympischer Spiele gezeichnet, das man allenfalls als verführerisch bewerten kann.

Liegen wissenschaftliche Befunde zu früheren Olympischen Spielen vor, so werden diese nur selektiv genutzt. Wissenschaftliche Gutachten habe jene Ergebnisse vorzulegen, die man für das eigene Bewerbungsverfahren benötigt. Konträre Ansichten werden nicht zur Kenntnis genommen. Dabei ist es offensichtlich, dass die Frage nach dem Erfolg vergangener Olympischer Spiele sehr unterschiedliche Antworten hervorbringt.

Bei allen Spielen hat es Profiteure und Verlierer gegeben

Abhängig von den Kriterien, mit denen der Erfolg gemessen wird, kann die Einschätzung vergangener Olympischer Spiele äußerst unterschiedlich sein. Bei allen bisherigen Spielen hat es Profiteure und Verlierer gegeben. Bei allen Spielen werden Investitionen getätigt, die sich lohnen. Es gibt aber auch das gegenteilige Ergebnis.

Das gastgebende Land mit der gastgebenden Stadt musste teilweise mit teuren Infrastrukturen leben, deren Nachnutzung nicht gesichert ist und die lediglich noch bis heute hohe Kosten erzeugen. Olympische Spiele können auch Schuldenberge hinterlassen. Mit ihnen können aber auch Millionengewinne erzielt werden.

Die Bilanz des IOC sieht anders aus als die des gastgebenden Nationalen Olympischen Komitees. Die Bilanz der Sportler unterscheidet sich von der Bilanz der Funktionäre, und die Bilanz der Steuerzahler ist in der Regel äußerst heterogen. Die große Mehrheit von ihnen erfreut sich an den Olympischen Spielen. Ihnen ist dabei nicht bewusst, dass sie selbst für die hohen Kosten aufkommen.

Sachlich, wahrhaftig und glaubwürdig über die Vor- und Nachteile sprechen

Will man zukünftig Olympische Spiele verantwortlich gestalten, so wäre es also wünschenswert, das diejenigen, die sich als Befürworter dieser Spiele öffentlich artikulieren, sich dem naheliegenden Ideologievorwurf dadurch entziehen, dass sie sachlich, wahrhaftig und glaubwürdig über die Vor- und Nachteile zukünftiger Olympischer Spiele sprechen und ihre Bewerbung auf zuverlässigen und nachvollziehbaren Befunden aufbauen.

Den Befürwortern Olympischer Spiele stehen in der Regel Gegner gegenüber, deren Gegnerschaft jedoch kaum einem geringeren Ideologieverdacht unterliegt, als dies bei den Befürwortern der Fall ist. Dies wird in diesen Tagen bei der Diskussion über die Bewerbung von Garmisch-Partenkirchen und München für die Olympischen Spiele im Jahr 2018 besonders deutlich.

Würde man dem Parteitagsbeschluss der Partei der Grünen folgen, so dürften Olympische Winterspiele zukünftig in Deutschland nie mehr stattfinden. Analysiert man die Äußerungen der Grünen zu diesem Thema etwas genauer, so kann man schnell erkennen, dass nur wenige ihrer Argumente sachlicher Natur sind. Die Rhetorik der Grünen neigt vielmehr zur Demagogie, bei der jedes Mittel recht ist. In der Regel wird dabei in die ablehnende Haltung mit abschreckenden Bildern eingestimmt, in denen grüne Hänge mit Kunstschneepisten gezeigt werden. Gerodete Gebirgswälder werden in ihrer ganzen Hässlichkeit dargestellt, und es wird der böse Mensch bei seinem unerbittlichen Eingriff in die Natur erwischt.

In einem nächsten Schritt wird der Olympismus in seiner angeblichen Verlogenheit dargestellt, und man versucht ihn über seine angeblichen Mythen zu entlarven, ohne dass dabei auch nur ein einziger Sachverhalt gemäß den jedermann zugänglichen Fakten dargestellt wird.

Angebliche Argumente werden mit ausgewählten Zahlen belegt

Bei den vergangenen Olympischen Spielen hat es demnach immer eine Kostenexplosion gegeben. Die Spiele selbst unterliegen einem sinnlosen Wachstum. Nach den Spielen bleiben für alle Beteiligten nur Schulden zurück. Würden die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen und München stattfinden, so würde dadurch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet, das Klima würde nachhaltig negativ beeinträchtigt, als Schnee würde nur künstlicher Schnee zur Verfügung stehen, und die Spiele würden ohnehin nur von einer Minderheit als interessant empfunden.

Die aktuelle Bewerbung findet demnach ohne jegliche Beteiligung der wirklichen Bevölkerung statt. Das IOC ist eine undemokratische Organisation, die mit Knebelverträgen ihre Partner ausbeutet. Selbst die Antikorruptionsorganisation „One World Trust“ hält das IOC für eine völlig undemokratische Organisation.

All diese angeblichen Argumente werden von den Grünen mit ausgewähltem Zahlenmaterial belegt. Wissenschaftliche Gutachten werden dabei höchst selektiv genutzt. Gutachten, die ins Bild passen, sind es wert, dass man sie zitiert. Fundierte Erkenntnisse, die das Gegenteil behaupten, werden großzügig übergangen.

Die außergewöhnliche ökologische Qualität der Münchener Bewerbung, die auch von unabhängigen Gutachtern anerkannt wird, wird nicht wertgeschätzt, sondern der Lächerlichkeit preisgegeben. Die besondere infrastrukturelle Qualität, die die Münchener Bewerbung im Vergleich zu den Mitkonkurrenten zu etwas Besonderem macht, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Kritik der Grünen zielt auf eine grundsätzliche Frage

Folgt man der Argumentationslinie der Grünen, so muss man vielmehr erkennen, dass ihre Kritik gar nicht auf die aktuelle Bewerbung der Olympische Spiele zielt, es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage, wie die Alpen in der weiteren Zukunft von Menschen genutzt werden dürfen. Das Skifahren und der Wintersport überhaupt stehen dabei auf dem Prüfstand.

Es geht um die grundsätzliche Frage, welche menschliche Nutzung der Alpenregion erlaubt sein soll. Es geht um die Frage, welche zukünftige Freizeitkultur für Menschen möglich ist, welche Rolle dabei der Tourismus spielen darf, und es geht letztlich um die Frage, wie die Grünen sich die Zukunft unserer Gesellschaft vorstellen.

Doch genau auf diese Fragen gibt es in der oberflächlichen Kritik der Grünen keine Antwort. Die nördlichen Alpen, das Zugspitzgebiet, das Karwendelgebirge, sie alle sind seit mehreren tausend Jahren eine menschliche Kulturlandschaft, in der die Menschen aus naheliegenden Gründen eine dominante Rolle spielen.

Die Menschheit hat sich dabei ständig vermehrt, ihre natürlichen Lebensgrundlagen mussten sich dabei notwendigerweise ständig verändern. Ihre Bedürfnisse unterlagen und unterliegen dabei einem Wandel. Ihr Zusammenleben mit anderen Lebewesen und Pflanzen musste sich unter ständig veränderten Konstellationen neu arrangieren.

Das Bedürfnis, neben der Arbeit sinnvolle Freizeit zu verbringen

Für die heutige Gesellschaft ist es ein Bedürfnis, in dem Kulturraum, in dem sie lebt, neben ihrer Arbeit auch eine sinnvolle Freizeit zu verbringen. Hierzu gehört der Besuch kultureller Veranstaltungen bei denen Sportveranstaltungen eine besondere Rolle spielen.

Dass bei einem Skispringen 40.000 Zuschauer an einem Samstagnachmittag zuschauen, ist keine Selbstverständ-lichkeit. Dass Menschen aus aller Welt zu Olympischen Spielen anreisen, um bei sportlichen Höchstleistungen mit dabei sein zu können, ist eine relative moderne Errungenschaft. Dass künstlich Eis und Schnee erzeugt werden, um sportliche Aktivitäten zu ermöglichen, war noch vor 200 Jahren undenkbar.

Dass zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse in die Natur eingegriffen wird, Wald gerodet wird, Arten bedroht werden, manche aussterben, neue aber auch entdeckt werden und neu entstehen, ist jedoch ein Sachverhalt, der die Menschheitsgeschichte schon immer begleitet.

Option "Olympische Spiele in Deutschland" offenhalten

Wer wie die Partei der Grünen in der näheren Zukunft keine Olympischen Winterspiele in Deutschland haben möchte, der muss jenen Menschen, die er vor diesen Spielen schützen möchte, erklären, welche Befriedung von Bedürfnissen in der Gesellschaft der Grünen in der Zukunft erwünscht ist, welche Freizeit den Menschen in dieser Gesellschaft zur Verfügung stehen soll, welche Rolle Massenveranstaltungen dabei spielen dürfen und wie die Grünen sich einen Massenverkehr vorstellen, bei denen die Menschen selbst in ihrer Existenz nicht bedroht sind. Wie ist für die Menschen auch zukünftig ein würdevolles Leben möglich?

Solange all diese Fragen von den Grünen nicht beantwortet werden, solange ist zu wünschen, dass man jenen, die Olympische Spiele in Deutschland gerne ausrichten möchten, diese Option offen hält, zumal sie, folgt man der Argumentation der Grünen, ja nur eine kleine Minderheit unserer Gesellschaft repräsentieren.

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