Volleyball hinter Gittern

01.06.2010
Wenn die Freizeitvolleyballer vom Adler 05 des FSV Eschberg zum Spiel bei der LSG Lerchesflur 88 antreten, ist der Weg zur Sporthalle alles andere als barrierefrei. Das Matchfeld liegt nämlich in der JVA Lerchesflur Saarbrücken und die sportlichen Gegner sind allesamt Inhaftierte. Vor Anpfiff müssen sich die Spieler der Gastmannschaft ausweisen und durchsuchen lassen. Doch sind die Volleyballer des Stützpunktvereins von „Integration durch Sport“ erst einmal auf dem Feld angelangt, zählt nur noch das Spiel.
„Wären da nicht die Gitter an den Fenstern – man käme nicht auf die Idee in einem Gefängnis zu sein“, sagt Aron Reimann, Landeskoordinator von „Integration durch Sport“ im Saarland. Tatsächlich ist die Atmosphäre während des sportlichen Aufeinandertreffens nicht bedrückend. Es wird geflachst und gelacht. „Die Spieler aus der JVA sind sehr freundlich“, sagt Peter Merkel, 1. Vorsitzender des FSV Eschberg. „Die spielen vor allem, um Spaß zu haben. Aber sie wollen natürlich auch gewinnen und ab und zu gelingt ihnen das auch.“
Die LSG 88 und die Adler 05 spielen in der Leistungsklasse III der saarländischen Volleyball-Hobbyliga. Die Namen der Mannschaften verdeutlichen, dass es in diesem Spielbetrieb in erster Linie um die Freude am Sport geht. So steht die LSG in der Gruppe D derzeit auf dem neunten von elf Plätzen – zwei Plätze vor der Mannschaft „Netzroller“ und ein Rang hinter „Klappt nix“.
Der Hintergrund des speziellen Engagements liegt für Aron Reimann auf der Hand: „Ganz einfach, weil es vorher nicht gemacht wurde. Das Gefängnis ist ein Teil der Gesellschaft, der mit einbezogen werden sollte. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, auch dort integrativ tätig zu sein.“ So kam es auf Initiative des Landeskoordinators von „Integration durch Sport“ im Jahr 2000 zu den ersten Freundschaftsspielen zwischen den Adlern und der LSG 88.
Sportliche Pioniere
Der FSV Eschberg war der erste Verein, der in der JVA Lerchesflur gespielt hat. „Ich bin sogar der Meinung, dass er der erste Verein deutschlandweit war, der so etwas gemacht hat“, so Aron Reimann. Heute, zehn Jahre später, spielen auch die anderen Mannschaften aus der Hobbyliga ganz selbstverständlich in dem Gefängnis. Die LSG darf als einziger Club nicht auswärts antreten. Deswegen verzichten die Gegner auf ihr Heimrecht und die Partien in der JVA werden als Doppelspieltage ausgetragen.
Wenn Adler 05 und LSG 88 gegeneinander spielen, ist das immer auch ein Treffen der Nationen. Bei FSV Eschberg haben mehr als dreiviertel der Mitglieder einen Migrationshintergrund. In der JVA Lerchesflur sind etwa 200 von insgesamt 700 Häftlingen Einwanderer. Für Peter Merkel ist es immer wieder etwas Besonderes, in die JVA zu fahren. „Man lernt eine andere Welt kennen.“, sagt er. Die Sicherheitsvorkehrungen stören ihn längst nicht mehr. „Das ist wie ein Sicherheitscheck im Flughafen. Man geht erst durch einen Metalldetektor und wird dann abgetastet.“
Über die Jahre haben sich auch Kontakte über den Sport hinaus entwickelt. „Ob unsere Integrationsarbeit dazu beiträgt, dass die Inhaftierten in Zukunft nicht mehr straffällig werden, dazu maße ich mir kein Urteil an“, sagt Aron Reimann. „Ich glaube aber, dass unser Ansatz richtig war und ist. Viele Gefangene, die Ihre Strafe abgebüsst haben und entlassen werden, kommen entweder in die Programmstunden unserer offenen Sportangebote oder sie gehen direkt zum Stützpunktverein, um dort weiter Volleyball zu spielen.“ Peter Merkel bestätigt das und fügt hinzu: „Für jeden, der entlassen wird, stehen unsere Türen offen.“