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Tischtennis als TV-Sport

Die Europameisterschaften im Tischtennis waren für das deutsche Team überaus erfolgreich, fanden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aber so gut wie gar nicht statt, dazu eine kritische Betrachtung von Andreas Müller.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

13.10.2008

In der ARD-Sportschau am Sonntagabend waren immerhin einige wenige Ballwechsel davon zu sehen, wie Tischtennisspieler Timo Boll im Einzelfinale der Europameister-schaften in St. Petersburg seinen Titel gegen Wladimir Samsanow erfolgreich verteidigte.Die ZDF-Sportreportage unmittelbar zuvor hatte es beim Einzel-Matchball bewenden lassen und lediglich den letzten Satz aus dem Doppel-Endspiel nachgereicht, in dem Timo Boll mit Christian Süß Gold gewann. Dass der deutsche Tischtennis-Star, als die Sendung lief, zur selben Zeit im Einzel aufschlug und der Mainzer Sender die großartige Chance gehabt hätte, im Rahmen der Sendung live auf dieses Match zu gehen, passte anscheinend nicht in die Programmstruktur mit viel Formel 1 aus Japan und noch mehr Fußball nach dem 2:1-Erfolg der deutschen Mannschaft in der WM-Qualifikation gegen Russland. Den Tischtennis-Männern um Timo, die in St. Petersburg Sport-Geschichte schrieben und erstmals in der EM-Historie das Kunststück einer dreifachen Titelverteidigung sowohl mit der Mannschaft, im Doppel als auch im Einzel zustande zu bringen, bleiben einmal mehr die Rolle der TV-Statisten. Eurosport übertrug immerhin das Team-Endspiel live. Ansonsten führten die TT-Helden mit ihren Glanztaten über die gesamte Zeit der EM ein Schattendasein. 

Der Freund des kleinen Zelluloidballs fühlte sich an die Diskussionen beim 1. Deutschen Olympischen Sport-Kongress erinnert, den der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Ende Juli in Berlin ausrichtete. Die Unzufriedenheit der olympischen Verbände - vornehmlich des Sommersports - mit der Abbildung ihrer Sportarten in den öffentlich-rechtlichen Sendern war seinerzeit unüberhörbar. Der frühere NDR-Intendant Jobst Plog verteidigte die Fußball-Lastigkeit mit Hinweis auf die regionalen Sportsendungen der Dritten Programme, die in der Zeit zwischen den Olympischen Spielen gewissermaßen den Libero für Sportarten wie Rudern, Kanu, Schießen, Ringen, Judo, Bogenschießen etc. sowie deren Athleten und Anhängern abgäben. Bei näherem Hinsehen hält dieses Argument der Wirklichkeit nicht stand. Es wäre eine wissenschaftliche Untersuchung wert, wie sehr selbst in den „Dritten“ der Fußball längst die Hauptrolle spielt und warum diese Sender ausgerechnet in der Bundesliga freien Zeit des Sommers regelmäßig ihre wöchentlichen Sport-Sendungen einstellen. Gerade dann also, wenn für die so genannten „Kleinen“ respektive „Randsportarten“ Sendeplätze reichlicher vorhanden sind.   

Öffentliche Kritik von den so genannten Randsportarten und deren Funktionären an die Adresse der Fernsehmacher, wie sie der Tübinger Professor Helmut Digel auf dem Kongress-Podium vor fast drei Monaten in der Hauptstadt äußerte, ist eher selten. Die Verbände halten lieber still und wollen es sich neuer Verträge wegen vorzugsweise mit den elektronischen Medien nicht verderben. Die Disproportionen und inzwischen handelsüblichen Denkmuster der Macher flossen sogar unübersehbar in die Übertragungen von den Olympischen Sommerspielen in Peking ein. Das Halbfinale der deutschen Fußball-Frauen gegen Brasilien etwa wurde trotz deutlichen 1:4-Rückstandes bis zum Schlusspfiff live gesendet und dafür auf das erste Einzel im Tischtennis-Team-Finale mit Beteiligung der deutschen Männer gegen China komplett verzichtet. Arbeits-teilung mit Hilfe eines Digitalkanals - in diesem Fall totale Fehlanzeige.

Mit den Jungs um Timo Boll und deren Fans ist man schon wiederholt so umgesprungen. Ähnliche Maßstäbe wie beim Peking-Finale wurden schon bei der Team-WM 2006 in Bremen angelegt. Damals ging kein einziger Ballwechsel live über einen der beiden öffentlich-rechtlichen Sender - und das, obwohl die Matches seinerzeit in Absprache mit dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) und auf Wunsch der Fernsehmacher eigens auf die Mittagszeit verlegt wurden. Statt Live-Bilder von der Heim-WM in Bremen und vom Bronzegewinn des deutschen Teams vor mehr als 10.000 begeisterten Zuschauern in der Arena zu zeigen, übertrug man damals zur selben Zeit in der ARD lieber das Qualifying der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) vom Lausitzring (im Hauptprogramm des Ersten) bzw. das Weltcup-Finale im Reiten aus Kuala Lumpur (im NDR). Immerhin wurde der Tischtennis-Freund damals über die aktuellen Spielstände per Videotext Punkt für Punkt auf dem Laufenden gehalten. Ein innovatives Angebot auch für das kommende Jahr, wenn die nächsten Tischtennis-Europameisterschaften in Stuttgart stattfinden? Man darf gespannt sein.

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