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Spielervermittler wollen mit eigenem Verband raus aus der Schmuddelecke

Alleine in der Saison 2007/2008 überwiesen die Vereine und Kapitalgesellschaften der 1. und 2. Bundesliga 45 Millionen Euro an Spielervermittler, von denen hierzulande 247 (Stand 17.10.2008) beim DFB offiziell lizenziert sind.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

23.01.2009

„Gute Arbeit“, konstatiert der Präsident der Deutschen Fußballspieler-Vermittler-Vereinigung (DFVV) und frühere Kölner Fußball-Profi, Karl-Heinz Thielen, diesen offiziell registrierten Kollegen. Gleichwohl sind im Haifischbecken Profi-Fußball nicht nur lizenzierte Berater unterwegs, sondern auch viele Provisionsjäger, die den schnellen Euro wittern und - wenn überhaupt - einfach einen Rechtsanwalt vorschalten, der nach Verbandsstatut keine Lizenz benötigt. „Hier sind auch die Vereine gefragt“, so Thielen, denn kein Berater könne ein komisches Geschäft machen, wenn nicht auf Vereinsseite mitgemacht würde. 

„Wir müssen raus der Schmuddelecke“, sagt DFVV-Geschäftsführer Dr. Gregor Reiter, „wir wollen diesen Berufsstand zu einem seriösen Teil des Fußballs machen. Dass das wie die Besteigung des Mount Everest ist, ist uns auch klar.“ Der Rechtsanwalt und Sportrechtler kam für ihn selbst überraschend zu seiner Funktion. Als sich vergangenes Jahr die niederländische Vereinigung gründen wollte, wurde er angesprochen, welcher deutsche Vertreter denn einzuladen sei. „Da habe ich mit Berater Wolfgang Vöge Rücksprache gehalten“, so Dr. Reiter, „und der meinte, ich solle selbst nach Amsterdam fahren und mir ein Bild machen, ob das sinnvoll sei.“ Reiters Votum fiel positiv aus, und weil die EFAA (European Football Agents Associations) den Fußball-Markt Deutschland unbedingt als Mitglied dabei haben wollte, wurde die DFVV Ende 2007 geboren.
Dr. Reiter entwarf die Satzung, kümmerte sich um die Eintragung ins Vereinsregister und wickelt seitdem über seine Kanzlei in Oberhausen gegen eine „kleine Aufwands-Entschädigung“ den administrativen Teil der Verbands-Arbeit ab. Der DFVV-Vorstand, dem neben Präsident Thielen noch Dr. Gerrit Hartung (Vizepräsident), Lars-Wilhelm Baumgarten (Schatzmeister), Ronny Zeller und Thomas Kroth (Beisitzer) angehören, arbeitet ehrenamtlich.

Es war das „Weißbuch Sport“ der Europäischen Union, welches 2007 das Entstehen der DFVV und die Gründung weiterer internationaler Spielervermittler-Vereinigungen auslöste. Diese Dokumentensammlungen enthalten Vorschläge für ein gemeinschaftliches Vorgehen in einem bestimmten Bereich und setzen sogenannte Konsultationsprozesse auf europäischer Ebene in Gang. Im „Weißbuch Sport“ wird die wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle des Sports betont, eine Bilanz der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und der Kommissionsbeschlüsse im Sportbereich aufgeführt sowie ein nach Pierre de Coubertin (Gründer der Olympischen Spiele der Neuzeit) benannter Aktionsplan vorgeschlagen - und eben auch 20 Zeilen unter Punkt 4.4. auf Seite 17 den Spieler-Agenten gewidmet.

20 Zeilen, die es in sich haben und die Szene aufschreckten. Denn laut Kommission gibt es Berichte über missbräuchliche Praktiken bei einigen Spieleragenten, die zu Korruption, Geld-wäsche und Ausbeutung minderjähriger Spieler geführt haben. Deshalb startete die Kommission eine „Folgenabschätzung“, um einen Überblick über die Tätigkeit von Spieleragenten in der EU zu gewinnen und zu prüfen, ob Maßnahmen erforderlich sind. Beim Beschaffen des Überblicks wollen die neu gegründeten Vermittler-Vereinigungen nun selbst  mithelfen, denn dass es schwarze Schafe in der Branche und Image-Probleme derselben gibt, bestreitet ernsthaft niemand.

Nach Antrittsbesuchen bei FIFA, DFB, DFL, der Spielergewerkschaft VdV und auch der EU blickt Dr. Reiter zufrieden auf das Premieren-Jahr der DFVV zurück. Kurz vor der ersten Jahreshaupt-versammlung Ende Oktober 2008 tagte er zusammen mit Thielen mit hochrangigen Vertretern von der DFL und des DFB, der zudem seinen kompletten Kontrollausschuss aufgeboten hatte. Holger Hieronymus, DFL-Geschäftsführer Spielbetrieb und Leiter des DFL-Arbeitskreises Spieleragenten: „Wir sind froh, dass sich die Spielerberater in Deutschland inzwischen zu einer Standesorganisa-tion zusammen geschlossen haben. Darüber hinaus freuen wir uns, dass mit Karl-Heinz Thielen jemand die Präsidentschaft übernommen hat, der aufgrund seiner eigenen Karriere als Profi, aber auch aufgrund seiner geschäftlichen Tätigkeit über die notwendige Akzeptanz verfügt.“

Gemeinsam möchte man ein Reglement schaffen, das die Arbeitsweise der Branche über-sichtlicher macht. Als Eckpunkte hat die DFL nach dem Vorbild der englischen Premiere League bereits festgelegt, dass alle Vermittler bei der Liga registriert sein und die Honorare festgelegt werden müssen, die vom Auftraggeber, also unter Umständen dem Spieler selbst, gezahlt werden. Um die eigene Glaubwürdigkeit als Vereinigung zu unterstreichen, schreckt die DFVV auch vor Strafen gegen „Kollegen“ nicht zurück, die satzungsrechtlich zwar vorgesehen, aber noch nie ausgesprochen worden sind. „Wir haben uns alle Transfers der vergangenen Periode angeschaut und einige Auffälligkeiten entdeckt. Einen konkreten Fall haben wir dem DFB gemeldet“, so Dr. Gregor Reiter. Hierbei handelt es sich um umstrittene Transfers bei Zweitligist TuS Koblenz, die dem Verein wegen Verstößen gegen Lizenzierungs-Auflagen in der vergangenen Spielzeit bereits einen 6-Punkteabzug durch die DFL einbrachten und ihn mit drei Minuspunkten in diese Saison starten ließen. In diesem Zusammenhang nicht behandelt wurde die Rolle der Spielervermittler. DFVV-Vorstandsmitglied Thomas Kroth wirft der TuS vor, den Transfer des Spielers Ardijan Djokaj mit unlizenzierten Beratern abgewickelt zu haben. Das Landgericht Koblenz hat sich des Falles bereits angenommen.

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