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Quo vadis, Sportjournalismus?

Der Sportjournalismus braucht dringend Reformimpulse. Das ist das Fazit eines Round-Table-Gesprächs des Vereins Berliner Journalisten (VBJ) im Deutschen Journalisten-Verband (DJV).

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

20.03.2006

Der Sportjournalismus als PR-Agent für Entertainment, gelenkt und geführt durch die Marktmechanismen des Leitmediums Fernsehen, als kumpelhafter Begleiter von Akteuren der Spitzen-Events - dies waren Essenzen der Diskussion unter dem Motto „Quo vadis, Sportjournalismus?“. Konkrete Lösungsschritte aus der beklagten Misere konnten nicht aufgezeigt werden - jedoch: Nach dem zweistündigen Diskurs waren sich alle Teilnehmer einig: Es gibt Auswege aus der Schieflage; ob sich aber neue Denkanstöße, erst recht ein Bewusstseinswandel im Alltag der Medienbranche durchsetzen lassen, blieb offen.

 

Sportjournalismus von der Heimschiedsrichterdiskussion befreien

Prof. Elk Franke, Sportphilosoph und -soziologe an der Humboldt-Universität Berlin, referierte in seinem Eingangs-Statement über das „Aktualitätsphänomen Sport“ und über „scheinbare Gegenwarts-Gesellschaften“. Personal-Storys dominierten die Berichterstattung, die „Strukturen dahinter“ würden nicht dargestellt. Der Sportjournalist konstituiere ein Ereignis, er beschreibe es, und habe deshalb Schwierigkeiten, Distanz aufzubauen. Es sollten - so der Wissenschaftler - Strukturen geschaffen werden, „um den Sportjournalismus von der Heimschiedsrichterdiskussion zu befreien“. Gerade die Entwicklung im TV-Sport mit seinem unkritischen, marktschreierischen Beiwerk sei „sehr problematisch“. 

 

Fußballspiele werden nicht journalistisch kommentiert

Stanley Schmidt, leitender Redakteur in der Sportredaktion des rbb, erklärte, so manche Fehlentwicklung der öffentlich-rechtlichen Sportberichterstattung müsste gründlich hinterfragt werden. Der Fetisch „Quote“ habe den Trend zur Live-Berichterstattung von Top-Events, die als reines Entertainment präsentiert werden, verstärkt. Da Rechte eingekauft worden seien, müssten sie in einem konkurrierenden Markt abgesichert werden, so der Berliner Sportjournalist. Die ARD-Sportschau am Samstag mit ihrer Fußball-Bundesliga-Berichterstattung werde so präsentiert, wie zuvor private TV-Anbieter das Produkt verkauft hätten. Also: „Spiele werden nicht journalistisch kommentiert, sondern dramaturgisch so aufbereitet, dass der Zuschauer nicht umschaltet.“ Gerade bei den Live-Übertragungen von Box-Events sei „der Rubikon längst überschritten“. An den Auswüchsen, vor allem an der Qualität der Kämpfe, gebe es innerhalb der ARD starke Kritik.

 

Nicht mit der Sportunterhaltungsindustrie gemeinsame Sache machen

Jens Weinreich, Sportressortleiter der Berliner Zeitung, gab als Devise aus: „Wir wollen einen bisschen besseren Sportjournalismus machen.“ Dies sei die Minimalforderung. Allerdings sei der Berufsstand Teil der Unterhaltungsindustrie, weil der Rezipient dies erwarte. Dennoch dürfe man nicht mit der Sportunterhaltungsindustrie gemeinsame Sache machen, sondern müsste kritisch hinterfragen, Strukturen transparent machen und Systemwidrigkeiten aufdecken. Weinreich beschrieb ausführlich das Anliegen des Sportnetzwerks, das Mitte Januar ein erstes Zusammentreffen in Berlin hatte.

 

Forum "Quote statt Qualität " am 4. April in Berlin

Prof. Elk Franke bot an, einen Dialog zwischen der Sportpresse und der kritischen Sportwissenschaft zu führen. Ein „Greenpeace des Sports“ sei nötig. Erster Schritt zur qualitativen Verbesserung des TV-Sports sei, unterhaltsame, aber informative Sprängsel in Anlehnung an die Darstellung des „Tagesthemen“-Wetterberichts zu präsentieren. Auch Wissenssendungen wie „Galileo“ könnten Vorbild für eine neue Form von Fernseh-Sportsendungen sein. Der VBJ führt am 4. April in Berlin ein hochkarätig besetztes Forum zum Thema „Quote statt Qualität? - Der TV-Sport zwischen Turin und Fußball-Weltmeisterschaft“ durch.

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