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Offener Brief Thomas Bach an Ute Krieger-Krause

DOSB-Präsident Thomas Bach antwortete heute in dem folgenden Schreiben auf einen offenen Brief von Ute Krieger-Krause zur am Montag veröffentlichten Erklärung von fünf DLV-Trainer in Bezug auf ihre Doping-Vergangenheit.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.04.2009

Sehr geehrte Frau Krieger-Krause,

in Ihrem offenen Brief bezüglich der Behandlung von Trainern mit Doping-Vergangenheit beklagen Sie die angeblich zwei Jahrzehnte währende Ignoranz gegenüber den Dopingopfern. Dies ist für mich Anlass, daran zu erinnern, dass der DOSB bereits unmittelbar nach seiner Gründung im Jahr 2006 mit den Doping-Opfern in Gespräche eingetreten ist. Als deren Ergebnis sind die gemeinsam anerkannten Doping-Opfer vom DOSB mit Unterstützung des BMI entschädigt worden. Darüber hinaus ist es dem DOSB gelungen, eine Einigung über weitere finanzielle Entschädigungen durch die Firma Jenapharm zu befördern.

Diese Lösung wurde damals sowohl vom BMI sowie den Mitgliedsverbänden des DOSB, darunter auch der Deutsche Leichtathletik-Verband, unterstützt. Zudem stand der DOSB in intensivem Kontakt als auch in enger Abstimmung mit dem Doping-Opfer-Hilfeverein. Angesichts dieser Tatsachen weisen wir Ihre Behauptung, dass zu diesem Thema keine Gespräche stattgefunden haben, entschieden zurück.

Um weitere Aufklärung zu ermöglichen und möglichst gerechte Lösungen im Einzelfall zu finden, hat der DOSB eigens eine unabhängige Kommission unter Vorsitz des Bundesverfassungsrichters a.D., Professor Udo Steiner mit den Mitgliedern Heide Ecker-Rosendahl und Steffen Reiche MdB eingerichtet. Diese hat im Fall der fünf jetzt geständigen DLV-Trainer festgestellt, dass die für eine Weiterbeschäftigung notwendigen Bedingungen eines umfassenden Geständnisses, einer glaubwürdigen Entschuldigung sowie einer „doping-freien“ Arbeit seit 1989 als erfüllt angesehen werden können.

Darüber hinaus hat der DOSB bereits Anfang letzten Jahres eine Studie mit dem Thema „Doping in Deutschland“ initiiert. Diese soll umfassend und eingehend Bedingungen und Folgen des Dopings in beiden Teilen Deutschlands, in beiden gesellschaftlichen Systemen und auch nach der Wiedervereinigung aufarbeiten. Es ist aus meiner Sicht sicher, dass in dieser Studie die Rolle und Leiden der Doping-Opfer eine besondere Berücksichtigung finden werden. Deshalb kann auch keine Rede von mangelnder Aufklärung sein.

Angesicht Ihres persönlichen Schicksals habe ich viel Verständnis für Ihre Haltung. Allerdings werbe ich auch bei Ihnen um Verständnis, wenn möglich sogar Versöhnung, nicht jedoch Vergessen. Angesichts der durch Geständnis, Entschuldigung und nunmehr fast 20-jähriger Bewährung seitens der Trainer gereichten Hand sollte zumindest ein Dialog mit Ihnen jetzt möglich sein.

In Ihre Überlegungen sollte auch die Tatsache einbezogen werden, dass es sich bei den vorliegenden Fällen nicht um Neueinstellungen oder das Vorliegen neuer Erkenntnisse, wie im Fall Goldmann handelt, sondern um Trainer, die seit vielen Jahren unbeanstandet ihrer Tätigkeit nachgehen.

Selbstverständlich setzt sich der DOSB auch in Zukunft für Einzellfallgerechtigkeit ein. Deshalb wird er jeden weiteren Gesprächswunsch oder Erklärung, wie in der Vergangenheit, jeweils an die unabhängige Kommission zur Abgabe einer Empfehlung vor einer Entscheidung des DOSB-Präsidiums übergeben.

Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich für dieses Schreiben, ebenso wie Sie, die Form eines offenen Briefes wähle.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Bach

 

Ute Krieger-Krause, staatlich anerkanntes Dopingopfer aus Magdeburg, hat am 6. April 2009 in dem folgenden offenen Brief an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, DOSB-Präsident Thomas Bach und DLV-Präsident Clemens Prokop geschrieben:



Sehr geehrte Herren,
 
Sie befinden, dass es nach 20 Jahren Zeit werde für eine Versöhnung zwischen Tätern und Opfern des DDR-Doping-Systems und initiieren bzw. begrüßen die „Geständnisse” in Form einer vorformulierten Erklärung von fünf dopingbelasteten Leichtathletik-Bundestrainern.
 
Dass mindestens doppelt so viele Opfer sich vehement gegen diese ausschließlich dem Zweck der Weiterbeschäftigung dienende , unglaubliche Vorgehensweise öffentlich ausgesprochen haben, übergehen Sie mit einer Unsensibilität und Ignoranz, die  mich zutiefst enttäuscht und brüskiert.
 
Ohne Einbeziehung der Geschädigten wurde hier zugunsten der genannten Trainer eine „Lösung” konstruiert, die nicht dazu taugt, eine Annäherung von Tätern und Opfern herbeizuführen.
 
Die öffentliche Darstellung, dass hier eine „Gesprächsinitiative”  vom DLV ausgehe, ist unzulässig, denn als seitens der Betroffenen Gesprächsbedarf signalisiert wurde, standen sie vor verschlossenen Türen und bekamen es mit zugenagelten Köpfen zu tun. So oder ähnlich erging es auch Geschädigten, als sie sich an andere Sportverbände wandten. In einigen Fällen kulminierte das an die Sportverbände herangetragenen Ansinnen nach ernsthafter Kommunikation in persönlicher Diskreditierung.
 
Es blieb den Betroffenen nur die Erkenntnis, bei den Sportverbänden und deren Präsidien unerwünscht zu sein. Gesprächsbereitschaft war hingegen nicht feststellbar.
 
Nun nach langem Schweigen kommt der DLV  plötzlich zur Erkenntnis, dass man reden müsse.
 
Hier also die Frage an Sie , Herr Dr. Prokop, wer soll nach dieser stringenten Ablehnung und Nichtachtung, die sich bis zuletzt in der Weigerung zeigte, das Problem der bekannt dopingverseuchten Rekorde Ihres Verbandes ernsthaft zu behandeln, noch Ihrer Einladung folgen wollen?
 
Herr Dr. Bach, in diesem Zusammenhang erinnere ich, dass Sie selbst anlässlich der Verleihung der „Heidi-Krieger-Medaille” des DOH e.V. im September 2007 ein persönliches Gespräch mit anerkannten DDR-Doping-Opfern vorgeschlagen hatten.
 
Dieses Versprechen blieb uneingelöst. Uneingelöst auch der zweite Punkt des 10-Punkte-Planes des DOSB, nämlich die Einbeziehung von Geschädigten in die Doping-Prävention. Diese Unterlassungen sprechen für sich und tragen nicht dazu bei, die Ernsthaftigkeit Ihrer Absichten zu belegen.
 
Herrn Dr. Schäuble weise ich gern darauf hin, dass sich seit wenigstens zwei Jahrzehnten anerkannte Wissenschaftler sowie seit über zehn Jahren Dopinggeschädigte vehement für die Aufarbeitung der gesamtdeutschen Dopingvergangenheit, für die Bekämpfung des deutschen und internationalen Dopingalltages sowie für sinnvolle, vernetzte Dopingprävention einsetzen. Inzwischen dürfte Ihnen auch aufgefallen sein, dass, anders als von Ihnen in der „FAZ” behauptet, kein einziger Dopingrekord gelöscht worden ist.
 
Sehr geehrte Herren!
 
Sie werden den vorangestellten Zeilen entnehmen, wofür ich Ihre heutigen Erklärungen halte:
 
Für einen durchsichtigen Versuch, Ihren Anteil an der nunmehr zwei Jahrzehnte währenden Ignoranz gegenüber den Opfern, an der Duldung eines ebenso lange währenden Leugnens beteiligter Trainer, an mutmaßlichen jahrelangen Verstößen gegen die Antidopingklauseln in den Zuwendungsbescheiden des BMI an die Sportverbande, mithin an der missbräuchlichen Verwendung von Steuergeldern, zu vertuschen.
 
Ich bin allerdings der Überzeugung, dass Sie nicht die Macht haben, eine notwendige Debatte auf diese Weise zu beenden.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Ute Krieger-Krause

 

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