Offener Brief an Peter Danckert
Thomas Bach wendet sich mit einem offenen Brief an den Vorsitzenden des Sportausschusses des Bundestages

04.04.2008
Herrn
Dr. Peter Danckert, MdB
Vorsitzender des Sportausschusses
des Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
11011 Berlin
- vorab per Fax -
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Ihr Interview in der FAZ vom 4. April 2008 bedarf aus meiner Sicht einer Kommentierung, die ich Ihnen nachfolgend übermittle:
1. Es gehört schon eine gewisse Chuzpe von Ihnen dazu, zwei Reisen des Sport-ausschusses des Bundestages nach China zu den Olympischen Spielen und den Paralympics zu bestätigen und gleichzeitig den Beschluss des DOSB, Athleten dorthin zu entsenden, als „voreilig und überflüssig“ zu bezeichnen.
2. Wie Sie der am 24. März 2008 veröffentlichten entsprechenden Entschließung entnehmen können, hat der DOSB durchaus eine Vielzahl von politischen Stellungnahmen bei seiner Entscheidung für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Erwägung gezogen. Ich darf Sie daran erinnern, dass auf deutscher Seite sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesaußen-minister ebenso wie der Bundesinnenminister sich mehrfach gegen einen Boykott der Athleten ausgesprochen haben; im übrigen im Einklang mit dem Dalai Lama.
Nach unserer freiheitlichen Grundordnung ist dann der DOSB die für die Entsendung der deutschen Olympia-Mannschaft zuständige Organisation.
3. Es freut mich, dass Sie das Wahlgeheimnis respektieren. Zu den bei Ihnen offensichtlich nicht angekommenen Äußerungen zur Situation in China darf ich Sie auf die Lektüre des DOSB-Positionspapiers vom 22. Mai 2007 und die Aussage zur nicht zufriedenstellenden Situation der Menschenrechte in China in der Entschließung vom 24. März 2008 verweisen. Diese Haltung war auch
Gegenstand von Gesprächen des DOSB mit chinesischen Verantwortlichen, wie dem Präsidenten des chinesischen NOK und gerade letzte Woche mit dem Botschafter der VR China in Deutschland. Entsprechenden Initiativen des Vorsitzenden des Sportausschusses des Deutschen Bundestages sieht der DOSB gerne entgegen.
4. Das Bekenntnis des DOSB zur freien Meinungsäußerung der Athleten ist ebenso eindeutig in seiner Entschließung niedergelegt. Die Athleten, die ihre politische Meinung kundtun wollen, haben demnach dazu auch innerhalb der Regeln der Olympischen Charta ausreichend Gelegenheit. Persönliche Statements, Interviews, Diskussionen sind die dafür geeigneten Mittel, wie Sie in Bezug auf Ihre eigenen Olympia-Reisen in diesem Interview selbst festgestellt haben. Die Olympische Charta will aus guten Gründen nur sicherstellen, dass die Wett-kämpfe und Zeremonien nicht für eine Vielzahl von Demonstrationen z.B. zu regionalen politischen Auseinandersetzungen, bewaffneten Konflikten oder religiösen Meinungsunterschieden genutzt werden. Innerhalb des DOSB wird der gewählte Sprecher der Aktiven im Präsidium Christian Breuer diese Fragen mit den interessierten Athleten erörtern.
5. Ihre Aussagen zu meiner Teilnahme am Fackellauf halte ich für absolut verfehlt. Mit der Aussage, „das mögen sehr private Gründe sein, über die ich öffentlich nicht spekulieren will“ fordern Sie zu Spekulationen geradezu auf, zumal sich nicht einmal mir erschließt, über was Sie angeblich nicht spekulieren wollen. Auf diese Art und Weise Unterstellungen zu befördern, ist schlicht niveaulos und entspricht nicht den demokratischen Umgangsformen, die man eigentlich vom Vorsitzenden eines Bundestagsausschusses erwarten könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bach