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Netzwerke wichtig - Interview mit Prof. Gunter Pilz

Sport ist kein Selbstgänger, die Bedingungen müssen erst stimmen, erklärt Professor Gunter Pilz. Der Gewalt- und Konfliktforscher von der Universität Hannover fordert im Interview zum Beispiel die Vernetzung von Sport und Sozialarbeit. Der 11. Deutsche Präventionstag ist für ihn in diesem Sinne eine wichtige Zusammenkunft unterschiedlicher Interessengruppen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

18.04.2006

Welche positiven Aspekte hat Sport im Bereich der Kriminalprävention?

 

Gunter Pilz: Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Der Sport hat in der Tat präventives Potenzial und wird daher zum Beispiel auch von der Sozialarbeit genutzt. Man muss aber ganz klar stellen, dass Sportreiben selbst erst einmal keine präventive Wirkung hat, sondern gleichermaßen auch zu Gewalt führen kann. Nur wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Sport auch präventiv wirken.

 

Gerade Kampfsportarten wie etwa Boxen oder Karate sind bei vielen Jugendlichen beliebt. Inwiefern sind derartige Sportarten zur Gewaltprävention geeignet?

 

Gunter Pilz: Auch hier muss man von positiven und negativen Seiten sprechen. Einerseits sagt man ja, Kampfsportarten können das Gewaltpotenzial kanalisieren. Andererseits kann das Erlernen von Kampftechniken auch erst recht auf den Streetfight vorbereiten. Kampfsportarten beinhalten eine Gradwanderung. Die Auswirkungen hängen sehr stark von den Bedingungen ab, unter denen dieser Sport vermittelt wird. Nicht jeder Übungsleiter ist in der Lage mit den Techniken auch die entsprechende Philosophie des Sports zu vermitteln.

 

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Sport präventiv wirksam werden kann?

 

Gunter Pilz: Der Sport würde sich kolossal überheben, wenn er meint, dass er aus seiner eigenen Philosophie heraus Kriminalprävention leisten kann. Sport bedeutet erst einmal körperliche Bewegung. Zudem wird ja immer wieder deutlich, dass viele gewalttätige Jugendliche nicht unbedingt in die Sportvereine kommen. Wichtig ist, Netzwerke zu schaffen und unterschiedliche Kompetenzen zusammenzuführen. Schließlich laufen ja auch Modellprojekte fast immer außerhalb des eigentlichen Sportvereinsalltags, der ansonsten überfordert wäre. Netzwerkpartner können zum Beispiel die Sozialarbeit und –pädagogik, Streetworker oder auch die Kriminalpolizei sein. Mann muss sich dann ganz genau überlegen, wie der Sport wirken kann. Der Sport kann zum Beispiel ein Mittel sein, um an Jugendliche heranzukommen, aber das heißt noch lange nicht, dass er auch inhaltlich eine präventive Wirkung hat. Ich warne daher vor Sonntagsfloskeln nach dem Motto „der Sport ist die beste Schutzimpfung gegen Jugendkriminalität“. Damit tut sich der Sport keinen Gefallen. Der Sport ist kein Selbstgänger, die Bedingungen müssen erst stimmen.

 

So falsch es ist, den Sport als Insel der Seligen in den Himmel zu loben, so falsch wäre es seine durchaus vorhandenen sozialen und präventiven Funktionen zu leugnen oder gar ihn als Verderber von jungen Menschen zu brandmarken. Aber: Erst auf der Folie einer (selbst-) kritischen Analyse der Zusammenhänge von Sport und Gewalt können die durchaus vorhandenen positiven Funktionen und Wirkungen des Sports, sportiver Angebote bezüglich eines präventiven, erzieherischen Jugendschutzes heraus gearbeitet und in der Sozialen Arbeit, bzw. in der sportlichen Alltagspraxis fruchtbar um- und eingesetzt werden. Die vielen potenziellen Gefährdungen des Sports, die Verkehrun¬gen seiner kulturellen Dimensionen, weisen dabei aber auf die Notwendigkeit einer Qualitätsoffensive und sozialer Netzwerke hin.

 

Welche Hoffnungen knüpfen Sie an den 11. Deutschen Präventionstag in Nürnberg?

 

Gunter Pilz: Ich verbinde große Hoffnungen mit dem Präventionstag. Hier kommen unterschiedliche Interessengruppen zusammen und die Möglichkeiten und Grenzen des Sports können ausgelotet werden. Es kann die Sensibilität dafür gesteigert  werden, wo sich der Sport einbringen kann und wo gemeinsame Projekte entwickelt werden können. Dieses Forum ist meiner Meinung nach schon lange überfällig.

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