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Mein zweites Deutsches Sportabzeichen

Ein Erfahrungsbericht: Das Abenteuer "Sportabzeichen" erlebt und geschrieben von Frank Krause.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

29.03.2017

Ich liege mit Kühlakkus um meine beiden zuvor mit einer schmerzstillenden Salbe behandelten Oberschenkel und dem rechten ziemlich angeschlagenen Ellenbogen auf meinem Bett und denke an das bereits erreichte, und ob es heute wohl noch weitergeht. Es ist Samstag, der 3. September 2016. Ein sehr warmer und sonniger Sommertag.

Eine Woche vorher. Am Sonntag, den 28. August beim Frühstückskaffee, lese ich in unserer Sonntagszeitung, dass am kommenden Samstag im Stadion, Turn- und Schwimmbad der Stadt Erkelenz vom TV Erkelenz 1860 an einem Aktionstag im Rahmen eines Sportabzeichen-Festes alle Prüfungen für das Deutsche Sportabzeichen abgelegt werden können.

Sofort fällt mir mein Freund Spezi ein, der mit seiner Familie schon seit Jahren mit Begeisterung die Prüfungen ablegt. Ich solle das doch unbedingt auch noch mal machen, man fühle sich bei der Vorbereitung, Durchführung und danach richtig gut. Er erzählte immer mit sooooo einer Begeisterung davon, dass ich schon öfter daran gedacht habe, die Sache mal anzugehen. Meine letzte und einzige Sportabzeichen-Prüfung lag schließlich schon ein paar Jahre zurück: 1979 bei der Bundeswehr!

Damals konnte ich altersbedingt nur das Abzeichen in Bronze erreichen. Mittlerweile gibt es bei allen Jahrgangsstufen die Leistungsunterteilung in Bronze, Silber und Gold. Das Sportabzeichen in Gold! Puuuuh, das hört sich schon mal gut an und ist zusätzlicher Anreiz, die Prüfung abzulegen. Außerdem bekommt man mal wieder einen Stand über seine aktuelle Fitness.

Training! Hmmmm, ich erinnerte mich an die Gespräche mit meinem Freund Spezi. Der bereitete sich, allerdings wegen Knieproblemen manchmal auch etwas eingeschränkt, über mehrere Trainingseinheiten, teilweise über Wochen auf die Prüfung vor oder legte halt an verschiedenen Tagen Einzelprüfungen ab. Es wäre gar nicht so einfach das aus dem Stand heraus zu schaffen. Ok, das war noch mal ein zusätzlicher Anreiz für mich. Außerdem halte ich mich für einigermaßen sportlich, da ich fast jeden Abend ein ca. halbstündiges, auf mich abgestimmtes "Sportprogramm" absolviere. Und überhaupt hatte ich doch noch eine knappe Woche für die Vorbereitung. Das müsste allemal reichen. Also war die Entscheidung schnell gefallen: Ich werde am kommenden Samstag die Prüfungen, und zwar alle erforderlichen, für mein zweites Deutsches Sportabzeichen ablegen! Und zwar in Gold. „Operation Gold“ hatte begonnen!

Am Sonntag suchte ich noch im Internet unter www.deutsches-Sportabzeichen.de die für mich gültige Tabelle (Männer 55-59 Jahre) mit den Leistungsanforderungen in den von mir ausgewählten Disziplinen. Es gibt vier Disziplingruppen, die in vier bis fünf Einzeldisziplinen unterteilt sind, aus denen man die für sich geeignetste heraussuchen kann. Das heißt vier Einzelprüfungen und dazu den Nachweis, dass man schwimmen kann. Prima. Superangebot mit zu schaffenden Anforderungen. Für mich hatte ich ausgewählt: in Disziplingruppe Ausdauer den 3.000 m Lauf, den ich aber am Prüfungstag gedanklich schon ans Ende legte. Es sollte allerdings ganz anders kommen. In der Gruppe Kraft natürlich Kugelstoßen. Als ehemaliger Bataillons-Dritter, beim Bundeswehr Sporttag irgendwann im Jahr 1980, war ich dafür hinreichend qualifiziert. Ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass ich später die Prüfung im Gerätturnen ablegen würde. Schnelligkeit war ebenfalls schnell entschieden, 50 m Lauf. Bei meinem Blitzstart sollte dies ja nun wirklich kein Problem werden. Und in der Koordination hatte ich mir auch sofort den Weitsprung ausgesucht. Beim schon erwähnten BW Sporttag war ich schließlich 6 m gesprungen, da sollten doch die 4,20 m, für mein Alter für Gold benötigt, nun wirklich leicht zu schaffen sein.

Im Kopf hatte ich die Prüfungen bereits abgelegt, Gold-Anforderungen locker geschafft, außer vielleicht beim 3.000 m Lauf, den würde ich doch mal üben müssen. Ich war euphorisch und freute mich schon. Zum einen auf den Prüfungstag, aber auch auf die kommende Woche, wo ich dann doch mal trainieren wollte.

Ich bin die Woche über auf Montage in Thüringen. Es war ein herrlicher Spätsommer mit Temperaturen tagsüber bis zu 30 Grad. Das Hoch sollte mindestens noch die ganze Woche andauern.

Am Montag, die Fahrt noch in den Knochen, habe ich abends nur ein wenig Fitness gemacht. Unter anderem auch das Seilspringen, was ich seit einiger Zeit in mein Sportprogamm mit eingebaut hatte. Irgendwo hatte ich gehört, dass für die Ausdauer ca. 10 Min. Seilspringen so wirkungsvoll wie etwa eine halbe Stunde Dauerlauf ist.

Am Dienstag nun wollte ich mich an die ausgesuchten Einzeldisziplinen wagen. Das Stadion in Walterhausen, wo ich die Woche über wohne, ist nicht für jeden frei zugänglich und am Nachmittag auch geschlossen. Ich fuhr daher in den Nachbarort. Dort ist eine 400 m Laufbahn. Die ist zwar etwas bewachsen, dafür aber nicht eingezäunt und kann von jedem zu jeder Zeit genutzt werden. Es war wieder sehr heiß und so gegen 17:00 Uhr hatten wir noch um die 26 Grad.

Ich wollte es nicht übertreiben und machte mich mit einer Laufrunde locker. Am Rand gibt es auch eine Sprunggrube. Also wollte ich erst mal meine Sprungweite überprüfen. Abgesehen davon, dass ich jedes Mal übergetreten war, schien mir die Weite auch unter den für Gold erforderlichen 4 m zu liegen. Hieran musste ich also noch arbeiten. Aber jetzt erst mal der 3.000 m Lauf, bevor die Kräfte nachlassen. Also alles überflüssige Gewicht abgelegt, das Handy als Stoppuhr in der Hand und los ging's.

Nur nicht zu schnell angehen, Kräfte einteilen, lockere Schritte. Wie viele Runden muss ich überhaupt? Ok, 3.000 m bei 400 m pro Runde macht 7 1/2 Runden. Gut, das heißt 7 Runden bis zum Start und dann noch eine halbe bis, ja bis ungefähr zu der Baumgruppe da. Kein Problem. Aber wie lange darf ich im Mittel für jede Runde brauchen, um unter 17:50 Min. zu bleiben? Mal kurz nachrechnen, lenkt auch von der Anstrengung ab. Also, ungefähr 18 Min. geteilt durch 7,5 Runden, macht bei 8 Runden so etwa 2 Min. und 15 Sek. Ich muss aber nur 7,5 Runden, dafür etwas schneller, also gut, ein paar Sekunden mehr, auf jeden Fall unter 2,5 Min. Gut, zwei Runden hab ich schon. Kurzer Blick aufs Handy. Was? Schon über 5 Min., also Tempo anziehen. Ich merke bereits bei jedem Schritt, wie meine Beine schwerer werden. Denk an was Schönes und locker weiterlaufen. Zeit ist nicht mehr ganz so wichtig. Wie war das noch für Silber? Beim Ausdauerlauf kann ich dabei doch 3 Min. länger brauchen. Und einmal Silber und der Rest Gold reicht für das Gold-Abzeichen. Also locker bleiben! Aber die Beine und die Wärme. Hab ich genug getrunken? Mittlerweile bin ich 4 Runden gelaufen, das sind 1.600 m. Ok, heute sind nicht die idealen Trainingsbedingungen, außerdem wollte ich die Sache langsam angehen, nutzt doch nichts wenn ich morgen gar nicht mehr gehen kann. Also laufe ich die 5. Runde noch durch. Hab damit 2.000 m in knapp 12 Min. hinter mir. Ist doch gar nicht mal schlecht! Wenn man's hochrechnet, passt es doch so ungefähr. Mal gar nicht dran denken, dass man nach hinten raus noch langsamer werden könnte.

Zum Abschluss noch mal in die Weitsprunggrube. Aber das wird heute nicht mehr besser. Also zurück zum Betrieb, wo ich nebenan meine Wohnung habe. Mittlerweile ist es ein wenig abgekühlt. Da bleibt noch Zeit Schnelligkeit und Kraft zu üben. Vor dem Betriebsgebäude auf dem Asphalt der Zufahrt neben dem Straßeneinlauf markiere ich mit Farbspray die Startposition. Dann rolle ich mit dem Laufrad exakt 50 m ab und kennzeichne die Ziellinie. Kurze mentale Vorbereitung: unter 9 Sek, unter 9 Sek, unter ...

Dann zwei Mal den Start geprobt, wieder alles Überflüssige abgelegt und das Handy als Stoppuhr in die Hand. Und los geht's: gefühlter Raketenstart, schneller Sprint, schon an der Ziellinie und sofort der Blick auf die Stoppuhr: 8 Sek. und ein paar Zehntel, aber kurz nach dem Blick kam schon der stechende Schmerz im linken Oberschenkel. Statt nach dem Ziel in Ruhe auszulaufen, hab ich, um meine Zeit zu sehen, so abrupt abgebremst, dass ich mir den linken Oberschenkel zumindest gezerrt habe, wenn nicht gar schlimmeres passiert ist. Kurz den Schreck und Ärger über mich verdauen. Anschließend sollte es noch mehr als das Abendessen zu verdauen geben.

So, jetzt langsam das Bein belasten und ruhig gehen. Geht doch. Noch ein leichter Schmerz aber gut auszuhalten. Die Kraftdisziplin soll jetzt das dringend benötigte Erfolgserlebnis bringen. Für Gold ist eine 6 Kilo Eisenkugel 7,50 m weit zu stoßen. Sollte mal wieder kein Problem sein. Eher noch woher jetzt eine 6 Kilo Eisenkugel nehmen? Also mache ich mich auf in unsere Werkstatt, um was Passendes zu finden. Das Gewicht vom 5 Kilo Vorschlaghammer wäre schon gar nicht so schlecht. Aber ein Kilo zu wenig. Hinten im Regal neben der Drehbank liegen einige brauchbare Teile, ich suche mir einen massiven Eisenzylinder aus, der im Vergleich zum 5 Kilo Gewicht des Vorschlaghammers augenscheinlich das benötigte Gewicht in jedem Fall haben dürfte. Zur Kontrolle nochmal kurz auf unsere Briefwaage. Getillt! Ein genauer Blick auf die Waage gibt Aufschluss, dass sie nur bis max. 6 Kilo anzeigt, dann liegen wir also deutlich drüber. Toll, "optimales" Trainingsgerät gefunden. Jetzt zur Schotterfläche am Rand unseres Betriebsgeländes. Abwurfposition mit einem Pflasterstein markiert. Dann mit dem Zollstock 7,50 m abgemessen und einen Halbkreis gezogen. Eisenzylinder in die rechte Hand und 5 Mal nach oben gestemmt. Vorbereitung abgeschlossen. Na dann mal los. Da der Zylinder ziemlich rostig und schmutzig war, habe ich die direkte Berührung mit dem Hals erst mal vermieden und einfach irgendwie gestoßen. Zielweite nicht mal annähernd erreicht. Wurfposition verbessert und eine etwas bessere, aber weiterhin enttäuschende Weite erreicht. Kurze Überlegungen, ob der Zylinder von der Form vielleicht doch nicht so geeignet, und/oder das Gewicht eventuell etwas zu schwer sei, wurden schnell beendet. Vielleicht zu schnell? Na jedenfalls wollte ich's jetzt wissen. Eisenstück an den Hals gepresst, kurze Drehung, schneller Stoß, lauter Schrei. Der Schrei wurde zum Schmerzensschrei! Ich verdrehte irgendwie den rechten Ellenbogen und fügte mir einen weiteren körperlichen Schaden zu, dessen Ausmaß ich noch nicht abschätzen konnte.

So das war's aber dann. Auf jeden Fall für heute, vielleicht aber auch für dieses Jahr. Nachdem ich alles zurückgeräumt hatte und wieder in meine Wohnung gehumpelt war, rief ich zuhause an. Erzählte von der Gefährdung der "Operation Gold" und meinen Leiden. Ich war schon etwas betrübt und niedergeschlagen. Meine Frau riet mir zu einem warmen Bad, das wäre wahrscheinlich erst mal das Beste. Im Nachhinein denke ich, das Kühlen unter den gegebenen Umständen eventuell besser gewesen wäre. Aber wer weiß das schon so genau. Auf jeden Fall hab ich auf Oberschenkel und Ellenbogen dick schmerzstillende Salbe aufgetragen und beides bandagiert. Dann Abendessen, ein wenig Fernsehen und ab ins Bett.

Mittwoch, Tag 2 der Vorbereitung: Am nächsten Morgen war der Oberschenkel bei normaler Belastung gefühlt schmerzfrei, der Ellenbogen schmerzte bei bestimmten Bewegungen noch höllisch. Wieder Salbe aufgetragen und bandagiert. Im Büro beim Frühstücksbrötchen schaute ich mir die Leistungsanforderungstabelle an. Aufgeben wollt ich dann doch noch nicht. Kraft war zwar zum Problem geworden, und mit links stoßen, ich weiß nicht, aber alternativ gibt es den Standweitsprung. Den hatte ich zwar wettkampfmäßig noch nie gemacht, aber die Weite von 1,90 m für Gold schien mir nun wirklich machbar. Und als Koordinationsdisziplin schien mir das Seilspringen der geringste, erfolgversprechendste Aufwand. Den Grundsprung rückwärts ohne Zwischensprung habe ich zwar auch noch nicht oft gemacht, vielleicht mal als Kind, aber vorwärts schaffe ich locker über 200 Mal, also schien mir das einen Versuch wert. Die Anforderung beim 50 m Lauf hatte ich ja bereits für mich nachgewiesen. Der Oberschenkel musste aber eh noch geschont werden, also könnte der Ausdauerlauf auch nicht trainiert werden. Aber Kraft und Koordination. Am Nachmittag habe ich mich dann im Internet über die Körperhaltung und Durchführung des Standweitsprungs informiert und wollte dies nun mal testen. Also, vom Bordstein aus, auf die Wiese vor unserem Büro den Zollstock hingelegt und bei 1,90 m noch einen Zielstein. Aber heute wollte ich möglichst keine Fehler machen. Also trabte ich erst mal zum Warmmachen langsam über unser Betriebsgelände. Dann schien es mir sinnvoller, doch mit dem Seilspringen anzufangen. Zunächst vorwärts. Locker und nicht übertreiben, 40 Mal, das reicht. Pause und nochmal. So und jetzt den Grundsprung rückwärts. Ich stelle mich zunächst etwas umständlich an, springe sehr viel höher als notwendig und verliere dadurch viel schneller die Kraft für weitere Sprünge. Aber schon beim zweiten Versuch ist die Zielanzahl von 30 Sprüngen um 4 übertroffen, 34 Stück ist Gold, schönes Erfolgserlebnis! Jetzt noch kurz Standweitsprung und dann reicht‘s für heute, Oberschenkel muss noch geschont werden. Beim Weitsprung versuche ich mich genau an das zuvor recherchierte zu halten. Klappt auch einigermaßen, ungefähre Zielweite erreicht. Ich war beim Absprung auch noch etwas verhalten, müsste also klappen. Super 2. Trainingstag, ich war wieder auf Kurs.

Donnerstag. Der Arbeitstag war ziemlich anstrengend, außerdem war es immer noch sehr warm. Gegen Abend wiederholte ich die Trainingseinheiten vom Vortag und beschloss mich sonst lieber zu schonen. Der Schmerz im Ellenbogen war etwas abgeklungen, aber bestimmte Bewegungen, vor allem auch mit kleinen Lasten, kaum möglich. Kugelstoßen war keine Option mehr, brauchte es aber auch nicht. Hauptsache der Heilungsprozess setzt sich fort. Der Rest wird schon, wie auch das Laufen, hoffte ich. Hochmotiviert wie ich war, würde das am Prüfungstag schon irgendwie klappen.

Freitag. Erst mal noch kurz ins Büro, dann die Heimfahrt. Rund 400 km westwärts. Verkehr hält sich bis auf den Kölner Ring in Grenzen. Trotzdem ziemlich ko. Gegen Abend Generalprobe für die Disziplin Kraft und Koordination. Seilspringen top, 42 Sprünge gleich beim ersten Mal. Reicht, nur nichts mehr riskieren. Für den Standweitsprung hab ich dann auf dem Rasen in unserem Garten den Zollstock ausgelegt. Meine Frau schaut zu und meint nach dem ersten Versuch, dass die Weite reicht, knapp 2 m. Einen Versuch mach ich noch, dann ist Schluss. Oberschenkel und Ellenbogen nochmal versorgt und dann ist die Vorbereitung abgeschlossen. Hoffnungsvolle Erwartung des nächsten Tages.

Samstag. Der große Tag. Der Prüfungstag. Top Wetter, sonnig und warm. Ein leichtes Frühstück: Brei aus Avocado, Apfel, Haferflocken, Mandeln, bestreut mit Schokoflakes, Himbeeren und Heidelbeeren, mmmmmmh und beste Voraussetzungen für beste Leistungen. Noch schnell die Tasche gepackt. Hose, T-Shirt, Strümpfe, Schuhe ... alles mal zur Vorsicht doppelt eingepackt. Noch eine Wasserflasche und mein Springseil nicht vergessen. Meine Frau coacht mich an diesem Tag und erinnert mich an die Schwimmsachen, die ich ja wohl für den Nachweis der Schwimmfähigkeit noch brauche. Dann geht's auch schon los. Wir wollen früh anfangen, dann ist vielleicht noch nicht so viel Betrieb und außerdem haben wir viel vor. Auf zum Stadion. Auf der Bahn sieht man schon einige Läufer. Der Adrenalinpegel steigt. Erst mal zur Anmeldung. Überall sehr nettes Betreuungspersonal, alles richtig gut organisiert. Danach zur ans Stadion angrenzenden Turnhalle, um die erste Disziplin abzulegen: das Seilspringen. Überall Betriebsamkeit, Kästen und Matten für die Sprungprüfung werden aufgebaut, Reck und Barren stehen schon und die Ringe hängen. Beim Warmmachen und Einspringen sehe ich ein Mädchen am Barren turnen und eine Übung vormachen. Ich erinnere mich, dass es auch in meiner Altersklasse eine Barrenübung als alternative Kraft-Einzeldisziplin gibt. Aber erst mal eine Prüferin für meine Seilsprungübung suchen. Schon gefunden. Nochmal kurz zur Übung gesprungen, und jetzt zählt es. ... 28, 29, 30, ... 38! Genug, das reicht für Gold, super Anfang, und der Oberschenkel hält.

Auf meine Nachfrage hin turnt ein Mädchen die für mich in Frage kommende Barrenübung um die Gold-Punktzahl zu erreichen. Das wär's doch, ruckzuck und schon die zweite Disziplin erledigt. Ist auf jeden Fall machbar. Der Ellenbogen ist mit einem Gelenkschutz versehen und tut mäßig weh. Ich versuch's und es klappt. Keine halbe Stunde am Start und schon zwei Mal Gold. Massenhaft Glückshormone durchfluten den Körper, noch ...

Vom Erfolg getragen geht's zur nächsten Station: der 50 m Lauf. Auch hier gute Organisation. Ich melde mich beim Prüfer, bei dem schon zwei weitere Sportskameraden stehen, die zwar etwas jünger sind, aber auch 50 m laufen müssen. Kurze Rückfrage des Startgebers bei der Kollegin, die die Zielankunft stoppt, ob sie auch bei drei Läufern die Zeit nehmen kann. Kein Problem! Also startbereit machen. Noch kurz den Startblock eingestellt, hingehockt und aufs Startzeichen gewartet. Auf die Plätze, fertig und dann klatscht der Startgeber laut mit einer Holzklatsche. Wir spurten los, ich besonders ... der erwartete Raketenstart ... ich hab den Kopf vorgebeugt, reiß mit jedem Schritt die Beine vor, stoß mich mit aller Kraft bei jedem Schritt vom Boden ab, gebe alles, vergesse alles, spüre nichts mehr, nur laufen, rennen, bin vorn, höre hinter mir nichts mehr, höre gar nichts mehr, sehe die Zeitstopperin, das Ziel, weiß, dass ich eine super Zeit gelaufen bin und laufe noch etwa 20 m aus. Dann kommt der Schmerz zurück, stechend, alarmierend beim linken Oberschenkel, und nun auch beim rechten, allerdings noch verhalten. Egal, dafür schon 3 Mal Gold, oder doch nicht? Beim zurückgehen zur Zeitnehmerin registriere ich Unruhe und Diskussion mit den die Sportler begleitenden Angehörigen. Was war passiert? Die Zeit wurde nicht gestoppt? Neeiiiiiiiiin ... Doch! Der Lauf muss wiederholt werden! Neeiiiiiin. Doch! Meistens ist der 2. Lauf auch der bessere, weil der schnellere! Außerdem hab ich gleich nach dem Start abgewunken und signalisiert, dass neu gestartet werden muss. Tut mir leid, der Lauf muss wiederholt werden. Mag ja sein, aber ich und die anderen haben nichts gehört oder gesehen, sind durchgelaufen und außerdem ich bin verletzt, angeschlagen, kann nicht mehr, ich kann kein zweites Mal mehr laufen ... Konnte und musste ich aber doch, nachdem ich mich ein wenig beruhigt, ausgeruht und die Oberschenkel massiert habe. Diesmal war's nur eine Zweiergruppe. Ich holte nochmal alles aus mir raus. Zeit war auch prima. 7,9 Sek., das war mehr als genug. Allerdings schmerzten mittlerweile beide Oberschenkel so sehr, dass ich nur noch humpeln konnte.

Heute noch 3.000 m zu laufen, undenkbar. Auf keinen Fall mehr drin. Ich tröstete mich ein wenig damit, dass ich die letzte Prüfung ja zu einem späteren Zeitpunkt noch ablegen könnte. Musste mich erst regenerieren und dann mal erkundigen, wann und wo dies möglich sei. Ist doch erst Anfang September. Aber schade ist's trotzdem. Etwas gedrückt, traurig, geknickt, betrübt und mutlos wollte ich nur noch / erst mal nach Hause. Mein Coach trug meine Tasche und versuchte mich zu trösten. Gegen Mittag waren wir heimgekehrt, etwas erfolgreich aber nicht zufrieden. Ich trug großflächig schmerzstillende Salbe auf, legte mich aufs Bett und bekam vom Coach noch 3 Kühlakkus. Tolle Teile, in Baumwolle integriert mit Klettverschluss. Ich freute mich natürlich über die drei erfolgreich abgelegten Prüfungen, sehr sogar. Aber es fehlte natürlich noch was. Und heute muss man sich nicht groß kümmern, der TV Erkelenz 1860 kümmert sich und hat alles top organisiert. Ich überlegte. Den Schwimmnachweis muss ich doch auch noch erbringen. Als Alternative zum 3.000 m Lauf kann man auch 400 m Schwimmen. Und das Wasser trägt doch. Bewegungen fallen leichter, sind weniger oder gar nicht schmerzhaft, ok, könnte vielleicht gehen, so auf dem Bett liegend mit den Kühlakkus kam mir das gar nicht so abwegig vor. Aber die Zeit von 11:20 Min.? Kein Gefühl dafür. Bin zwar diesen Sommer nach etlichen Jahren mal wieder im Freibad gewesen, bin aber hauptsächlich gesprungen und nur wenig geschwommen. Und auf Zeit, das letzte Mal in der Schule oder bei der Bundeswehr. Auf jeden Fall eine halbe Ewigkeit her. Ist aber doch egal, der Schwimmnachweis muss eh erbracht werden und Silber wäre doch auch in Ordnung. Außerdem waren wir noch nicht im neuen Erkelenzer Schwimmbad. Der Entschluss war gefasst.

Nach etwa einer halben Stunde rappelte ich mich auf, machte die Kühlakkus ab, ging vorsichtig zur Treppe und rief: Coach, wir müssen nochmal los. Ins Schwimmbad. Wieder eine halbe Stunde später waren wir im Schwimmbad, das direkt neben dem Stadion liegt. Ich stand mit Badehose in der Halle, schaute einige Minuten dem Treiben zu und hielt Ausschau nach einer Prüferin. Schnell war eine freie und abgetrennte Bahn gefunden. Kurze Rücksprache mit der Zeitnehmerin: 400 m sollen geschwommen werden, das sind bei 25 m pro Bahn insgesamt 16 Bahnen. Gerade Zahl, also wo ich startete, schlag ich am Ende wieder an. Einmal noch kurz ins Wasser und wieder raus, aufgestellt, fliegender Start, Kopfsprung und los. Ich fange mit Kraul an, weil ich denke, dass ich nur am Anfang die Kraft dafür habe und so erst mal schnell etwas Strecke zurücklegen kann. Merke schnell, dass ich es viel zu schnell angehe, so wird das nichts. Das halt ich nicht durch. Nach 15 m auf Brust umgestellt, merke etwas meinen angeschlagenen Ellenbogen, die Oberschenkel natürlich auch, aber nicht so doll. Es geht ganz gut. Ich wechsel die Schwimmstile, am besten geht noch rückwärts. Habe fünf Bahnen geschafft. Habe nun Bedenken, ob die Kondition reicht. Bin schon ganz schön platt. Habe mich jetzt fast ganz auf Rückenschwimmen festgelegt, den Beinschlag abwechselnd wie beim Brust- oder Kraulschwimmen und die Arme gleichzeitig über den Kopf durchs Wasser gepflügt. Zwischen jedem Armzug tief durchatmen. Vor dem Bahnwechsel drehte ich auf Brust, stieß mich fest ab und dann wieder in Rückenlage. Ich hatte 8 Bahnen zwischen 5 und 6 Min. geschafft. Das sieht doch richtig gut aus. Aber ich musste durchhalten. Jetzt kam mir ein Mädchen auf meiner Bahn entgegen. Panik! Das ist doch viel zu eng, ... ging dann aber doch. Sie war auch nur für 2 Bahnen im Wasser. Es wurde immer schwerer. Ich sehnte das Ende herbei. Sagte mir immer die noch zu absolvierenden Bahnen vor, noch ... 7, … 4, 3, 2, 1 ... kurz vor dem Ziel rieb ich mir das Wasser aus den Augen. Ich muss anschlagen, sagt die Zeitnehmerin, wie bitte? anschlagen, erst dann endet die Zeitmessung, ach so. Dann war's geschafft. Genau 11 Min. Gold! ... Ich war erfüllt von Glück, Freude, Zufriedenheit.

Beim Umziehen in der Kabine, Kindergeplapper aber auch ein Gespräch zwischen 2 etwas jüngeren Herren als ich, die ebenso begeistert vom heutigen Tag waren, es toll fanden, dass Turnhalle, Stadion und Schwimmbad fußläufig so nah beieinander liegen, der Ablauf einfach prima organisiert ist und sie nächstes Jahr wieder dabei sein werden.

Draußen erwartete uns der strahlende Sonnenschein. So und jetzt noch die Einzelprüfkarte abgeben, um ca. 6 Wochen später Urkunde und Anstecknadel zu bekommen. Aber was, wenn meine Prüfkarte verloren geht? Kurzer Panikanflug! Herzfrequenzsteigerung, Blutdruckanstieg. Mist, auch das Handy nicht dabei, damit könnte ich wenigstens ein Beweisfoto machen. Aber die freundliche Dame an der Melde-/Organisationsstelle beruhigte mich, dass dies, nach ihrer Erfahrung noch nicht passiert sei. Wenn ich an der Übergabeveranstaltung im November nicht teilnehmen kann, könnte ich so in etwa 6 Wochen in der Geschäftsstelle vorbeikommen und die Urkunde abholen. Und die Anstecknadel? Ja, die Anstecknadel auch. Na dann ist ja gut.

Ich ging humpelnd, mein Coach federnden Schrittes, zum Auto zurück. Zuhause erst mal wieder Salbe, Kühlakkus und aufs Bett. Ich hatte es geschafft und war schlussendlich einfach nur soooooo zufrieden, nahm mir vor im nächsten Jahr auch wieder mit dabei zu sein, aber dann mit wesentlich mehr Vorbereitung und ganz entspannt.

Nach genau einer Woche ging ich in kurzer Hose bei uns zuhause die Treppe hoch, meine Frau hinter mir und fragte, was ich denn um alles in der Welt gemacht hätte? Meine beiden Kniekehlen waren großflächig (Durchmesser noch gute 20 cm) blau-violett unterlaufen. Ob es nun von der Verletzung, Überbeanspruchung, falschem/ungenügendem Warmmachen oder falschen, zu intensivem Kühlen kam, ich weiß es nicht. Ich wusste nur umso mehr, dass ich mich zukünftig in jedem Fall besser vorbereite, mich mit richtigem aufwärmen aber auch mit Dehn- und Lockerungsübungen beschäftigen werde. Denn ich will noch viele weitere Jahre sportlich aktiv sein und das ein oder andere Deutsche Sportabzeichen machen.

Nach sieben Wochen holte mir mein Coach Urkunde und Anstecknadel aus der Geschäftsstelle des TV 1860 und legte beides freudig auf den Wohnzimmertisch. Als ich nach der Arbeitswoche am Freitag nach Hause kam und mein Blick darauf fiel: TOLL!

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