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„Kräftiger, schneller oder ausdauernder?“

Die optimalen Entwicklung der muskulären Leistung im Hochleistungstraining stand im Fokus des IAT Spitzensport-Symposium in Leipzig.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

04.06.2019

Gewichtheber bei der Leistungsdiagnostik am neuen IAT-Messplatz. Foto: IAT

Warum kann Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler seinen Speer so weit werfen? Allein ein Krafttraining zum Muskelaufbau reicht nicht für Spitzenleistungen. So individuell die Athleten sind, so individuell sollte im Idealfall auch ein Training zur Verbesserung der muskulären Leistung erfolgen. Nicht zu vergessen ist auch noch die Spezifik der sportlichen Leistung, die erbracht werden soll. So muss ein Speerwerfer anders trainieren als ein Gewichtheber. So drehte sich beim zweitägigen Spitzensport-Symposium am 21. und 22. Mai am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig alles um die Frage der optimalen Entwicklung der muskulären Leistung. „Aktuell wird beispielsweise die Geschwindigkeit bei der Diagnostik und Trainingssteuerung im Krafttraining nur unzureichend berücksichtigt. Ziel muss jedoch der optimale Einsatz von Schnellkraft-, Maximalkraft- und Kraftausdauertraining im Zusammenhang mit der Technik sein. Hier ist die Bewegungsspezifik der einzelnen Sportarten zu beachten – nicht nur im Training, sondern auch bei der Diagnostik. Denn der Effekt des Krafttrainings lässt sich erst an der Kraftwirkung im sportlichen Bewegungsvollzug messen“, sagt Dr. Frank Lehmann. Er ist der Fachbereichsleiter Kraft-Technik am IAT und zugleich Cheforganisator des Spitzensport-Symposiums. Gemeinsam mit seinem Team hat er in Vorbereitung der Veranstaltung für die Trainer grundlegende Positionen zur Entwicklung der muskulären Leistung in Form von FAQ aufbereitet. Dies sind unter www.sport-iat.de/faq verfügbar.

Neuer Messplatz zur Diagnostik der Kraftentwicklung

Höhepunkt des ersten Tages war nach Referaten zum Zusammenhang von muskulärer Leistung und Krafttraining aus verschiedenen Perspektiven war die Einweihung des neuen IAT-Messplatzes Gewichtheben. Getestet wurde er von EM-Silbermedaillen-Gewinner Simon Brandhuber unter den Augen von David Kurch, Bundestrainer des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber, und IAT-Wissenschaftler Dr. Ingo Sandau. Bisher wurde hauptsächlich die Videoanalyse des Hantelverlaufs im Messplatztraining genutzt, jetzt erfolgt gleichzeitig eine Aufzeichnung und Analyse des Körpers und der Kräfte während der Hebung. Aber nicht nur Gewichtheber sollen in Zukunft von dieser Diagnostik profitieren, auch andere Athleten wie Ruderer oder Leichtathleten können diesen Messplatz nutzen, um Erkenntnisse für eine individualisierte Trainingsplanung und Trainingssteuerung zu erhalten. „Wir arbeiten sehr gern und sehr eng mit dem IAT zusammen, was auch die Individualisierung der Trainingsplanung von unseren Sportlern angeht. Und mit dem neuen Messplatz erhoffen wir uns, die individuellen Sportlerprofile noch besser beurteilen zu können, um dann die Trainingsgestaltung individuell anpassen und damit die verschiedenen Trainingsintensitäten direkt auf die Sportler zuschneiden zu können.“, sagte Kurch.

Blick über den Tellerrand

Der zweite Tag des Spitzensport-Symposiums startete mit dem Vortrag des schwedischen Universitätsprofessors für Sportwissenschaften und Gründer des schwedischen Wintersportforschungszentrums, Hans-Christer Holmberg. Er gab interessante Einblicke aus seiner Forschung im Spitzensport mit dem Schwerpunkt Skilanglauf. „Von ihm haben wir wertvolle Anregungen erhalten“, sagte IAT-Wissenschaftler und Organisator des Symposiums, Dr. Frank Lehmann. „Der Erfahrungsaustausch mit internationalen Wissenschaftlern ist wichtig und gut.“

Diskussionen in drei Arbeitskreisen

In den anschließenden drei parallel verlaufenden Arbeitskreisen widmeten sich die Teilnehmer der Entwicklung muskulärer Leistung aus verschiedenen Perspektiven. Jeweils sieben Referenten aus angewandter Wissenschaft und Praxis stellten Ansätze zu Krafttraining bzw. Diagnostik in verschiedenen Sportarten vor. Fazit: Egal, ob schnelligkeits-, kraft- oder ausdauerbetonte muskuläre Leistung entwickelt werden soll - es darf nicht nur die Kraft betrachtet werden, sondern auch die Geschwindigkeit. „Leistung ergibt sich aus Kraft und Geschwindigkeit“, erklärt Dr. Lehmann. Vor allem geht es im Hochleistungssport um die Individualisierung jedes einzelnen Sportlers. Dabei sollte die Struktur der Wettkampfbewegung Ausgangspunkt für die Ableitungen des Krafttrainings sein. Andy Huber vom OSP Bayern hat dazu eine Bedarfsanalyse für den alpinen Skilauf vorgenommen, die er beim Symposium vorstellte. Aus der Sportart Ringen berichtete IAT-Wissenschaftler Ronny Lüdemann über den ringenspezifischen Test, aus dessen Ergebnissen dann individuelle Trainingsempfehlungen gegeben werden können. Und der Bundestrainer Athletik/Technik im Skilanglauf, Axel Teichmann, zeigte auf, wie wichtig eine Rahmentrainingskonzeption für ein Athletiktraining ist. Und zwar in Abhängigkeit davon, was ein Sportler sportartspezifisch benötigt. So haben sich die Anforderungen an einen Skilangläufer in den vergangenen Jahren extrem verändert, entsprechend muss auch das Krafttraining angepasst werden. Auch Gerd Leopold, Bundesstützpunkttrainer der Bob-Piloten in Altenberg, hat spezifische Lösungen für die jeweils zu erbringende sportliche Leistung entwickelt. Er ist von einzelnen, abgetrennten Krafttrainingsblöcken abgekommen und nimmt beispielsweise schnelligkeitsbetonte Trainingseinheiten während des ganzen Jahres vor. In diesem Zusammenhang ist auch die Belastungsverträglichkeit zu berücksichtigen. Falk Schade vom OSP Rheinland wies darauf hin, dass es Unterschiede zwischen der Sehnen- und der Muskelanpassung gibt, die zu Problemen führen können, und stellte Trainingsprogramme vor, um diese zu vermeiden.  

Insgesamt zeigten sich die rund 170 Teilnehmer zufrieden mit dem Spitzensport-Symposium. „Einiges war natürlich bekannt, aber es gibt immer wieder neue Impulse“, resümierte Jenny Wolf, Bundestrainerin Wissenschaft in der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft. Die wichtigsten Ergebnisse des Symposiums werden nun in einem Tagungsband zusammengeführt der zum Jahresende im Rahmen der IAT-Schriftenreihe Angewandte Trainingswissenschaft erscheinen wird.

(Quelle: IAT)

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