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„Ich bin gern bereit, die Zukunft des DOSB mitzugestalten“

Volker Bouffier ist seit 1. Januar Vorstand für besondere Aufgaben. Hier erläutert er, warum er sich für den organisierten Sport engagieren möchte.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.01.2025

Langeweile? Kennt er nicht. Die Liste an Ehrenämtern, die Volker Bouffier ausübt, könnte locker zwei Leben abdecken. In der Anwaltskanzlei Bouffier & Wolf in seiner Heimatstadt Gießen, die der 73-Jährige 1978 gründete, hilft der Jurist in Urlaubs- und anderen Stressphasen als Notarvertreter aus. Im Sommer des vergangenen Jahres ging er sogar unter die Musiker, vertonte mit dem Wetzlarer Elektro-Künstler Thomas Albertsen Textzeilen aus Goethes „Werther“. Und er hätte sich durchaus damit anfreunden können, in diesem Jahr etwas mehr Freizeit mit der Familie zu verbringen. „Ich habe nicht nach neuen Aufgaben gesucht“, sagt Volker Bouffier. 

Aber die neue Aufgabe, zum 1. Januar im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nach der einvernehmlichen Trennung vom Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester als Vorstand für besondere Aufgaben einzusteigen, hat ihn gefunden. Und weil der Mann, der zwischen 2010 und 2022 als Ministerpräsident die hessische Landesregierung anführte, von jeher davon überzeugt ist, dass gesellschaftliches Engagement extrem wichtig und nichts ist, was man immer den anderen überlassen sollte, hat er zugesagt, als aus der DOSB-Führung die Bitte um Hilfe an ihn herangetragen wurde. „Der DOSB war in einer Notsituation, und nachdem man mir gesagt hatte, dass jemand gesucht wird, der sich mit Politik und Sport auskennt, und mir skizziert wurde, wie ich dazu beitragen kann, die Notsituation zu lindern, bin ich nun gern bereit, die Zukunft mitzugestalten“, sagt er. 

Vorstand für besondere Aufgaben, das klingt spannend und ein wenig schwammig zugleich. Volker Bouffier will sich bis Mitte Januar Zeit nehmen, um die Stellenbeschreibung mit Inhalt aufzuladen. Trotzdem hat der Politik-Profi natürlich längst eine Agenda erstellt, nachdem er vor Weihnachten ein erstes Gespräch mit dem bestehenden Vorstandsteam geführt und sich über den Jahreswechsel einen Überblick über alle wesentlichen DOSB-Felder verschafft hatte. Auch wenn er keine 15-Stunden-Tage, die in der Politik Usus waren, mehr anstrebt, ist ihm bewusst, dass die kommenden sechs Monate intensive Arbeit versprechen. „Arbeit, die auch für mich noch einmal neue Herausforderungen bereithalten wird, aber auf die ich mich sehr freue“, sagt er. 

Seine aktive Sport-Karriere startete im Boxen

Schließlich ist Sport seit seinen Kindertagen steter Begleiter. Als Junge war Volker Bouffier zunächst im Boxverein aktiv, auf Wunsch der Eltern wechselte er vom Faustkampf zum Turnen, auf eigenen Wunsch dann in den Teamsport, „wo ich mich sofort am richtigen Platz fühlte“. Handball und Fußball probierte er aus, im Basketball fand er seine sportliche Heimat, brachte es im MTV Gießen, wo er unter Dirk-Nowitzki-Entdecker Holger Geschwindner trainierte, bis zum Jugend-Nationalspieler - ehe die aktive Karriere im Alter von 23 Jahren wegen eines schweren Autounfalls in Österreich ein jähes Ende fand. „Von da an habe ich mich mit Schwimmen und Beachvolleyball im Urlaub so gut wie eben möglich fit gehalten, aber nie die Verbindung zum Sport verloren“, sagt Bouffier, der seinen Coach Geschwindner, aber auch den ehemaligen Handball-Bundestrainer Heiner Brand und die Fußball-Weltstars Franz Beckenbauer und Rudi Völler zu seinen Sportidolen zählt. 

Warum ihm der Sport immer wichtig war? „Weil ich davon überzeugt bin, dass Sport die größte Ressource ist, die unsere Gesellschaft hat. Sport erreicht alle Schichten, er ist klassenlos, rassenlos und absolut konkurrenzlos, wenn es um das wichtige Thema Integration geht. Das ist bis heute meine Philosophie und der wichtigste Grund, warum ich mich nun auch im DOSB engagiere“, sagt Volker Bouffier, seit 2018 Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und 2023 für herausragende Verdienste um die Förderung und Entwicklung des Sports mit der Ehrenmedaille des DOSB ausgezeichnet. Er habe zwar noch nie Sportpolitik betrieben, „aber in all meinen Ämtern immer Politik für den Sport gemacht.“ Die tägliche Sportstunde zum Beispiel, die hat er schon vor 25 Jahren gefordert - und wurde dafür ausgelacht. 

  • Sport ist die größte Ressource, die unsere Gesellschaft hat. Sport erreicht alle Schichten, er ist klassenlos, rassenlos und absolut konkurrenzlos, wenn es um das wichtige Thema Integration geht. Das ist bis heute meine Philosophie und der wichtigste Grund, warum ich mich nun auch im DOSB engagiere.

    Volker Bouffier
    Vorstand mit besonderen Aufgaben
    DOSB

    Sein Politikstil: Kompromisse finden

    Was den Vater dreier Kinder neben seinen herausragenden rhetorischen Fähigkeiten für das neue Amt prädestiniert, ist sein Talent im Zusammenführen von Menschen und Organisationen. Bouffier gilt als Mensch, der den Kompromiss nicht nur schätzt, sondern der auch in der Lage ist, zwischen verschiedenen Polen zu vermitteln. Als erster Regierungschef eines Flächenlandes führte er 2013 die CDU in eine Koalition mit den Grünen, obwohl er von diesen wegen seiner Positionen zur inneren Sicherheit jahrelang als „schwarzer Sheriff“ betitelt worden war. 

    „Der Kompromiss als Stilmittel wird zwar jeden Tag schlechtgeredet, ist aber unerlässlich, wenn wir dem weltweiten Vormarsch autoritärer Regime trotzen und unser freiheitlich-demokratisches System erhalten wollen. Deshalb gehe ich in jede Diskussion mit der Bereitschaft anzuerkennen, dass die Gesprächspartner auch recht haben könnten“, sagt er. Trotz seiner Parteizugehörigkeit ist es für Volker Bouffier auch vor dem Hintergrund der parteipolitischen Neutralität des DOSB selbstverständlich, vor und nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar mit Vertreter*innen aller demokratischer Parteien inhaltlich zusammenzuarbeiten. 

    Genau darauf wird es in den kommenden Monaten ankommen. Die Zehn-Punkte-Forderung an die Politik, die die DOSB-Mitgliederversammlung am 7. Dezember in Saarbrücken verabschiedet hatte, hat sich Volker Bouffier sehr genau angeschaut. Ein klares Bekenntnis zum Sport in seiner gesamten Breite hält er für eine gesellschaftliche Kernaufgabe, ebenso Planbarkeit und Verlässlichkeit bei dessen Finanzierung. Die Förderung des Leistungs- und Spitzensports, die durch das bereits ausgearbeitete Sportfördergesetz auf ein neues Niveau gehoben werden soll, möchte er thematisch ebenso vorantreiben wie einen Investitionsplan für die Sportinfrastruktur, der, sozusagen als Bonbon, letztlich in die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele in Deutschland münden soll. 

    Seine Botschaft: Sport tut den Menschen gut

    „All das sind Dinge, die in die Wahlprogramme der Parteien und vor allem in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden sollten. Dafür werde ich auf alle maßgeblichen Menschen zugehen und meine Kontakte und meine Erfahrungen nutzen, um sie im Sinne des DOSB voranzutreiben“, sagt Volker Bouffier; das Wissen vorausgesetzt, dass die Politik einen Strauß drängenderer Probleme abzupflücken haben wird. „Aber wir können die Botschaft senden, dass wir etwas Positives für unser Land bieten können, weil wir mit dem Sport etwas haben, was den Menschen guttut und was wir nicht erst erfinden müssen. Diese Botschaft sendet der organisierte Sport noch nicht hinreichend, aber sie ist das, womit wir uns abheben können von vielen anderen Politikfeldern, und das wird meine Hauptaufgabe sein.“ 

    Wie er die neue Aufgabe mit Leben erfüllt, wird sich zeigen. Auch wenn Volker Bouffier gelernt hat, in der Politik ebenso wie im sonstigen Leben niemals ein Amt ausschließen zu können, sieht sein Plan vor, nicht länger als die avisierten sechs Monate für den DOSB tätig zu sein. „In dieser Zeit soll die Nachfolge auf der Position des Vorstandsvorsitzes geregelt werden, und das halte ich für das richtige Vorgehen“, sagt er. Bis dahin aber möchte er, geprägt von Werten wie Leistungsbereitschaft, Disziplin, Fairplay und Zusammenhalt, die ihn seine eigene sportliche Sozialisation gelehrt hat, mit vollem Einsatz vorangehen. Langeweile, so viel ist klar, wird auch weiterhin nicht aufkommen im Leben des Volker Bouffier. 

    Die Zehn-Punkte-Forderung an die Politik: „Mehr Sport – Mehr Gemeinschaft – Mehr Zukunft“ 

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