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Heftige Kritik am bayerischen Gesetzesantrag zur Doping-Bekämpfung

Auf zum Teil heftige Kritik ist der Gesetzentwurf des Landes Bayern zur Bekämpfung von Doping im Sport gestoßen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

20.09.2006

Das bayerische Kabinett hatte am 13. September das erste Rechtswerk dieser Art in Form einer Bundesgesetzgebungsinitiative beschlossen.Es soll noch im September in den Bundesrat und die Beratungen der Großen Koalition eingebracht werden, hieß es. Bayerns Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber zeigte sich zuversichtlich, dass es für den Gesetzentwurf einen breiten politischen Konsens in Bundestag und Bundesrat geben werde. Stoiber: „Die immer neuen Dopingskandale haben die Sportnation Deutschland massiv erschüttert. Ich bin sehr optimistisch, dass wir gemeinsam in der großen Koalition jetzt rasch die notwendigen Konsequenzen ziehen.“ Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages führt derweil zu diesem Thema am 27. September eine Anhörung mit vielen nationalen und internationalen Rechtsexperten durch. 

 

Strafbarkeit für Besitz und Besitzverschaffung

Kernpunkt des Entwurfs des Anti-Doping-Gesetzes ist die Strafbarkeit für den Besitz und die „Besitzverschaffung“ von Dopingmitteln. § 4 erweitert dabei die strafbewehrten Verbote gegenüber dem geltenden Recht erheblich. So soll auch der Besitz mit Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. In den Erläuterungen heißt es dazu: „Der Entwurf hält es in Übereinstimmung mit zahlreichen Stimmen aus dem Sport nicht länger für vertretbar, den Nachfrager nach Dopingmitteln und damit eine Zentralgestalt des gesamten Geschehens strafrechtlich nicht spezifisch in die Pflicht zu nehmen.“  

§ 5 des Gesetzentwurfs regelt den Sportbetrug: „Wer seines Vermögensvorteils wegen an einem sportlichen Wettkampf teilnimmt und dabei Dopingmittel im Körper hat, wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.“ Das Gleiche soll gelten für Blutdopingmethoden. Bis zu zehn Jahren Haft drohen, wenn „sich die Tat auf einen Vermögensvorteil großen Ausmaßes bezieht“. Wie es in der Gesetzesbegründung heißt, sollten hiermit die durch den Doper geschädigten Mitkonkurrenten und die Zuschauer, die im Vertrauen auf einen sauberen Wettkampf Eintritt gezahlt haben, geschützt werden.

<link de aktuell details news dosb_prueft_gesetzentwurf_der_bayerischen_staatsregierung external-link-new-window einen externen link in einem neuen>Öffnet einen externen Link in einem neuen Fenster*****Lesen Sie dazu auch: DOSB prüft Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung*****

Christa Thiel: Entwurf stigmatisiert 27 Millionen Vereinsmitglieder

Die Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Spitzenverbände im DOSB und Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes, Dr. Christa Thiel, äußerte erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken: „Der Gesetzentwurf enthält Regelungen, die verfassungsrechtlich bedenklich sind. Außerdem berücksichtigt er nicht die Auswirkungen auf das Sportrecht - weder national noch international.“ Die Sportfunktionärin und Juristin verwahrt sich gegen die Formulierung in der Gesetzesbegründung, Kernregelungen zur Bekämpfung des Dopingmissbrauchs in einem eigenen Gesetz zu treffen, schafften eine „erhöhte Signalwirkung“. „Die Sonder-Regelung sorgt hingegen für eine Stigmatisierungs-Wirkung bei 27 Millionen Mitgliedern im organisierten Sport und derer, die als Nichtorganisierte Sport treiben. Ein eigenes Gesetz nur für den Sport lässt den Schluss zu, dass alle Sporttreibenden unter Generalverdacht stehen. Das ist nicht hinzunehmen.“

Der Tatbestand Besitzstrafbarkeit geht nach Frau Thiels Worten von falschen Annahmen aus. In den allermeisten Fällen hätten die Dopingsünder unter den Athleten keinen Besitz von verbotenen Mitteln. Da sie exakt dosiert und mit anderen Präparaten abgestimmt werden müssten, seien die Mittel bei Ärzten, biochemischen Experten oder anderswo vorrätig, nicht jedoch beim Sportler. Außerdem bleibe im Gesetzentwurf unklar, wie die vorgeschlagene Regelung mit der „strict liability“-Regelung (Beweislastumkehr) im Sportdisziplinarverfahren vereinbart werden kann. Die Besitzstrafbarkeit des Athleten sei damit nicht auf die Vereinbarkeit mit der Sportgerichtsbarkeit und deren Sanktionen überprüft.

„Die Regelungen über Sportbetrug sind als Tatbestand nach dem Gesetzentwurf nur für den sehr kleinen Kreis der Berufssportler verfasst“, erklärte Christa Thiel. „Damit wird eine marginale Gruppe der sporttreibenden Bevölkerung selektiert und ein Spezialgesetz auf den Weg gebracht.“ Geradezu dieser gesetzlichen Regelung bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass die Vorschläge und Ergebnisse der RESPODO umzusetzen sind.

Öffnet einen internen Link im aktuellen Fenster*****Lesen Sie auch: Verfassungsgerichts-Präsident: Doping-Probleme nicht mit neuen Gesetzen lösen*****

Sportpolitischer Sprecher der FDP Detlef Parr: Mehr Staat, aber nicht mehr Erfolg

„Der Gesetzentwurf aus Bayern wurde ohne Absprache mit dem autonomen Sport aufgestellt und beschlossen“, kritisierte der sportpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Detlef Parr. „Es ist ein Schnellschuss, der im Grunde genommen lediglich populistische Wirkung entfaltet.“ Der Abgeordnete aus Ratingen wies darauf hin, schon heute seien staatliche Organe im Kampf gegen Doping „nicht zahnlos“. Im Gegenteil: Sie könnten sehr wohl tatkräftig handeln, wie das die Hausdurchsuchungen und Razzien im Fall Jan Ullrich unter Beweis gestellt hätten. Nach der Strafanzeige der Bielefelder Kriminologin Prof. Britta Bannenberg hätten Staatsanwaltschaft und Polizei optimal reagiert und effektiv gehandelt. Das beweise, dass nach der geltenden Rechtslage das staatliche Schwert nicht stumpf sei.

Parr plädierte erneut dafür, kein Anti-Doping-Gesetz dieser oder anderer Art zu beschließen: „Wir brauchen eine Verschärfung und Präzisierung bei den bestehenden Gesetzen und einen konsequenten Vollzug. Hier könnte Bayern gerne vorangehen: mit der Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping, angedockt an bereits bestehende Schwerpunktstaatsanwaltschaften, wie etwa gegen Wirtschaftskriminalität.“ Parr meinte, auch von den Sportverbänden könnten neue durchgreifende Hebel angesetzt werden: So sollte geprüft werden, ob gegen Dopingsünder mit Disziplinarstrafen Sperren von drei oder vier Jahren ausgesprochen werden sollten statt der bisherigen Regelstrafe von zwei Jahren. Detlef Parr: „Dieses Maßnahmenpaket wäre viel wirkungsmächtiger als ein Anti-Doping-Gesetz, das mehr Staat, aber nicht mehr Erfolg bringt.“

Sportrechtsexperte Richard B. Eimer: Verschärfung des Arzneimittelgesetzes sinnvoller

„Der Gesetzentwurf ist überflüssig und störend“, erklärte der Sportrechtsexperte Richard B. Eimer. „Wir haben heute schon anwendbare Straftatbestände für Betrug, Nötigung und Untreue, die völlig ausreichend sind. Ich befürchte, dass mit einem derartigen Gesetz die Initiativen des Sports in der Dopingbekämpfung gelähmt werden. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen sind insgesamt nicht praktikabel.

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Es ist für den Staat und für das Gemeinwesen von relativ untergeordneter Bedeutung, wenn sich jemand selbst schädigt. Sollten derartige Strafbestimmungen jedoch in Kraft treten, dann wären das klassische Fälle, bei denen eine Einstellung wegen Geringfügigkeit oder wegen geringer Schuld in Frage kommt.“ Überdies müsste das Gericht dem dopenden Sportler Vorsatz nachweisen, was bei Staatsanwaltschaft und Polizei einen hohen Ermittlungsaufwand bedeute und überdies im Prinzip nicht aufklärbar zu sein scheine.

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Problematisch ist nach Eimers Worten die Einführung eines so genannten Besitz-Straftatbestandes. Hierbei handele es sich mit Blick auf das Betäubungsmittelgesetz um einen „Vorgang tatähnlicher Art“. Danach ist der Besitz von Drogen zwar strafbewehrt, allerdings können Gericht und Staatsanwaltschaft von einer Bestrafung absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel „lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge“ besitzt. Es wäre eine Verletzung des Gleichheitsprinzips, so Eimer, wenn in einem Anti-Doping-Gesetz die Bestimmungen viel schärfer wären.

Auch die vom Freistaat Bayern vorgeschlagene Sportbetrugs-Regelung wäre rechtspragmatisch sehr schwer zu handhaben: „Es wäre die Kausalität, dass das Mittel tatsächlich gewirkt hat, erforderlich. In der Praxis ist es jedoch nicht nachweisbar, dass der Athlet nur deshalb, weil er gedopt hat, Sieger wurde. Hier wäre immer die Einrede denkbar: Womöglich hätte er auch ohne Doping gewonnen.“

Richard B. Eimers Fazit: „Sinnvoller als Rechtsnormen dieser Art wäre eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes, um die organisierte Kriminalität zu zerschlagen. Der Fokus sollte aber auch darauf gerichtet werden, dass beim Dopen im organisierten Sport grundsätzlich Ärzte beteiligt sind. Kaum ein Athlet ist heute in der Lage, versiert bis zur Nachweisgrenze zu dopen. Wichtig ist mir auch, dass der Sport selbst weitere geeignete Hebel im Anti-Doping-Kampf ansetzt.“

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