Gelebte Teilhabe: Das Projekt „Special Kids auf Schwimmkurs“
Das von Franziska van Almsick initiierten Programm „Kids auf Schwimmkurs“ bezieht nun auch Förderschulen für geistig behinderte Kinder und Jugendliche ein.

22.10.2014

Schon 2008, vier Jahre nach ihrem sportlichen Abschied, hat Franziska van Almsick, deutscher Schwimmstar der 90-er Jahre mit WM-Siegen, Weltrekorden, EM-Titeln und Olympiamedaillen im halben Dutzend, mit dem von ihr initiierten Programm „Kids auf Schwimmkurs“ auf ein vorhandenes Problem in der Bewegungskultur von Kindern und Jugendlichen reagiert. Ausgehend von der Bestandsaufnahme: Immer mehr Grundschüler und Teens lernen nie schwimmen, können es entweder gar nicht mehr oder nur sehr schlecht. Von rund 400 Toten durch Ertrinken pro Jahr in Deutschland sind 200 Kinder.
„Mich erschrecken die Zahlen tödlich verunglückter Kinder, die ihr Leben lassen mussten, weil sie nicht schwimmen konnten“, sagt die 36-jährige, inzwischen selbst zweifache Mutter. „Das macht mich fassungslos und deshalb versuche ich, mit meinem Verein genau da anzupacken.“ Der heißt „...für Kinder e.V.“, wobei die drei Punkte für „Franzi“ stehen. Angefangen hat das Projekt in Heidelberg, inzwischen ist es so beliebt und in weiteren fünf Städten drumrum etabliert, dass schon 4.000 Kinder an 50 Schulen von der Schwimmausbildung profitiert haben.
Einbeziehung von Förderschulen
Im September hat das Ganze nun eine neue Dimension mit der Einbeziehung von Förderschulen für geistig behinderte Kinder und Jugendliche gefunden. Das Projekt in Kooperation mit Special Olympics Deutschland (SOD) und der seit sechs Jahren dem Thema Sport und Bewegung für Kinder mit Handicap verpflichteten Sky-Stiftung wurde inklusiv erweitert: „Special Kids auf Schwimmkurs“. Wobei „Special“ genau jene Zielgruppe benennt, die auch bei Special Olympics die Klientel ist – Menschen mit geistiger Behinderung.
An der St.-Nikolaus-Schule in Kall in Nordrhein-Westfalen begleitet Sabine Jördens von der Arbeitsgruppe Schwimmen bei Special Olympics seit September den Schwimm-Unterricht an der Förderschule. Am 14. Oktober stellten die drei Partner in Berlin unter dem langen, inhaltsschweren Titel „Bewegung trotz Behinderung – Herausforderungen und Chancen bei der Entwicklung von Sportangeboten für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung“ das erst einmal bis Ende des Jahres angesetzte Pilotprojekt vor, dessen Ausweitung auf weitere Schulen über den Zeitraum hinaus geplant ist.
Inhalt der in Deutschland einzigartigen Initiative ist in Kurzbeschreibung, dass Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung „in einem speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Schulschwimmunterricht spielerisch die nötige Sicherheit im Umgang mit dem Element Wasser erlernen“. Beispielhaft soll damit verdeutlicht werden, dass es bei entsprechender Unterstützung auch für sie möglich ist, ein sportlich aktives Leben zu führen. Nach Franziska van Almsicks Worten besteht für entsprechende Projekte – egal ob nichtbehinderten oder behinderten Kids gewidmet - dringender Bedarf. Denn seit Jahren lernen immer mehr von ihnen gar nicht oder nur unzureichend schwimmen. Besonders bei geistig Behinderten dieser Altersgruppe, so ergänzte Sabine Jördens, fehle es an Angeboten, die dem entgegenwirkten.
Dringender Bedarf an Schwimmkursen
„Alle Schulkinder in Deutschland – unabhängig von sozialem Hintergrund oder Handicap – müssen Schwimmunterricht erhalten, damit die unnötig hohe Zahl der Todesfälle auf ein Minimum reduziert werden kann“, schlussfolgerte Franziska van Almsick: „Man muss es nicht dramatisieren, aber es geht um Leben und Tod.“ Deshalb sei die Initiative so wichtig. Schwimmen sei „Teilhabe am Leben“. Voraussetzung für eine echte Inklusion sei aber auch eine höhere personelle und finanzielle Ausstattung, für die die Politik einen größeren Beitrag als bisher leisten müsse. In gleichem Maße, so Bilanz der Pressefrühstücks-Teilnehmer, gelte dies auch dafür, dass ausreichend Schwimmstätten vorhanden sein müssen.
Ein anderer Schwerpunkt bei „Special Kids auf Schwimmkurs“ liegt auch in der Fortbildung von Lehrern und pädagogischen Fachkräften zu Experten im Schwimm-Unterricht für Kinder mit geistiger Behinderung. Sven Albrecht, Geschäftsführer von Special Olympics Deutschland: „Das Projekt passt zu unserem strategischen Ziel, Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung frühzeitig an ein regelmäßiges Sporttreiben heranzuführen und ihnen damit auch den Weg zu inklusiven Sportangeboten oder in die Sportvereine zu ebnen.“ Das sei bisher noch keine Selbstverständlichkeit und die Bewegungserziehung an den Förderschulen keineswegs zufriedenstellend. Das Bundesteilhabegesetz, dessen Verabschiedung in der laufenden Legislaturperiode 2015 geplant ist und das aktuell nur die Bereiche Arbeit und Wohnen abdeckt, soll – so war sich die Gesprächsrunde einig – auf den Bereich Freizeit und damit den Sport ausgeweitet werden.
(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 43)