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Ganz schön stark

Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften waren und sind auch erfolgreiche Sportler mit Migrationshintergrund für Deutschland am Start. In einer dreiteiligen Serie stellen wir einige von Ihnen vor. (Teil 1)

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

07.04.2016

    Im ersten Teil unserer Serie aus der Sonderausgabe "Integration durch Sport" von Sportdeutschland - Das Magazin porträtieren Frank Heike und Roland Karle den Turner Marcel Nguyen (28) und die Stabhochspringerin Lisa Ryzih (27):

    Lisa Ryzih

    Jede Familiengeschichte hat ihr Besonderes. Das Besondere bei den Ryzihs ist sehr lang, besteht aus Glasfiber sowie Carbon und trug die Töchter nach oben, weit oben. „Wir sind eine richtige Stabhochsprung-Familie“, sagt Lisa, die Jüngere. Sie war drei, als die Ihren 1991 nach Zweibrücken kamen, aus Omsk in Sibirien. Der Vater hatte seinen Sport im Schlepptau, er war dort Trainer und blieb es hier. Gründete ein Leistungszentrum für Stabhochspringerinnen, machte aus Nastja, der Älteren, die Hallen-Weltmeisterin 1999 und führte Lisa zu Siegen bei der U-18- und der U-20-WM. Er coacht sie bis heute, da die 27-jährige EM-Dritte von 2010 auf das große Ding hinarbeitet: eine Medaille bei
    den Spielen in Rio. Es wäre die Krönung, nicht nur dieses Jahres, in dem sie auch den Abschluss des Psychologiestudiums geschafft hat, wenige Monate vor Rio. Sie wuchs zweisprachig auf, ihr Leben ist deutsch – bis auf den Sport, der sei „russisch“, sagt sie. Es liegt am Vater. Sie hat mal von einem Besuch des Bundestrainers erzählt, da sprach er, Papa, plötzlich Deutsch mit ihr. „Seine Erklärungen drangen nicht durch. Ich habe sie verstanden, aber sie wirkten ganz anders auf mich. Abspringen ist  eben nicht gleich abspringen.“ Das Besondere, es ist auch ein kulturelles Erbe.

    Marcel Nguyen

    „Lasst das ‚g‘ bei der Aussprache weg, dann passt es“, sagt Marcel Nguyen rätselnden Journalisten. Das vereinfacht, was ganz ausgeschrieben noch schwieriger wäre: Marcel Van Minh Phuc Long Nguyen heißt der beste deutsche Turner mit vollem Namen. Vater Vietnamese, Mutter Deutsche, geboren 1988 in München. Die Herkunft? Deutsch, was sonst? Aber gut gemischt. Vor allem für einen Turner. „Ich bin sehr schnellkräftig, wie die Asiaten. Bekanntlich kommen ja die besten Turner aus Asien“, sagt der Mehrkampf-Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von London 2012 gern. Er pocht nicht allzu sehr auf „Political Correctness“ – selbst sein Trainer Andreas Hirsch nennt Marcel Nguyen „meinen Turner in asiatischer Leichtbauweise“. Denn die Schnellkraft muss nur 55 Kilogramm durch die Gegend wirbeln. Trotzdem ist der Brustmuskel breit genug, dass sein Wahlspruch „Pain ist temporary, pride is forever“ draufpasst. Die Offiziellen des ehrwürdigen Weltturnverbandes FIG schätzen das überm Turnhemd sichtbare Tattoo gar nicht. Ist ihm schnurz – auf Nguyens Website sind T-Shirts mit der Schmerz-Weisheit erhältlich.

    (Quelle: Sportdeutschland - Das Magazin 1/2016)

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