Zum Inhalt springen

„Duale Karriere“ und Bundeswehrsportförderung

„Wir machen alles mit, solange das Ziel, Medaillen für Deutschland zu gewinnen, nicht aus den Augen verloren wird“, so skizziert Andreas Hahn den grundsätzlichen Rahmen für „Duale Karriere“ für Leistungssportler unter dem Dach der Bundeswehr.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

16.12.2009

Dabei macht der Dezernent für Spitzensport im Streitkräfteamt und Diplomsportlehrer kein Hehl daraus, welche der beiden Komponenten für sein Ministerium, das, oberste Priorität genießt: die Sportarten und Disziplinen, der Sport und das Training.

Für aktive Leistungssportler stellt das Bundesverteidigungsministerium derzeit in 15 Sportfördergruppen 824 Vollzeitstellen zur Verfügung. „Wir denken in Olympiazyklen, obwohl die Verträge mit den Athleten nur jahresweise verlängert werden“, so lautet die bewährte Praxis in der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Ausnahme: Ein Athlet wird ins Top-Team für die nächsten Olympischen Spiele berufen. Dann gibt es einen Zweijahresvertrag, um mit Planungssicherheit auf den nächsten sportlichen Höhepunkt hinarbeiten zu können. Für einen Elitesportler kommt also in der Regel eines olympischen Zyklus unter dem Dach der Bundeswehr das „Modell 1+1+2“ in Frage. Diese Formel wurde 2000, zwei Jahre vor den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City, erstmals in die Praxis umgesetzt wurde. Sie hat sich bewährt, auch in der Kooperation zwischen Bundeswehr und DOSB, darüber sind sich Andreas Hahn und Wolfgang Kindinger aus dem Ressort Leistungssport des Dachverbandes einig.

Hinter 1+1+2 verberge sich allerdings keine sture Mathematik. Wenn einmal ein Jahr für einen Bundeswehrsportler nicht so läuft wie erhofft, dann muss dies nicht die sofortige Ausgliederung aus der Spitzensportförderung der Bundeswehr bedeuten. „Wichtig ist, wie sich der Spitzenverband im Hinblick der gesetzte Ziele positioniert. Wir machen unsere Entscheidung nicht von einzelnen Wettkampfergebnissen abhängig“, erklärt Hahn und erinnert in diesem Zusammenhang an die Laufbahn von Skispringer Sven Hannawald. Man habe auch in sportlich eher durchwachsenen Zeiten zum Team-Olympiasieger und zweimaligen Weltmeister gehalten, weil sein Bundestrainer Reinhard Heß vom Potential seines Schützlings überzeugt war. Mit herausragenden sportlichen Leistungen zahlte Hannawald schließlich das Vertrauen zurück.

Die Spitzensportförderer des Streitkräfteamtes stehen im ständigen Kontakt mit Kindinger und den Leistungssport-Experten aus den Fachverbänden. Ein halbes Dutzend Mal pro Jahr gibt es Personalplanungsgespräche, bei denen auch gezielt über einzelne Athleten und deren sportliche wie berufliche Perspektiven gesprochen wird. Nach Olympischen Spielen ist es Bundeswehr-Athleten auch möglich, für maximal zwei Jahre die Uniform auszuziehen, vielleicht um im Zivilleben Praktika zu absolvieren oder sich anderweitig zu orientieren. Anschließend - bei Berufung ins Top Team für die nächsten Spiele – ist die Wiedereinstellung bei der Bundeswehr möglich. Doch je länger ein Spitzensportler als Bundeswehrangehöriger trainiert und bei Wettkämpfen startet, desto günstiger gestalten sich für ihn die Rahmenbedingungen in Sachen „Duale Kariere“. Im optimalen Fall hält ihm der Dienstherr nach der Karriere bis zu fünf Jahre finanziell den Rücken frei, um einen Weg ins „zweite Leben“ zu beschreiten.

So kommt es, dass viele Bundeswehr-Athleten zwei, drei oder sogar vier Olympia-Zyklen durchlaufen: beispielsweise Hauptfeldwebel Imke Duplitzer (Fechten), Hauptfeldwebel Ricco Groß (Biathlon), Hauptfeldwebel Sylke Otto (Rennrodeln) oder Hauptfeldwebel Ronny Weller (Gewichtheben). Pro Jahr gibt es eine Fluktuationsrate von rund 30 Prozent. Das heißt, rund 250 Sportler scheiden aus und neue rücken nach.

Mit der Feldwebelausbildung zur Trainerakademie und zum Sportfachwirt

Die Skala der beruflichen Qualifikation sei „nach oben offen“, unterstreicht Andreas Hahn. Wie die Freiräume genutzt würden, hänge weitestgehend von der Eigeninitiative der einzelnen Sportler ab. Hier stehen in erster Linie die Leiter der Sportfördergruppen – im engen Schulter-schluss mit den Laufbahnberatern an den Olympiastützpunkten und den Mitarbeitern des Berufsförderungsdienstes (BFD) bei der Bundeswehr - als Ansprechpartner zur Verfügung. Schon vor ihrer Bundeswehrzeit können sich angehende Spitzensportler durch BFD-Berater bei allen Kreiswehrersatzämter im gesamten Bundesgebiet beraten lassen. „Mitunter ist gerade bei jungen Sportlern, die sich zum Beispiel auf den Eliteschulen des Sports Gedanken über ihre Zukunft machen, über die Möglichkeiten der beruflichen Aus- und Fortbildung bei der Bundes-wehr noch zu wenig bekannt“, sagt Wolfgang Kindinger. Ein bisschen sei dies auch „der Bescheidenheit unseres wichtigen Förderers“ geschuldet, der für seine Möglichkeiten in Sachen „Duale Karriere“ öffentlich kaum die Trommel rührt.

Zwei Grundsätze sind zu beachten. Erstens ist kein Direktstudium mit Präsenzpflicht an einer Universität erlaubt. Dies sei Hahn zufolge ausgeschlossen, weil es unmöglich in Einklang zu bringen sei mit dem ungestörten Training nach Vorgabe der Spitzenverbände. Zweitens schreibt der Dienstherr in den ersten acht Dienstjahren ein Pflichtprogramm vor – die Ausbildung zum Feldwebel. Dazu gehört die militärische Grundausbildung, die für Leistungssportler auf acht Wochen angelegt ist. Es folgen die Lehrgänge für den Feldwebelanwärter und zum Feldwebel.

In speziellen Modulen können sich die Athleten dabei als fachliche Qualifizierung eine Trainer-Lizenz erwerben und damit das theoretische Rüstzeug für ein späteres Studium an der Trainerakademie in Köln. Zugleich werden von den Industrie- und Handelskammern Teile des erworbenen Abschlusses als „Trainer Bundeswehr“ in sportbezogenen Ausbildungsberufen anerkannt, z.B. „Sportfachwirt/Sportfachmann“.

Mehr als 700 Athleten profitieren vom Berufsförderungsdienst

Die Ansprüche der Spitzensportler auf finanzielle und zeitliche Unterstützung im Rahmen des so genannten Berufsförderungsdienstes wachsen mit fortschreitender Dienstdauer. Schon nach einem olympischen Zyklus stehen den Athleten für die Dauer von sieben Monaten Leistungen des Berufsförderungsdienstes zu. Offeriert werden für diese Phase etwa Grund- und Aufbaukurse in Englisch, Computer-Kurse oder Fortbildungen im Fach Kaufmännisches Grundwissen, Rhetorik und Informatik. Auch können Schulabschlüsse nachgeholt werden.

Vom achten Dienstjahr an werden diese Spielräume noch einmal erweitert. Dann haben Spitzen-sportler für berufliche Orientierung und Qualifikation Anspruch auf 15 Monate noch während ihrer aktiven Dienstzeit und weitere zwei Jahre nach ihrem Ausscheiden. Wird die leistungssportlichen Karriere fortgesetzt, verfallen diese Ansprüche nicht. Sie werden bei Dienstzeitverlängerungen berücksichtigt und können nach dem Ende der Laufbahn eingelöst werden.

Dasselbe gilt für jene erstklassigen Bedingungen, die nach dem zwölften Dienstjahr eingeräumt werden– zwei Jahre vor Ende und drei danach finanzielle Unterstützung für die ganz persönliche Aus- und Weiterbildung. „Das sind zusammen fünf Jahre bezahlte Zeit für Ausbildung“, sagt Andreas Hahn. Die Optionen, die es im Rahmen des BFD gibt, hätten schon „Tausende Athleten“ für sich wahr genommen. Aktuell können mehr als 700 Sportlerinnen und Sportler von diesen Angeboten profitieren. Hinzu kommt nach Karriere-Ende und erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung die Wahl: berufliche Wiedereingliederung bei der Bundeswehr oder Abfindungszahlung als finanzielle Basis für den weiteren zivilen Lebensweg.

Studium parallel zum Sport mit Genehmigung möglich

Das Spektrum der Möglichkeiten im Rahmen des BFD sei breit gefächert. Für Ausbildung und berufliche Qualifikation stehen bei uns alle Türen offen“, sagt Hahn. Als eines der Vorzeige-beispiele gilt der frühere Biathlet Jan Wüstenfeld. Der einstige Europameister war viele Jahre Sportsoldat, studierte Medizin und gehört seit dem 1. Oktober zum Team der Sportmedizin am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig.

Falls sich Bundeswehrsportler früh mit dem Gedanken tragen, parallel zu ihrer sportlichen Karriere ein Studium aufzunehmen, so sei das durchaus möglich, sagt Kindinger. Dann bedürfe es der Stellungnahme des jeweiligen Spitzenverbandes und der betreffenden Hochschule. „Es muss sich dabei um ein Leistungssport gemäßes Studium handeln“, sagt Andreas Hahn. „Nur dann sind wir im Boot“ Praktikabel ist ein Studium für Spitzensportler an jenen Hochschulen, die das Gütesiegel „kooperierende Hochschule des Sports“ tragen. Die Fachhochschule im mittel-fränkischen Ansbach zum Beispiel habe sich inzwischen als gute Adresse für einen solchen Weg erwiesen, sagt Hahn. Hier sei das „Leistungssport gerechte Studium mit individuell angepassten Präsenzpflichten“ für Bundeswehrsportler bereits gang und gäbe. Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm, die in Ansbach internationales Management studiert, ist prominentestes Beispiel. Von den insgesamt 824 geförderten Bundeswehrsportlern lernen aktuell rund 100 an einer Fern-Uni oder an einer Partner-Hochschule des Sports. „In Einzelfällen sind wir da auch sehr großzügig“, sagt Hahn. „Doch das Medaillen-Ziel darf dabei nicht aus den Augen verloren werden.“

Bei den vergangenen zehn Olympischen Spielen haben von der Bundeswehr geförderte Spitzensportler 188 Medaillen errungen, davon 67 Mal Gold, 56 Mal Silber und 65 Mal Bronze. Das entspricht rund 43 Prozent der olympischen Medaillen, die deutsche Athletinnen und Athleten von den Wintersielen1992 in Albertville bis zu den Sommerspielen 2008 in Peking gewonnen haben. Darüber hinaus wurden von den Sportsoldaten seit 1991 rund 500 Weltmeister-Titel und ebenso viele Europameisterschaften gewonnen.

Title

Title