Zum Inhalt springen

Dienstreise mit Lerneffekt: DLRG auf dem Weg zur nächsten Erfolgsgeschichte

An diesem Wochenende finden in Chengdu, Gastgeberstadt der World Games im August, die Testwettkämpfe „World Games Series” statt. Die DLRG, Medaillengarant der Spiele 2022, ist mit einer kleinen Delegation dabei, um sich auf die Begebenheiten vor Ort einzustellen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

25.03.2025

Rettungsschwimmer im Becken beim Freistilschwimmen
Rettungsschwimmer Felix Hofmann in Aktion.

Eine große Portion Ungewissheit war im Gepäck dabei, als Kai Schirmer und Felix Hofmann am Dienstagmittag in Frankfurt am Main den Air-China-Flug nach Chengdu antraten. In der 20-Millionen-Einwohner-Stadt in der südwestchinesischen Provinz Szechuan finden vom 7. bis 17. August die 12. World Games statt, die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten. Als Vorbereitung darauf treten an diesem Wochenende von Freitag bis Sonntag 128 Athlet*innen aus den Sportarten Pétanque, Underwater (mit den Disziplinen Flossenschwimmen und Freitauchen) und Rettungsschwimmen zu den World Games Series an; einem Testwettkampf, bei dem es in erster Linie darum geht, sich mit den Begebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Und weil China im Rettungsschwimmen ein weißer Fleck auf der Landkarte ist, soll der Sechs-Tages-Trip nach Fernost der kleinen Delegation der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) wichtige Erkenntnisse bringen.

„Wir hatten in China noch nie einen Wettkampf, ich kenne Chengdu deshalb bislang nur aus Erzählungen von Menschen, die dort 2023 zu den World University Games zu Gast waren“, sagt Kai Schirmer. Der 37-Jährige, der aus Bielefeld stammt und als Aktiver mehrfach Einzel-Gold bei Europameisterschaften gewann, ist Sportdirektor der Leistungssportsparte in der DLRG. Knapp 630.000 Mitglieder zählt die weltgrößte Wasserrettungsorganisation. Rund 60.000 davon betreiben Rettungsschwimmen als Sport, deren Speerspitze ist der Bundeskader, der aktuell 91 Sportler*innen umfasst. Einer davon ist Felix Hofmann. Der Sportsoldat aus Wiesbaden, der in der Woche nach dem Testevent 20 Jahre alt wird, hat in der Disziplin Super-Lifesaver die Qualifikation für die World Games bereits sicher und freut sich darauf, an diesem Wochenende auf dem Campus der Sancha-Lake-Sportuniversität die Wettkampfstätte kennenlernen zu können. „Das wird mit Sicherheit dabei helfen, mich noch professioneller auf den Höhepunkt der Saison vorzubereiten“, sagt er.

Rettungsschwimmen, im internationalen Jargon als Lifesaving bekannt, ist als Sportart zwar vielen Menschen geläufig, die zum Beispiel für ihre Ausbildung selbst ein entsprechendes Schwimmabzeichen erwerben mussten oder über ihren Schwimmverein damit in Berührung gekommen sind. „Aber das, was man für ein Abzeichen können muss, hat mit dem, was unsere Athletinnen und Athleten auf Hochleistungsniveau machen, nichts zu tun“, sagt Kai Schirmer. Rettungsschwimmen hat eine lange World-Games-Tradition. Seit der Premiere des Formats 1981 in Santa Clara (USA) zählt es zum Programm. Bis 2009 wurden Wettkämpfe sowohl im Becken als auch im Freiwasser ausgetragen. Seit 2013 beschränkt man sich, auch weil nur sehr wenige Orte auf der Welt über einen 50-Meter-Pool mit Platz für mehrere Hundert Aktive in Strandnähe verfügen, auf die Wettbewerbe im stehenden Gewässer, sprich: im Pool.

  • Portraifoto Kai Schirmer

    Der wichtigste Unterschied zum normalen Schwimmen ist, dass es bei uns deutlich technischer zugeht und dadurch sehr viel Abwechslung und Action geboten wird.

    Kai Schirmer
    Sportdirektor
    Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG)

    16 Medaillenentscheidungen gibt es im August; je fünf Einzelstrecken und je drei Staffeln für Frauen und Männer. „Der wichtigste Unterschied zum normalen Schwimmen ist, dass es bei uns deutlich technischer zugeht und dadurch sehr viel Abwechslung und Action geboten wird“, sagt Kai Schirmer. Im Mittelpunkt steht bei allen Disziplinen eine Kunststoffpuppe, die zumeist komplett mit Wasser befüllt auf dem Boden des zwei Meter tiefen Beckens liegt. Von dort müssen die Athlet*innen das Sportgerät per Tauchgang an die Oberfläche holen und dann über festgelegte Distanzen entweder mittels eines Gurtretters oder reiner Muskelkraft ins Ziel schleppen.

    Als Königsdisziplin gilt der Super-Lifesaver, für den sich Felix Hofmann qualifiziert hat. Darin vereinen sich über 200 Meter alle Techniken, die den Sport in seiner Gesamtheit ausmachen. Zunächst gilt es, über 75 Meter im Vollsprint anzuschwimmen, die Puppe heraufzuholen, diese 25 Meter zurückzuschleppen, dann den Gurtretter anzulegen und die Puppe damit weitere 50 Meter zu ziehen, um abschließend 50 Meter im Vollsprint ins Ziel zu kraulen. „Ich liebe die Vielseitigkeit meiner Disziplin“, sagt der Jurastudent, der für seine heimatliche DLRG-Ortsgruppe Kelkheim startet. Hofmann, der sich als Sportsoldat am Bundesleistungszentrum in Warendorf unter professionellen Bedingungen auf seinen Sport konzentrieren kann, ist einer von zwei der zwölf deutschen World-Games-Startenden, die lediglich auf einer Einzelstrecke unterwegs sind. Zehn Athlet*innen sind sowohl in der Staffel als auch im Einzel aktiv. „Felix ist einer der weltbesten Allrounder und darf sich deshalb durchaus Hoffnungen auf eine Medaille machen“, sagt Sportdirektor Schirmer.

    Wie viel Edelmetall die zwölf DLRG-Asse im August aus dem Pool in Chengdu fischen können, bleibt abzuwarten. Angesichts der Medaillenflut bei der 11. Ausgabe der World Games 2022 in Birmingham (USA), als die Sparte Rettungsschwimmen neunmal Gold und fünfmal Bronze zum Triumph des Team D in der Gesamtwertung (24 Gold/7 Silber/16 Bronze) beitrug, rechnet Kai Schirmer aber auch in diesem Jahr mit einem starken Ergebnis seines Teams. Immerhin zählen Topstars wie Danny Wieck (33) vom SC Wiesbaden/DLRG-Ortsgruppe Bad Wünnenberg, der der erfolgreichste Rettungsschwimmer in der World-Games-Historie ist, und Nina Holt (22) vom SC Magdeburg/DLRG-Ortsgruppe Harsewinkel, mit viermal Gold und einmal Bronze erfolgreichste Athletin der Birmingham-Spiele, zum Aufgebot.

    Als größte internationale Konkurrenz erwartet Kai Schirmer in Chengdu Italien sowie Neuseeland und Australien, wo das Rettungsschwimmen seinen Ursprung hat. „Dort hat fast jeder Verein einen eigenen, festangestellten Trainer. Von solchen Strukturen sind wir in Deutschland leider noch weit entfernt“, sagt er. Die Förderung hängt aktuell einzig am Abschneiden bei den World Games, weshalb diese auch gegenüber den im Zweijahresturnus stattfindenden Welt- und Europameisterschaften klar priorisiert sind. „Die Aufnahme in die Bundesförderung von 2026 an, die wir beantragt haben, ist essenziell für unsere Entwicklung. Aktuell finanziert die DLRG alle Maßnahmen aus eigener Tasche, und wenn man weiß, dass wir einen Großteil unserer Gelder aus Spenden akquirieren, wird deutlich, wie wichtig eine regelhafte Förderung durch das BMI für uns wäre“, sagt der Sportdirektor.

    • Portraitfoto Felix Hofmann

      Ich möchte natürlich neben der Möglichkeit, die Anlage kennen zu lernen, auch die Chance nutzen, mich mit einer guten Leistung zu zeigen.

      Felix Hofmann
      Rettungsschwimmer
      DLRG-Ortsgruppe Kelkheim

      Das ist im Hinblick auf zwei Highlights, die in den kommenden Jahren auf die deutschen Rettungsschwimmer*innen warten, besonders wichtig. Zum einen finden 2029 die 13. World Games in Karlsruhe statt - und damit zum ersten Mal in einer Stadt, die bereits Ausrichter war (1989). Außerdem wird Deutschland damit das erste Land sein, das zum dritten Mal Gastgeber der in der Öffentlichkeit meist kaum beachteten Weltspiele ist (2005 fanden die World Games in Duisburg statt). „Für uns sind die Heimspiele selbstverständlich etwas ganz Besonderes, dort wollen wir noch ein bisschen besser sein als sonst, denn das ist die große Chance, unseren Sport der breiten Masse der deutschen Sportfans näherzubringen“, sagt Kai Schirmer, der darauf hofft, auf dem Weg nach Karlsruhe noch ein weiteres internationales Großevent nach Deutschland holen zu können. 2008 war man letztmals Ausrichter einer WM, im vergangenen Jahr fand immerhin die Junioren-EM hierzulande statt.

      Zum anderen lockt 2032 die Aufnahme des Rettungsschwimmens ins Programm der Olympischen Spiele. Die australische Stadt Brisbane darf, wie für alle Olympiagastgeber üblich, zwei Sportarten mit Lokalkolorit in den Wettkampfplan eingliedern, und weil das Lifesaving „Down Under“ eine Art Volkssport ist, stehen die Chancen gut, dass einige Disziplinen Aufnahme in das größte Sportereignis der Welt finden. Allerdings nur im Freiwasser, das die deutschen Athlet*innen aktuell nur nebenher in ihr Trainingspensum einbeziehen. „Allein schon wegen der klimatischen Bedingungen ist es nicht möglich, das gesamte Jahr im Meer zu trainieren. Wenn wir olympisch werden, müssen wir dafür professionelle Strukturen aufbauen“, sagt Kai Schirmer, „aber natürlich wäre das ein riesengroßer Schritt für unseren Sport, den wir unbedingt mitgehen wollen.“

      Weil aber ein Schritt nach dem anderen gegangen werden sollte, liegt der Fokus von Felix Hofmann zunächst auf diesem Wochenende. „Wir haben nicht die Erwartung, dass ich um den Sieg mitschwimme, weil unsere Trainingsplanung darauf nicht abgestimmt ist. Aber ich möchte natürlich neben der Möglichkeit, die Anlage kennen zu lernen, auch die Chance nutzen, mich mit einer guten Leistung zu zeigen“, sagt der Allroundspezialist. Wer ihm dabei live zuschauen möchte, kann das auf der kostenlosen Streaming-Plattform live.theworldgames.org tun, die bei den World Games Series ihre Premiere feiert und während der Spiele mit bis zu 18 Feeds das komplette Programm abdecken soll.

      Wie auch immer es ausgeht am Wochenende: Die große Portion Ungewissheit wird auf dem Rückflug nicht mehr das Gepäck der deutschen DLRG-Delegation erschweren.

      Das sind die World Games

      Die World Games sind die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten. Sie finden seit 1981 alle vier Jahre statt. In diesem Jahr ist Chengdu (China) vom 7. bis 17. August Gastgeber der 12. Auflage. 2029 kehren die World Games nach Karlsruhe zurück, das 1989 bereits Ausrichterstadt war.

      Mehr erfahren

      Verwandte Artikel

      Title

      Title