Der deutsche Sport trauert um Hans Wilhelm Gäb
Der Multisportfunktionär verstarb im Alter von 89 Jahren. Wegbegleiter*innen erinnern sich an seinen unermüdlichen Einsatz für den Sport, seinen herausragenden Wertekompass und seinen Sinn für Humor.

22.04.2025

Bei aller Trauer, die die deutsche Sportfamilie über das Osterwochenende verband, versuchte Thomas Weikert auch das Tröstliche zu sehen. „Für mich war Hans, seit ich für den Deutschen Tischtennis-Bund tätig war, aber auch für die Zeit danach der Ratgeber schlechthin. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Mir bleiben viele Stunden mit ihm beim Tischtennis in aller Welt, aber auch bei unseren privaten Treffen abseits des Sports in guter Erinnerung“, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), nachdem er am Karfreitag die traurige Nachricht vom Tode Hans Wilhelm Gäbs erhalten hatte. Im Alter von 89 Jahren war der Multifunktionär am 13. April im Kreise seiner Familie in Frankfurt am Main verstorben.
Beruflich hatte sich der gebürtige Düsseldorfer in der Automobilwirtschaft verdient gemacht, er war zunächst Vorstandsmitglied der Ford AG in Köln, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Regierungskontakte, arbeitete anschließend in gleicher Funktion für Opel in Rüsselsheim und stieg letztlich zum Vizepräsidenten der General Motors Europe AG in Zürich auf. Sein Herz aber gehörte dem Sport, dem er sich nach der aktiven Tischtennis-Karriere, die er mit vier deutschen Meistertiteln in Doppel und Mixed sowie diversen Mannschaftsmeisterschaften mit Borussia Düsseldorf krönen konnte, in diversen Funktionen widmete. Von 1981 bis 1994 war er Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) und anschließend dessen Ehrenpräsident. Mehrmals amtierte er im Vorstand und im Aufsichtsrat der Stiftung Deutsche Sporthilfe und auch im Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), das 2006 mit dem Deutschen Sportbund zum DOSB verschmolzen wurde. 2009 erhielt er für seine Verdienste die Ehrennadel des DOSB.
Hans Wilhelm Gäb bestach neben seinem unermüdlichen Einsatz für den Sport vor allem mit seinem unerschütterlichen Wertesystem, für das Michael Ilgner, der von Gäb zum Vorstandsvorsitzenden der Sporthilfe gemacht worden war, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die eindrucksvollsten Worte fand: „Er hatte den stärksten inneren Kompass, den ich je in der Sportpolitik erlebt habe, gepaart mit einer besonderen analytischen, strategischen Kommunikationskompetenz. Er hatte die Übersicht und Kraft, sich mit diesem Kompass gerade in entscheidenden Situationen ein- und durchzusetzen, ohne dass er dafür laut werden musste, wohl weil er so scharf und klar wusste, was er wollte. Er dachte weit über den unmittelbar nächsten Schritt hinaus und öffnete Türen.“
Besonders in Erinnerung geblieben sind Weggefährt*innen zwei Vorgänge von politischer Sprengkraft. Ende 1998 trat Gäb aus Protest gegen den geschäftlichen Kurs des Mutterkonzerns GM von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Opel AG zurück. 2016 gab er den zehn Jahre zuvor vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erhaltenen Olympischen Orden zurück, weil er sich über die Zulassung russischer Athlet*innen zu den Sommerspielen in Rio de Janeiro trotz der Enthüllung des von staatlicher Seite angeordneten Massendopings zu sehr ärgerte. „Mir gefiel seine Art sehr. Er verwendete nicht die lauten Töne, zeigte aber eine klare Haltung und den unbedingten Willen, unseren geliebten Sport weiterzuentwickeln“, lobte der DTTB-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Dörner seinen Ehrenpräsidenten.
Ein schwerer gesundheitlicher Einschnitt, den er 1994 dank einer Lebertransplantation erfolgreich überwinden konnte, veranlasste den gelernten Journalisten, der vor seinem Wechsel in die Automobilindustrie Mitbegründer und Chefredakteur der „AutoZeitung“ war, zur Gründung des Vereins „Sportler für Organspende“. Später folgte noch der „Kinderhilfe Organtransplantation e.V.“. In beiden Institutionen wurde Gäb von namhaften deutschen Persönlichkeiten aus den Bereichen Medien und Sport unterstützt, wofür er sich stets extrem dankbar zeigte.
Für wie viele Menschen Hans Wilhelm Gäb als Ratgeber und Unterstützer diente, unterstreichen die diversen Beileidsbekundungen, die der DTTB auf seiner Homepage gesammelt hat. Viele Wegbegleiter*innen würdigten zudem Gäbs Fähigkeit, trotz der gebotenen Ernsthaftigkeit im Umgang mit seinen Aufgaben immer einen Sinn für Humor und die Gabe, über sich selbst lachen zu können, gehabt zu haben. „Neben den klaren Analysen und seinen zukunftsweisenden Ideen hatte er immer Zeit für Anekdoten, sein Witz war herausragend. Der Sport verliert einen großen Gestalter und Denker, ich persönlich verliere einen Freund“, sagte Thomas Weikert. Die Erinnerung an Hans Wilhelm Gäb, so viel scheint klar, wird noch viele Jahre überdauern.