Darmstadt-Dieburg organisiert in Grundschulen die vierte Sportstunde
Mit dem Projekt „Schule und Verein“ geht der Sportkreis Darmstadt-Dieburg mutige Wege. Zumindest Kindern in Grundschulen eröffnet er während des Unterrichts eine vierte Sportstunde.

09.09.2015

23 Übungsleiter aus Vereinen bieten die Bewegungsofferte seit dem Schuljahr 2014/2015 zunächst an 18 Grundschulen in 47 ersten Klassen an – ein Impuls hin zur täglichen Bewegungszeit.
Bis dahin ist es noch ein langer und mühsamer Weg. Aber einen ermutigenden Etappensieg kann die Sportkreis-Regie schon jetzt verbuchen. Mit dem Grundschul-Projekt ist der Steuerungsgruppe um Vorstandsmitglied Harry Distelmann (RW Darmstadt), Darmstadts Sportberater Ralf-Rainer Klatt, Thomas Schorr vom Staatlichen Schulamt und Schulsport-Koordinatorin Elke Arntz-Müller ein Achtungserfolg gelungen. Dieser soll im nächsten Schuljahr gefestigt werden.
Der Impuls „Schule und Verein“ zielt auf mehr Bewegung im Schul-Alltag. Dies hat die Verbesserung der Persönlichkeits-, Gesundheits- und Bildungsentwicklung für Kinder zur Folge. Die tägliche Stunde Sport – verbrieft im EU-Projekt „Healthy Children in Sound Communities“ – Gesunde Kinder in gesunden Städten – ist bis auf wenige Modelle dennoch Utopie.
Zunächst hat der Sportkreis in der Heinrich-Hoffmann-Schule in Darmstadt das Betreuungsmodell über vier Jahre erfolgreich entwickelt. Im zurückliegenden Schuljahr dann wurde es auf 18 Grundschulen in Darmstadt und im Landkreis Darmstadt Dieburg ausgedehnt. Im ersten Schritt wurden alle Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen abgefragt. Hier gelang keine vollständige Erfassung.
Parallel gibt es Zusammenspiele, die nicht öffentlich bekannt werden, aber geräuschlos klappen - dank Übungsleitern, Lehrern und Schulleiter. Elke Arntz-Müller: „Es gibt sicherlich Zusammenarbeit, die gut funktioniert. Vereine und Schulleiter auf Augenhöhe zusammenzubringen, dazu muss noch deutlich mehr passieren.“ Überall dort, wo Schulleiter und Schulprogramme Verständnis für Sport entwickeln, fällt das leichter.
Impuls und Bewusstseinstraining für mehr Bewegung
Um Schulverwaltung und Kultuspolitiker nicht aus der Verantwortung zu nehmen, richtet sich das Bewegungsprofil zunächst an Schulen, die verbindlich die dritte Sportstunde anbieten. Aus formalen Gründen fallen damit eine ganze Anzahl von Bildungsanstalten heraus. Der Sportkreis Darmstadt-Dieburg sieht die Bewegungsofferte nicht als erweitertes Angebot zur Ganztagsbetreuung der Schulkinder oder Ersatz für ausgefallene Sportstunden und fehlende Sportlehrer, sondern als Impuls und Bewusstseinstraining für mehr Bewegung.
Ein Problem im Grundschul-Alltag: Quantität und Qualität des Sportunterrichts (Qualifikation der Lehrkräfte) sind „sehr, sehr unterschiedlich“ (Thomas Schorr). Kritik an überwiegend fachfremden Lehrkräften, die – wenn überhaupt – Sportunterricht erteilen, und fehlenden Sportlehrern verbietet sich nach den praktischen Erfahrungen im Projekt. Fachliche Defizite werden von den Pädagogen oft mit großer Begeisterung, Kreativität und Lernbegier wettgemacht.
Für das Projekt „Schule und Verein“ wurde im Frühjahr 2014 ein Arbeitskreis eingerichtet. Vertreter des Sportkreises, der Sportkreisjugend, des Landessportbundes, des Staatlichen Schulamtes und der Stadt Darmstadt tragen ihn. Die Offerte beschränkt sich mangels Geld und Personal auf Grundschulen, in denen mit Hilfe von Vereinsübungsleitern die vierte Wochenstunde Sport ermöglicht wird. Im Rahmen des Stundenplans ist es kein freiwilliges Angebot am Nachmittag.
Die Stadt Darmstadt schießt seit 2013 jährlich 20 000 Euro für die Kooperationen zu. Zugesagt ist diese Summe auch 2015. Der Landkreis zahlte für das Schuljahr 2014/15 ebenfalls 20 000 Euro und stellt den Betrag auch für das Schuljahr 2015/16 in Aussicht.
Großteil der Schulen wünscht sich Ausweitung
Erfahrungsberichte der 23 eingesetzten Übungsleiter – manche betreuen bis zu vier Klassen – spiegeln ungewohnte Bedingungen und Herausforderungen wieder: Mehr Unruhe, geringere Motivation, körperliche Defizite bei den Sprösslingen. Hilfe beim Schuhebinden und Umziehen ist bisweilen erforderlich. Teilweise müssen mit den Kindern erst Fußwege zur Sportstätte zurückgelegt werden. Dieser Mehraufwand an Vorbereitung kostet Bewegungszeit. Zudem werden häufiger undisziplinierte Kinder angetroffen als im Vereinssport. Erfahrungen, die das Verständnis für die pädagogische Arbeit und Leistungen von Grundschullehrern geschärft haben.
Befragungen und Gespräche in beteiligten Schulen dokumentieren den Erfolg der Initiative. Bisher haben lediglich zwei der 18 Schulen erklärt, dass sie das Zusatzangebot nicht fortsetzen möchten. Eine mit der Begründung, dass sie im neuen Schuljahr am vom Kultusministerium landesweit ausgerufenen „Pakt für den Nachmittag“ teilnimmt – deshalb organisatorisch überlastet ist.
Harry Distelmann: „Ein Großteil der beteiligten Schulen wünscht sogar die Ausweitung des Projektes, also Beibehaltung in den bisher beteiligten Klassen und Aufnahme aller neuen ersten Klassen.“ Vier weitere möchten einsteigen. Dies wird wegen der begrenzten Finanzmittel und zusätzlichen Betreuer schwierig. Distelmann: „Wir brauchen dringend mehr Übungsleiter.“ Diese erhalten 18 Euro Vergütung pro Stunde.
Sport- und Arbeitskreis möchten auf jeden Fall im kommenden Schuljahr weiter machen. Ziel ist auch, in das Landesprojekt „Pakt für den Nachmittag“ eingebunden zu werden. Distelmann: „Wir müssen die inhaltlichen Ziele unseres Projektes – Verbesserung der Gesundheits- und Bildungsentwicklung für Kinder auf der Basis einer täglichen Stunde Sport – mehr in den Mittelpunkt stellen.“
(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 37/Hans-Peter Seubert)