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Besonderer Kämpfer auf und neben dem Feld

Der Jahrhunderthandballer Joachim Deckarm vollendet am 19. Januar das 70. Lebensjahr und freut sich auf Ständchen in Köln.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

16.01.2024

Joachim Deckarm im Rollstuhl beim Ball des Sports hält einen Handball. Foto: picture-alliance

Joachim („Jo“) Deckarm, Weltmeister 1978 im Team von Bundestrainer Vlado Stenzel (89), vollendet am Freitag, dem 19. Januar 2024, sein 70. Lebensjahr. Jo Deckarm bestritt insgesamt 104 Länderspiele in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) vorzugsweise auf der „Königsposition“ Rückraum-Links und erzielte dabei 381 Tore. Der gebürtige Saarländer, der stets mit der Rückennummer 11 auflief, galt Mitte der 1970er Jahre als der beste Handballer der Welt.

Joachim Deckarm trat mit sechs Jahren dem TV Malstatt (einem Stadtteil von Saarbrücken) bei und betrieb hier zunächst Turnen und Leichtathletik, bevor er für das Handballspiel zum 1. FC Saarbrücken wechselte. Schnell erweckte das große Talent aus dem Saarland Aufmerksamkeit bei den Handballvereinen in der nationalen Spitze. Als Joachim Deckarm dann im Alter von 19 Jahren sein erstes Punktspiel in der noch zweigeteilten Bundesliga (Gruppe Nord) für den VfL Gummersbach bestritt, war er schon Deutscher Jugendmeister im leichtathletischen Fünfkampf mit persönlichen Bestleistungen u.a. über 100m (11,6 Sek.), im Hochsprung (2,02m) und im Speerwurf (61,44m).

Mit dem VfL Gummersbach in der großen Ära mit Spielern wie Hansi Schmidt, Jochen Feldhoff, Klaus Westebbe und den Brand-Brüdern wurde er dreimal deutscher Meister (1974 bis 1976), zweimal deutscher Pokalsieger (1977 und 1978), Europacupsieger der Landesmeister (1974) und im Europapokal der Pokalsieger (1978). Sein Debüt in der Nationalmannschaft gab er im Dezember 1973 gegen Rumänien, sein letztes Spiel betritt der Student mit den Fächern Mathematik und Sport im Januar 1979 beim Finale um den Ostseepokal gegen die DDR. Dazwischen lag sein größter Erfolg mit dem (zweiten) Gewinn des Weltmeistertitels einer deutschen Auswahl am 5. Februar 1978 in Kopenhagen (20:19 gegen die hochfavorisierte Sowjetunion mit insgesamt sechs Deckarm-Toren) zusammen u.a. mit seinen damaligen Gummersbacher Mannschaftskameraden Heiner Brand (71), Claus Fey (68) und dem damals 21-jährigen Erhard („Sepp“) Wunderlich (1956-2012). Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal erreichte Joachim Deckarm mit dem DHB-Team den vierten Platz.

Die großartige Handball-Karriere des Jo Deckarm wurde jäh beendet in der 23. Spielminute am Nachmittag des 30. März 1979 im Halbfinalrückspiel beim Europapokal der Pokalsieger des VfL Gummersbach im ungarischen Tatabànya. Die tragische und für ihn bis heute folgenschwere Spielszene ist hinreichend erzählt – heute sollen Stichworte reichen: Tempogegenstoß von Jo nach Zuspiel von Heiner Brand, Zusammenstoß mit einem Gegenspieler in der Luft, Aufprall mit dem Kopf auf den Betonboden, doppelter Schädelbasisbruch und schwerste Gehirnverletzungen. Als Jo nach 131 Tagen aus dem Koma erwacht, ist er in seinen Bewegungen stark eingeschränkt, im Sprechen beeinträchtigt und wird Jahre später auf einen Rollstuhl angewiesen sein – aber: Jo Deckarm wird von der „Handball-Familie“ im wahrsten Sinne des Wortes aufgefangen, gestützt und bis heute begleitet. Sein ehemaliger und inzwischen leider verstorbener Saarbrücker Jugendtrainer Werner Hürter sei zusammen mit Reinhard Peters vom Handballverband (HV) Saar stellvertretend für viele andere ehrenamtliche „Kümmerer“ hier namentlich genannt. Bis heute kümmern sich auch ehemalige Mitspieler aus der Nationalmannschaft und dem VfL Gummersbach um Jo und besuchen ihn regelmäßig im Evangelischen Seniorenzentrum in Gummersbach, wo er seit sechs Jahren lebt – klar, dass Heiner Brand jetzt dafür gesorgt hat, dass zum 70. Geburtstag auch die 78er Weltmeister wie Kapitän Horst Spengler (TV Hüttenberg), Kurt Klühspies (TV Großwallstadt), Arno Ehret (TuS Hofweier) und Jimmy Waltke (GW Dankersen) zum Gratulieren nach Gummersbach kommen werden.

Einen Tag nach den Feierlichkeiten im kleinen Kreis in Gummersbach empfangen Präsidium und Vorstand des DHB Joachim Deckarm in der Kölner LANXESS Arena als ihren Ehrengast: „Ich gratuliere Joachim Deckarm im Namen des Deutschen Handballbundes von ganzem Herzen! Seine Geschichte ist ebenso bewegend wie inspirierend. Wie er mit seinem unbändigem Willen das Schicksal angenommen hat und sein Leben lebt, beeindruckt die gesamte Handball-Familie. Jo Deckarm ist Teil unserer Geschichte, und es ist wunderbar zu erleben, wie diese seit Generationen weiterlebt. Jo zauberst ein Lächeln ins Gesicht der Menschen – weil sie sich an den Weltklasse-Handballer erinnern. Und weil sie ihn und seinen Weg bewundern. Wir sind dankbar, dass er bei uns ist, und wünschen ihm Glück, Zufriedenheit und Gesundheit “, sagt DHB-Präsident Andreas Michelmann und freut sich, seine Glückwünsche dem Jubilar persönlich überbringen zu können, bevor im Anschluss daran alle knapp 20.000 Gäste in Deutschlands größte Multifunktions-Arena zusammen mit ihm ein fröhlich-festliches „Happy Birthday“ anstimmen werden …

Joachim Deckarm wurde nach Bernhard Kempa (1920-2017) und Heiner Brand im Jahre 2013 als dritter deutscher Handballspieler in die Hall of Fame des deutschen Sports bei der Stiftung Sporthilfe aufgenommen, und zwar hier neben seinen großen sportlichen Erfolgen als wegweisendes Beispiel für den Bereich „Biografie als besonderer Kämpfer“ – wie lautet doch dazu die passende und gleichsam erprobte Devise von Jo mit täglicher Wiederkehr: „Ich will, ich kann, ich muss.“ Unter dem Dach der Stiftung Deutsche Sporthilfe befindet sich auch der Joachim-Deckarm-Fonds, der Gelder generiert, um ihn weiterhin mit notwendigen Maßnahmen zu unterstützen.

Das Kicker Sportmagazin hatte Deckarm 1999 als „Handballer des Jahrhunderts“ ausgezeichnet. Der Preis des Deutschen Zipfel für „unbändigen Lebenswillen“ wurde ihm 2009 verliehen. Das Silberne Lorbeerblatt als höchste sportliche Auszeichnung vom Bundespräsidenten hatte er da schon erhalten, genauso wie die Goldene Ehrennadel des DHB. Erst vor wenigen Monaten wurde Joachim Deckarm mit seinem unnachahmlichen Sprungwurf auf der Coverseite für „Das Goldene Buch des Deutschen Handballs“ ein fotografisch-stilisiertes Denkmal gesetzt.

In Saarbrücken ist längst eine Sporthalle nach dem größten Handballer, den das Saarland jemals hervorgebracht hat, benannt. In „seiner“ Deckarm-Halle veranstaltet der HV Saar, dessen Ehrenmitglied Jo ist, u.a. auf Initiative seines Ehrenpräsidenten Hans Joachim Müller am Donnerstag, dem 25. Januar um 20 Uhr, im Rahmen eines Deckarm-Festivals unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und als Abschluss der Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag des HV Saar ein Benefizspiel zwischen einem saarländisches Bundesliga-Team mit allen in der Republik verstreuten Saar-Talenten und einer Mannschaft mit Alt-Internationalen des DHB um den saarländischen Weltmeister und Kreisläufer Christian Schwarzer. Das Spiel wird ab 20.15 Uhr live auf der SWR-Schiene übertragen. Jo Deckarm wird als Ehrengast unter den 2.000 Gästen in der ausverkauften Deckarm-Halle anwesend sein. Einen Tag vorher trägt sich der prominente Sohn der Stadt Saarbücken in das Goldene Buch ein.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

Hinweis:

Alle, die anlässlich seines 70. Geburtstags mit einer Spende in den Sporthilfe-Deckarm-Fonds Joachim Deckarm direkt unterstützen wollen … hier geht es zur Spendenseite bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe: https://www.sporthilfe.de/deckarm-fonds/ 

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