Anti-Doping-Kampf auf dem Prüfstand der Politik
Frühestens zum 1. Juli 2007 könnten in Deutschland verschärfte Rechtsvorschriften zur Eindämmung der Dopingkriminalität in Kraft treten.

06.09.2006

Das erklärte der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus Riegert, nach einer Vorstandsklausur seiner Fraktion in Berlin. Das Gremium verabschiedete ein Positionspapier, das mit dem von der Union bereits Ende März vorgelegten Antragsentwurf übereinstimmt, der in den letzten Monaten mit dem Koalitionspartner abgestimmt und verändert wurde. Die Fraktion einigte sich, zunächst einmal die große Dopinganhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages am 27. September in Berlin abzuwarten. Danach solle der gemeinsame Koalitionsantrag endgültig formuliert und in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden, erklärte Riegert. Mit ihm soll die Bundesregierung aufgefordert werden, ein Gesetzespaket vorzulegen.
Union gegen Straftatbestand für eigenverantwortliches Doping von Sportlern
„Unsere Position steht“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete. „Sie ist im wesentlichen identisch mit der Beschlusslage des DOSB-Präsidiums und mit den Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Spitzenverbände im DOSB. Allerdings gibt es über die Rechtsverschärfungen noch einige Divergenzen mit der SPD-Bundestagsfraktion. Dennoch sollten wir anfangen, jetzt aufs Tempo zu drücken, damit uns die Zeit nicht davonläuft.“
Klaus Riegert schloss für die Union aus, dass mit einem Anti-Doping-Gesetz ein Straftatbestand für eigenverantwortliches Doping von Sportlern eingeführt werden könnte. Ebenso lehnt die Mehrheitsfraktion eine Erweiterung des Strafgesetzbuches um eine Besitzstraftat ab. Auch die Einführung eines strafbewehrten Sportbetrugs wegen Wettbewerbsverzerrung durch Doping kommt für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus pragmatischen und rechtsdogmatischen Gründen nicht in Frage. Statt dessen will die Union erreichen, dass mit einem Artikelgesetz Änderungen im Arzneimittelgesetz vorgenommen werden, beispielsweise mit Erhöhung des Strafmaßes für Bandenkriminalität. Weitere pragmatische, konsensfähige Rechtsverschärfungen sind geplant. Daneben sollte es aber auch verbesserte administrative Regelungen geben. So ist die Kennzeichnungspflicht für dopingrelevante Arzneimittel und die Gründung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften vorgesehen. Weitere Kernpunkte sind die Verstärkung des Präventionsansatzes und die Aufforderung an die Länder, die NADA finanziell zu unterstützen.
Riegert: „Ich bin ein Gegner von Symbolpolitik. Italien hat zwar ein Anti-Doping-Gesetz, und es finden bisweilen spektakuläre Razzien statt; aber es ist noch kein Sportler wegen Selbstdoping rechtskräftig verurteilt worden. Allein nur Optimalforderungen in ein Gesetz zu schreiben, das genügt nicht. Mit uns wird es keine strafrechtlichen Spezialtatbestände zur Bekämpfung des eigenverantwortlichen Dopings geben. Wir sollten deshalb innerhalb der Koalition jetzt die 90 Prozent Übereinstimmung nutzen und im Parlament einen ersten appellierenden Antrag beschließen. Sollten wir dann später, in zwei, drei Jahren, doch noch weiteren Regelungsbedarf feststellen, können wir jederzeit die Diskussion neu aufnehmen.“
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In einem Gespräch mit Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) hat Riegert seinen Worten zufolge erfahren, dass das für Sport zuständige Ressort der Bundesregierung ebenfalls in der Grundtendenz die von der Unionsfraktion vorgeschlagenen Regelungen präferiere. Das BMI sei nach wie vor gegen einen Straftatbestand für aktives Doping sowie gegen einen Sportbetrugs-Paragraphen. Allerdings sei es in seiner Position noch offen, ob eine Besitzstraftat eingeführt werden sollte, erklärte der Abgeordnete.
Neues Recht könnte zum 1. Juli 2007 in Kraft treten
Nach Riegerts Vorstellung sollte nach der Sportausschuss-Anhörung am 27. September relativ zügig ein endgültiger Antragsentwurf verabschiedet werden. „Wenn sich die Koalition im Oktober einigen könnte, dürfte der gemeinsame Antrag bis Jahresende beschlossen sein“, erläuterte er das mögliche Zeitfenster. „Wenn die Regierung parallel dazu schon jetzt Vorbereitungen für einen Gesetzentwurf trifft, könnten wir die vorgesehenen Rechtsverschärfungen im späten Frühjahr im Deutschen Bundestag beschließen. Dann könnte das neue Recht zum 1. Juli 2007 in Kraft treten. Wichtig ist jetzt allerdings, dass wir in der großen Koalition endgültig Einigung über den Umfang des Maßnahmenkatalogs erzielen. Auf alle Fälle wird es ein sehr enger zeitlicher Rahmen.“
Bündnis 90/Die Grünen für Artikelgesetz mit Korrekturen und Verschärfungen
Die Verschärfung von Rechtsvorschriften im Anti-Doping-Kampf stand auch im Mittelpunkt einer Fraktionsklausur der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Ihr Sportsprecher Winfried Hermann kündigte an, in Kürze einen eigenen Entwurf eines Artikelgesetzes vorzulegen. Ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz sei aus grüner Sicht nicht realistisch, sagte Hermann. In einer Erörterung zwischen den Fraktionsexperten für Sport, Gesundheit und Recht sei von Fachpolitikern darauf hingewiesen worden, dass ein Straftatbestand für Selbstdoping gegen den Rechtsgrundsatz der prinzipiellen Straflosigkeit eigenverantwortlicher Selbstgefährdung verstoße, berichtete Hermann. Genauso kritisch bewerteten Wolfgang Wieland und Hans-Christian Ströbele, Rechtsexperten der Fraktion, die angedachte Einführung einer Besitzstraftat und Vorschläge für strafbewehrte Regelungen von Sport-Betrug. Dies sei aus rechtssystematischen Gründen nicht möglich.
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„Wir brauchen ein Artikelgesetz mit Korrekturen und Verschärfungen auf unterschiedlichen Rechtsfeldern“, erklärte Winfried Hermann. „Korrekturen im Arzneimittelgesetz allein reichen allerdings nicht aus. Wir benötigen auch administrative Veränderungen, etwa Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um die Vollzugsdefizite aufzuheben.“ Bündnis 90/Die Grünen wollen jetzt von externen Experten einen Vorschlag für ein Gesetzeswerk ausarbeiten lassen.
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„Da weder vom Bundesinnenministerium noch vom bayerischen Justizministerium in den nächsten Wochen ein Gesetzentwurf kommen wird, werden wir als Oppositionsfraktion sehr schnell den Entwurf eines Artikelgesetzes zur Effektivierung des Anti-Doping-Kampfes einbringen“, sagte der Abgeordnete. Hermann hofft, dass bereits in den nächsten vier Wochen der Entwurf eines Maßnahmenpakets seiner Fraktion abschließend vorgelegt werden kann.