Angelina Köhler wirbt für Teilnahme am Programm „Schutz vor Hate Speech“
Die Spitzenschwimmerin wurde bei Olympia in Paris Opfer eines Shitstorms, der bis heute anhält. Hier erzählt sie, wie ihr das DOSB-Angebot geholfen hätte und was sie daran verbessern würde.
![DOSB Redaktion](/_assets/f81406596b3c0617dd4f2a153fe2a8f3/Images/default_logo_dosb.jpg)
06.02.2025
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Es ist das Beben in ihrer Stimme, das verrät, wie sehr das Thema sie immer noch beschäftigt, auch wenn dessen Ursprung mittlerweile ein halbes Jahr zurückliegt. „Ich habe die volle Breitseite des Hasses abbekommen“, sagt Angelina Köhler, „und was mich ganz besonders mitnimmt: Es hört nicht auf! Noch immer bekomme ich deswegen Hassnachrichten. Das ist wirklich absolut krass.“ Tatsächlich, das ist es. Umso wichtiger, dass sich die deutsche Spitzenschwimmerin entschieden hat, ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Weil sie dafür sensibilisieren möchte, welche Gefahren im Umgang mit den sozialen Medien lauern. Und weil sie den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) unterstützen möchte im Vorhaben, seine Kampagne „Schutz vor Hate Speech“ auch bei den Olympischen Winterspielen in Italien im Februar 2026 fortzuführen und auf eine breitere Basis zu stellen.
Was war passiert? Im olympischen Rennen über die 100 Meter Schmetterling bei den Spielen in Paris im August 2024 hatte Angelina Köhler als amtierende Weltmeisterin die Bronzemedaille um 21 Hundertstelsekunden verpasst. Platz drei ging stattdessen an die Chinesin Zhang Yufei – eine der 23 Schwimmer*innen aus dem Reich der Mitte, die unter Dopingverdacht standen. 2021 war sie auf das verbotene Herzmedikament Trimetazidine getestet worden, die Welt-Antidoping-Agentur WADA allerdings folgte der Erklärung chinesischer Behörden, nach der die verbotene Substanz über verunreinigte Nahrung aufgenommen worden sei.
Angelina Köhler, die viel Wert darauf legt, zu ihren Werten und moralischen Vorstellungen zu stehen, sprach in Interviews freimütig und in Tränen aufgelöst darüber, dass Rang vier hinter der Chinesin durchaus einen Beigeschmack habe. Die BILD machte daraus die Schlagzeile „Doping-Chinesin klaut unserer Schwimm-Königin Bronze“. Daraufhin brach eine Welle der Entrüstung über Angelina Köhler herein, vor allem aus China kamen unzählige Nachrichten, viele davon nicht in chinesischer, sondern in englischer und deutscher Sprache, generiert von Bots.
„Ich habe auf allen meinen Kanälen einen Shitstorm bekommen, den ich noch nie erlebt hatte. Ich wurde als Nazi beschimpft und bekam Fotos mit Hitlergrüßen“, sagt sie. Als ewige Vierte wurde sie betitelt, die Zahl vier steht bis heute unter vielen ihrer Posts. Weil sie über ihre ADHS-Erkrankung öffentlich spricht, wurde ihr deshalb Medikamentenmissbrauch unterstellt, obwohl sie keine Medikamente nimmt. „Doping-Schwein wurde ich genannt, es kamen Fotos von Schweinen mit Spritzen im Hintern. Es war unglaublich und unheimlich.“
Das Angebot, dass der DOSB erstmalig in seiner Geschichte in Zusammenarbeit mit den Unternehmen Sportradar und Arwen AI dem gesamten deutschen Olympia- und Paralympics-Team schon weit vor Beginn der Wettbewerbe einen Schutz gegen Hass und Hetze im Netz für alle Team-D- und persönlichen Kanäle offeriert hatte, hatte Angelina Köhler nicht erreicht. Das genutzte System blendet Hasskommentare, basierend auf künstlicher Intelligenz und unter Nutzung von bis zu 25 unterschiedlichen Filtern, in Echtzeit aus und bietet so einen effektiven 24/7-Schutz für Athlet*innen. Die geblockten Kommentare wurden gespeichert und im Falle rechtlich relevanter Inhalte an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben.
Die Gesamtbilanz dieser Premiere liegt nun, ein Jahr vor Beginn der nächsten Olympischen Spiele, vor. Insgesamt 24 Kanäle wurden einbezogen, elf davon gehörten Athlet*innen. 61.643 Kommentare wurden während der Olympischen Spiele gescannt, 3995 davon ausgeblendet. 44,1 Prozent waren Spam, der Rest entweder rassistisch (8,9 Prozent), sexuell motiviert (2,4) oder allgemein beleidigend (44,6). 623 Kommentare wurden zur Überprüfung markiert, 298 an die Staatsanwaltschaft übergeben. Insgesamt lautet die Empfehlung der Evaluation, der der DOSB und seine Partner folgen wollen, das Angebot auf kommende Olympische Spiele auszuweiten und bestehende Problemfelder aktiv aufzuarbeiten.
Mehr Schutz für Athlet*innen
Eine Empfehlung, die Angelina Köhler ausdrücklich begrüßt. Sie selbst hatte in Paris zwar vom Schutz der Team-D-Kanäle, der ihr angesichts des Shitstorms offeriert worden war, profitiert, war aber nicht unter den ebenfalls angebotenen Schutzschirm für die privaten Kanäle geschlüpft. „Ich würde angesichts der Erfahrungen, die ich gemacht habe, allen Athletinnen und Athleten raten, sich dem Programm anzuschließen“, sagt sie. Zwar habe es ihr geholfen, dass Kommentare auf den Team-D-Kanälen gefiltert und, wenn nötig, geblockt wurden. „Aber was mir gefehlt hat, war eine Ansprechperson vor Ort zu diesem speziellen Thema, die mir meine Ängste nehmen konnte.“
Während der Wettkämpfe sei es für sie kein Problem gewesen, sich auf ihre sportliche Leistung zu fokussieren, wie sie es mit ihrer Sportpsychologin trainiert hatte. „Ich wusste, dass ich in Topform war und es abrufen konnte“, sagt sie. Das größte Problem sei der Verfolgungswahn gewesen, den sie entwickelt habe. „Ich dachte irgendwann, dass mich die Chinesen beobachten und mir heimlich verbotene Substanzen ins Essen oder Trinken mischen“, sagt sie. Überall, wo sie öffentlich auftauchte, hatte sie eine Begleitperson dabei. „Dieses Gefühl, ausgeliefert zu sein, war wirklich schlimm.“ Der von vielen Menschen geäußerte Vorschlag, ihr Telefon einfach auszuschalten, sei ihr weltfremd vorgekommen. „Man braucht heutzutage das Handy einfach zur Kommunikation.“
Um dem Thema die Bedeutung zu geben, die es ihrer Erfahrung nach brauche, würde sich Angelina Köhler wünschen, dass es nicht nur innerhalb eines Team-D-Calls und zusätzlich per Mail vorgestellt würde, wie es vor Paris der Fall war. „Ich glaube, es wäre die beste Lösung, wenn es einen Call gäbe, in dem es nur um dieses eine Thema geht. Und dass sich danach grundsätzlich alle dem Programm anschließen und nur diejenigen nicht dabei sind, die aktiv widersprechen“, sagt sie. Die meisten Athlet*innen seien von der organisatorischen Wucht der Spiele überfordert und bräuchten mehr Anleitung. „Außerdem wäre eine klare Zuteilung, wer bei Problemen mit Hate Speech die Ansprechpersonen sind, enorm wichtig.“ Dass das IOC den nationalen Delegationen zusätzliche Akkreditierungen für den Bereich Safe Sport und Mental Health zur Verfügung gestellt hatte und der DOSB deshalb vier Welfare-Officer in Paris vor Ort hatte, die sich um genau solche Themen kümmern konnten, war ihr nicht bekannt – ein Fakt, der unterstreicht, dass noch intensivere Aufklärung im Vorhinein wichtig ist.
Angelina Köhler ist klar geworden, dass das Bewusstsein dafür, welche Probleme soziale Medien mit sich bringen können, noch deutlich geschärft werden müsse. Daran will sie mitarbeiten, indem sie ihre eigenen Erfahrungen teilt. Immer in dem Wissen, dass das Problem nicht gänzlich abgestellt werden könne. „Aber ein Sicherheitsschirm, auf den wir uns verlassen können, ist wichtig, und ich bin dem DOSB dankbar, dass er dieses Thema erkannt hat und Hilfe anbietet.“ Auch wenn wir alle wünschten, dass das Angebot überflüssig wäre, wird diese Hilfe im Februar 2026 in Mailand Cortina sicherlich wieder benötigt werden. Entsprechende Informationen dazu und die Möglichkeit, sich für das Programm anzumelden, sind für den Spätherbst dieses Jahres geplant.
DOSB-Programm „Schutz vor Hate Speech“
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) kooperiert mit den Sporttechnologie-Unternehmen Sportradar und Arwen AI, um Athlet*innen des Team D und des Team D Para während der Olympischen und Paralympischen Spiele bestmöglich vor Hate Speech auf den Social Media Kanälen zu schützen. Dabei werden bis zu 25 auf KI basierte Filter eingesetzt, die unter anderem Hasskommentare in Echtzeit herausfiltern und blockieren. Damit werden die Athlet*innen des Team D ganz konkret vor Hass und Hetze im Netz geschützt und in ihrer mentalen Gesundheit gestärkt.
Das Programm wurde erstmalig bei den Olympischen Spielen Paris 2024 umgesetzt und wird bei den Olympischen Winterspielen in Italien im Februar 2026 fortgeführt.