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American Football: Steigende Mitgliederzahlen in den Vereinen

Mit dem Präsidenten des American Football-Verbandes Robert Huber (Foto) sprach Michael Auerbach in einem Interview für das Football-Magazin "Huddle" über die Situation des Footballs in Deutschland.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

04.04.2013

Seit 1997 lenkt der 43-jährige Rechtsanwalt Robert Huber die Geschicke des American Football Verbandes Deutschlands (AFVD). Mehrmals jeweils einstimmig im Amt bestätigt, fallen in seine Amtszeit nicht nur die zwei Europameistertitel der Nationalmannschaft oder deren Goldmedaille bei den World Games. Seit über einem Jahrzehnt und in den letzten Jahren sogar noch einmal verstärkt wachsen die Mitgliederzahlen der deutschen Vereine in einem rasanten Tempo. In der Folge wurde unter anderem auch im letzten Jahr die höchste deutsche Spielklasse German Football-Liga (GFL) auf 16 Vereine aufgestockt. Mitte des Jahres übernahm der Verband schließlich auch nach dem Ausfall des Vertragspartners in Magdeburg die Veranstaltung des German Bowls in eigener Regie. In Berlin bestand der unter Huber modernisierte AFVD diese Bewährungsprobe und arbeitet bereits an den Vorbereitungen für das Endspiel dieses Jahres in der Bundeshauptstadt.

HUDDLE: 2012 feierte die GFL einen neuen Zuschauerrekord, darf man hoffen, dass die Entwicklung 2013 anhält?

Huber: Es besteht ganz sicher die Hoffnung auf einen weiteren Anstieg. Zumal ja mit den Köln Falcons eine zugkräftige Mannschaft wieder aufgestiegen ist.

Die Fans haben es offensichtlich positiv aufgenommen, dass die GFL nun mit insgesamt 16 Mannschaften spielt. Wie fällt die Bilanz des AFVD-Präsidiums aus, und wie ist die Resonanz in den Vereinen?

Aus Sicht des Präsidiums haben sich die Erwartungen und Hoffnungen, die wir bei der Erweiterung hegten, voll und ganz erfüllt. Es gab neben dem Zuschauerzuwachs auch einen tollen Spannungsbogen. Bis zum letzten Spieltag wurde um die Positionen gekämpft, es ging nicht nur um den Gruppensieg, daneben waren die Fragen nach dem Heimrecht für Playoff-Spiele, die Playoff-Qualifikation und die Vermeidung der Relegation so lange offen, dass die Zuschauer bis zum letzten Moment ein Interesse hatten, die Spiele anzuschauen. Die Vereine haben auf der Ligasitzung nach der Saison ebenfalls ein sehr positives Fazit gezogen. Gerade der Wegfall der Interconference-Spiele wurde hier sehr positiv beurteilt.

Erstmals seit langem kümmerte der Verband sich wieder selbst um die Ausrichtung des German Bowls, wo lagen die Vor- und Nachteile?

Der Vorteil ist natürlich, dass man alle Abläufe selbst unter Kontrolle hat, viel stärker weiß, was an welcher Stelle des Projektes geschieht, und unabhängig vom Standort Qualitätssicherung betreiben kann. Der Nachteil ist selbstverständlich die viel stärkere Belastung der menschlichen, sächlichen und finanziellen Ressourcen des Verbandes.

Das erneut punktreiche und dramatische Finale von 2012 dürfte sicher auch dem TV-Sender Eurosport gefallen haben. Welches Feedback hört man von dort über den Football made in Germany?

Eurosport hat direkt im Anschluss an die Übertragung des German Bowls 2012 eine verbindliche Zusage zur Fortsetzung des Engagements in diesem Jahr gegeben. Der Sender zeigt sich auch sehr offen für eine generelle Ausweitung der Zusammenarbeit mit der GFL. Das beweist, dass die Erwartungen von Eurosport erfüllt wurden.

Das Konzept der Eigenausrichtung des German Bowls kam ja mit dem Rückzug aus Magdeburg nicht so ganz freiwillig zustande, war das nicht ein erhebliches finanzielles Risiko?

Es war ein beherrschbares Risiko. Die langfristige strategische Gesamtkonzeption des Verbandes sah nach dem Auslaufen des Vertrages für Magdeburg ohnehin eine Eigenausrichtung vor. Der AFVD hat über die letzten Jahre, seit die Ausrichtung an externe Partner außerhalb der GFL abgegeben worden war, parallel eigene Ausrichterstrukturen und Fachkompetenz aufgebaut.

Welche Hoffnungen verbinden sich nun mit der erneuten Ausrichtung in Berlin?

Auf jeden Fall eine entspanntere Vorbereitung als im letzten Jahr, als alles dann doch sehr kurzfristig erledigt werden musste. Und selbstverständlich auch durch die Bewerbung bereits während der laufenden GFL-Saison eine noch höhere Zuschauerzahl.

Kann der German Bowl in der Hauptstadt eine dauerhafte Einrichtung werden bzw. was wären die Alternativen der näheren Zukunft?

Im Moment läuft die Planung für Berlin einschließlich dieses Jahres. Wir werden gemeinsam mit den Vereinen der GFL und den Landesverbänden nach dem German Bowl beraten, ob wir in Berlin verlängern oder einen anderen Standort wählen. Dies wird auch von den Zusagen des Senats des Landes Berlin abhängen. Gerade im baulichen Bereich des Stadions ließe sich ja da noch einiges verbessern. Natürlich gibt es auch andere mögliche Standorte, die wir laufend prüfen. So hatten wir im letzten Jahr parallel zu Berlin ja auch Dresden, Braunschweig und Kiel in der engeren Auswahl. Insgesamt ist natürlich auch ein German Bowl in Nordrhein-Westfalen sehr gut vorstellbar.

Die Kiel Baltic Hurricanes haben eigene Stadionpläne, die Schwäbisch Hall Unicorns haben in ihrer Heimatstadt mit dazu beigetragen, dass über einen Stadionneubau nachgedacht wird. Wie stellt sich die Trainings- und Spielstättensituation insgesamt für den deutschen Football dar?

Die Trainingssituation für deutsche Football-Vereine ist überwiegend sehr gut. Die Spielstättensituation - hier besonders mit Blick auf die GFL - ist an manchen Standorten sicher noch deutlich verbesserungswürdig. Wenn wir zum Beispiel die Standorte Kiel und Schwäbisch Hall nehmen, dann scheiden diese leider für Großveranstaltungen oder Live-Fernsehübertragungen derzeit aus. Wobei es sehr erfreulich ist, dass gerade die Städte dieser beiden Vereine dies erkannt haben und bereit sind, nachzubessern. Generell profitieren wir aber nach wie vor davon, dass wir als Zweitnutzer in die Fußballstadien dieses Landes gehen können.

Nicht nur die GFL 2012 hat bei den Zuschauerzahlen zugelegt, der AFVD hat inzwischen auch die Marke von 50.000 Mitgliedern in seinen Vereinen im Visier. Wie wird dies seitens des DOSB wahrgenommen?

Leider nicht in dem Umfang, wie wir uns das wünschen würden. Wir sind einer der am stärksten wachsenden Sportverbände Deutschlands mit Wachstumsraten im Jugendbereich von jährlich 25 Prozent, werden aber gerade im Nachwuchsleistungsport auf Landesebene flächendeckend so gut wie überhaupt nicht gefördert. Dort zählt ganz überwiegend nur das Kriterium „olympische Sportart“, während Attraktivität oder die Dynamik der Mitgliederentwicklung völlig außer Betrachtung bleiben. Beim Bundesministerium des Innern wird das Mitgliederwachstum ganz im Gegenteil als Zeichen der starken eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit gewertet, die als Argument gegen eine öffentliche Förderung ins Feld geführt wird.

Der Anstieg der Mitgliederzahlen ist für einen Sportverband derzeit kaum selbstverständlich. Lässt sich das Wachstum gegen den allgemeinen Trend auf bestimmte Maßnahmen des Verbandes zurückführen?

Auf jeden Fall ist dies sicher einer gemeinsamen Kraftanstrengung der Vereine, der Landesverbände und des AFVD zu verdanken. Unsere Ausbildungsoffensive hat zu einem erheblichen Zuwachs an besonders geschulten Trainern geführt, so dass inzwischen jeder Verein in Deutschland in der Lage ist, durch qualifizierte Trainer Jugendlichen ein hochwertiges sportliches Angebot zu machen, was sich in einer höheren Anzahl an aktiven Jugendlichen und einer nachhaltigen Entwicklung im Herrenbereich auszahlt. Auch der Bereich Schulsport und Flag Football sowie der Frauenbereich tragen das Ihrige zu einer sehr positiven Gesamtentwicklung bei.

Wo wird der Verband nun die Schwerpunkte setzen?

Huber: Ein Schwerpunkt wird in der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland liegen. Wir wollen daran arbeiten, dass unser Sport - vor allem der in der GFL - seine öffentliche Wahrnehmung steigert und wir uns langfristig hinter Fußball und Motorsport als zuschauerstärkste Sportart etablieren. Das ist natürlich eine sehr visionäre Perspektive, aber insgesamt müssen wir versuchen, dass der positive Trend stabilisiert wird und nicht nur ein kurzzeitiges Strohfeuer wird.

Zum zweiten Mal gastiert der japanische Meister bei einem GFL-Club, diesmal in Düsseldorf. Wird der International Challenge Bowl nun zu einer regelmäßigen Einrichtung?

Durch die zweite Austragung dieses Jahr hat sich diese Idee bereits verstetigt. Wir sind guten Mutes, dass wir diese Art des Sportaustauschs weiter werden austragen können, wobei das nicht zwangsläufig ein jährliches Intervall sein muss. Der Austausch mit Japan hat für den AFVD höchste Priorität, weil wir dort auf mit unseren Strukturen vergleichbare Vereine und Ligen treffen. Die X-League in Japan ist neben der GFL die höchst entwickelte oberste nationale Football-Liga unter dem Dach eines Verbandes. Wir reden deshalb auch weiterhin über die Austragung des German-Japan Bowls II zwischen beiden Nationalmannschaften, diesmal als Rückspiel in Japan.

Unicorns und Adler rüsten für den Eurobowl. Wie wichtig sind internationale Erfolge für den Verband?

Ein internationaler Spielbetrieb ist immer auch ein Leistungsvergleich von Ligen. Insofern ist es wichtig, auch im Eurobowl eine gute Visitenkarte abzugeben. Allerdings treffen wir in Europa nach wie vor auf völlig unterschiedliche Wettbewerbsvoraussetzungen. So ist etwa die AFL in Österreich zwar in der Spitze sehr leistungsstark, mit ihrer sehr kleinen Liga und einer nur kurzen Saison aber eine deutlich niedrigere sportliche Herausforderung für einen Verein als eine GFL mit bis zu 17 Pflichtspielen über sechs Monate hinweg.

Das IOC hat kürzlich über die Zusammenstellung des olympischen Programms beraten - American Football bleibt weiter außen vor. Mit welchem Zeithorizont - wenn überhaupt - ist Olympia für American Football ein Thema?

So lange unser Weltverband IFAF nicht in der Lage ist, Weltmeisterschaften zu organisieren, die nicht alleine durch die Teilnehmernationen bezahlt werden, ist Olympia eine unrealistische Utopie. Wir haben gerade diese Woche eine Ausschreibung für eine Studenten-WM erhalten, die unser Weltverband als große Errungenschaft feiert. Die Information des Allgemeinen Deutschen Hochschulsport-Verbandes an uns beinhaltet jedoch, dass weder IFAF noch der Weltverband des Hochschulsportes noch der Ausrichter irgendwelche Leistungen übernehmen. Man erwartet einfach, dass die nationalen Fachverbände alle Kosten einschließlich jener der Übernachtungen vor Ort voll bezahlen. Entsprechend ist das Modell bei der Frauen-WM in diesem Jahr, mit der Folge, dass von 64 Mitgliedsnationen der IFAF gerade einmal sechs überhaupt für die WM gemeldet haben. Und auch bei diesen sechs ist die Teilnahme längst noch nicht überall gesichert.

Mit Björn Werner steht ein dritter Spieler, der ursprünglich aus einem AFVD-Verein stammt, vor seiner Draft in die NFL. Wie wichtig sind solche Erfolge für die Verbandsarbeit hier in Deutschland vor Ort?

Man kann solche Entwicklungen nicht hoch genug einschätzen. Dies beweist, dass es möglich ist, auch als Jugendlicher aus Deutschland eine reale Chance auf einen Profi-Vertrag zu haben. Und dies ohne irgendwelche Umwege, sondern über ein direktes Engagement im US-College-Sport. Diese Entwicklung mit ab April voraussichtlich drei deutschen NFL-Profis ist ein Qualitätsnachweis für den German American Football. Dies hat bisher kein anderes Land außerhalb des nordamerikanischen Kontinents jemals erreicht. Wir wünschen Björn Werner, dass er ein möglichst gutes Team erwischt und hoffentlich bald im Super Bowl spielen kann.

(Quelle: HUDDEL– Das Football Magazin)

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