4er-Tisch als Trendsportart?
Tischtennisspieler aus dem Westerwald haben eine neue Sportart entwickelt: 4er-Tisch.

26.10.2018
Mitentwickler und mehrfacher Vize-Weltmeister Yannick Schneider stellt die Sampling-Sportart vor, die von den Machern als Symbiose zwischen Tischtennis und Tennis verstanden wird.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Aus Gaudi wurden vier handelsübliche Tischtennistische zusammengeschoben und Banden als Netz in die Mitte gestellt, sodass eine vierfach große Spielfläche entstand – geboren war der 4er-Tisch. Damals, im Jahr 1994, hatte noch niemand daran gedacht, dass daraus mal eine eigene Sportart mit internationalen Turnierveranstaltungen entstehen könnte. Schließlich dauerte es auch weitere zehn Jahre bis 2004 das erste 4er-Tisch-Turnier ausgerichtet wurde. Seitdem findet jährlich eine WM statt – ursprünglich als Westerwaldmeisterschaft tituliert, kann diese nun gar als Weltmeisterschaft begriffen werden.
Das Beste aus Tennis und Tischtennis
Doch von vorne: Was ist das für ein Sport, der sich wachsenden Teilnehmerzahlen erfreut und sogar in einer Weltrangliste vertreten ist? „Das Besondere am 4er-Tisch ist, dass die besten Sachen aus dem Bereich des Tennis und des Tischtennis quasi zusammengenommen werden. Es ist athletisch – so wie beim Tennis: große Anstrengungen, weite Laufwege und eine immense Schlaghärte. Dazu hat die Rotation des Balles, die im Tischtennis eine große Rolle spielt, auch im 4er-Tisch große Auswirkungen“, erklärt Yannick Schneider, Sportlehrer aus Rheinland-Pfalz und Mitentwickler der Sportart.
Neben dem Material, also Tischtennisschläger und Tischtennisball, ist auch das Zählsystem der Ursprungssportart Tischtennis angelehnt: „Ein Satz geht bis elf, jeder Spieler hat zwei Aufschläge, wobei man auch zwei Versuche für einen Aufschlag hat, was eben wieder dem Tennis entspricht“, so der 28-Jährige weiter.
Mehr als nur eine Abwechslung im Sommer
Schneider selbst war 2005 zum ersten Mal bei einem Turnier der damals noch immer unbekannten Tischtennisalternative dabei – als Teilnehmer bzw. Spieler. Doch relativ schnell ist er zu den Organisatoren gestoßen und hat an der Fortentwicklung der Sportart mitgewirkt. Heute ist er in der 4er-Tisch GbR für „Werbung, digitale Außendarstellung und mediale Präsens zuständig“, bearbeitet und erstellt Videos der Turnierveranstaltungen oder wirkt an der Erstellung und Berechnung der Weltrangliste mit, die extra für den 4er-Tisch Sport ins Leben gerufen wurde.
Das alles aus Leidenschaft und Begeisterung: „4er-Tisch bedeutet mir sehr viel, da ich von Anfang an dabei war und mitgeholfen habe, die Sportart deutschlandweit bekannt zu machen. Es ist mittlerweile mehr als nur eine Abwechslung im Sommer, sondern es hat sich eine große Szene entwickelt, bei der man viele Freundschaften geschlossen hat und jährlich bei den Turnieren die Leute aus der Szene wieder trifft – das macht den Sport für mich zu mehr als dem Sport Tischtennis.“
Da darf es kaum verwundern, worüber der studierte Sportlehrer seine Masterarbeit schrieb: 4er-Tisch. „Ich wollte mir ein Thema suchen, was mir wirklich am Herzen liegt, was mich interessiert.“ Dass es dann auch tatsächlich zum Thema 4er-Tisch kam, war eher Zufall, da in einem Uniseminar Trendsportarten behandelt wurden – und genau daraus ergab sich für Schneider die Leitfrage, ob 4er-Tisch auf dem Weg zur Trendsportart sei. Mit einer internationalen Turnierserie aus etwa acht Wettbewerbsorten im Kalenderjahr, darüber hinaus einem großen informellen Aktivenkreis, der nicht an den von der 4er-Tisch GbR ausgerichteten Turnieren teilnimmt, und einer Weltrangliste mit schon fast 500 gelisteten Spielern ist 4er-Tisch aktuell als Nischentrendsportart zu bezeichnen – so lautet das Fazit seiner Masterarbeit.
Organisiert ist der Sport über eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechts – noch. „Grundsätzlich wäre ein Verband die deutlich bessere Lösung“, gibt Yannick Schneider zu und stellt die Anforderungen an sich und sein Team auf: „Um den Sport weiter voranzubringen, müssen wir uns noch viel stärker einbringen, viel mehr Zeit investieren und Sponsoren generieren.“
Eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Tischtennisbund (DTTB) steht bereits. Der Tischtennissport sei in einem ständigen Wandel, der auch vor allem jüngere Leute erreiche, die wiederum den größten Aktivenkreis im 4er-Tisch stellten, führt Schneider aus, der selbst in der Tischtennis-Oberliga aktiv ist. „Dementsprechend erhofft sich der DTTB darüber auch, junge Menschen wieder mehr für den Tischtennissport zu begeistern.“ Andersherum profitiere 4er-Tisch erheblich von den Werbemaßnahmen des DTTB. Dazu wird 4er-Tisch zunehmend in Trainerausbildungen eingebunden. „Eine Win-Win-Situation!“, sagt Schneider.
Darüber hinaus wurde extra ein Netz entwickelt, das den Ausmaßen des Tisches angepasst wurde. Im vergangenen Jahr wurde die WM dazu erstmals durch eine Kooperation mit Sportdeutschland.TV in einem professionellen Livestream auf diversen Kanälen übertragen.
Neben dem World Cup, der in Luxemburg ausgetragen wird, sowie wechselnden Turnierstandorten in Frankreich sind in den nächsten Jahren auch Turniere in Österreich, Polen, den Niederlanden und Belgien geplant. Der Spielbetrieb ist hauptsächlich über diese Turnierserie organisiert und gleicht der Pro-Tour-Serie im Tennis. „Die Verbreitung in Deutschland ist aber mit Abstand am größten, da die Sportart hier ihren Ursprung hat“, sagt der mehrmalige Weltmeisterschafts-Zweite Schneider, der sich – wie auch alle anderen deutschen Spitzenspieler – in den vergangenen Jahren im Kampf um den Titel als 4er-Tisch-Weltmeister trotz Heimvorteils stets der internationaler Konkurrenz geschlagen geben musste. International, besonders in Frankreich und Polen, ist der Sport übrigens als „Ultimate Ping“ bekannt.
Die Entwicklung im Beachvolleyball als Vorbild
Ziel der Initiatoren und Organisatoren, die allesamt ehrenamtlich tätig sind, ist – neben der Verbandsgründung – vor allem der Ausbau der Turnierserie und Turnierstandorte, um auch dem bisher informellen Aktivenkreis Turnierveranstaltungen in der unmittelbaren Umgebung zu bieten.
Im Uniseminar über Trendsportarten wurde damals übrigens Beachvolleyball behandelt. Auch Beachvolleyball habe als Trendsportart angefangen, weil es ganz einfach draußen war, es war cooler, eine Abwandlung vom Volleyball. Zu der Zeit sei die Variante noch belächelt worden, heute ist es eine olympische Sportart, analysiert Schneider. Und damit scheint der Ausblick für die Zukunft für ihn klar: „So wie damals Beachvolleyball angefangen hat, kann auch jetzt 4er-Tisch erst in den Kinderschuhen stecken und noch groß rauskommen.“
So richtet die 4er-Tisch GbR auch einen persönlichen Appell an den Vorstand Leistungssport des DOSB. „Wir würden uns wünschen, dass Herr Schimmelpfennig als ehemaliger Tischtennis-Nationaltrainer das Potenzial der Sportart 4er-Tisch erkennt und versucht, gemeinsam mit dem DTTB, der seit diesem Jahr die alternative Spielform unterstützt, die Entwicklung der XXL-Tischtennis-Variante weiter voranzutreiben“, sagt Schneider. „Ich bin mir sicher, dass die Professionalisierung unseres geliebten Sportes auch positive Auswirkungen auf die Sportart Tischtennis haben wird und dazu beitragen kann, Tischtennis zu einem cooleren und jugendlicheren Image zu verhelfen. Tischtennis ist mehr als ein ständiges Hin und Her. Tischtennis ist vielseitig. Tischtennis heißt Kreativität. Und wer diesen Aspekt mag, wird 4er-Tisch lieben.“
(Quelle: DOSB/Felix Bach)