Aus den Erfahrungen von Betroffenen lernen
Die Abschlusskonferenz des europäischen Projektes VOICE zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Sport fand am 4. und 5. Mai in Bergisch-Gladbach statt.
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08.05.2018
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„Deine Stimme – dein Leben – deine Wahrheit“ – mit dieser Botschaft der ehemaligen irischen Schwimmerin Karen Leach wurde die Abschlusskonferenz des Projektes VOICE betitelt. Das von der EU geförderte Projekt „Voices for truth and dignity“ wird von der Deutschen Sporthochschule Köln geleitet und verfolgt das Ziel, sexualisierte Gewalt im Sport wissenschaftlich aufzuarbeiten. 135 Personen aus 16 europäischen Ländern nahmen an der Konferenz teil, um aus den Berichten von Betroffenen zu lernen, wie sexualisierte Gewalt im Sport entsteht, welche Unterstützungen Betroffene benötigen und wie Schutzmaßnahmen gestaltet werden sollten. Die Deutsche Sportjugend (dsj) ist gemeinsam mit dem Deutschen Kinderschutzbund Bundesverband e.V. nationaler Partner der Deutschen Sporthochschule Köln im Projekt.
Im Zentrum des Projektes steht eine Interviewstudie mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt im Sport, die in sieben europäischen Ländern durchgeführt wurde. In ausführlichen Interviews haben insgesamt 72 Betroffene (20 in Deutschland) von ihren Gewalterfahrungen im Sport berichtet. Die nun vorliegende Studie ist die bisher umfangreichste dieser Art. Sieben Wissenschaftler/innen von Universitäten in Europa waren an der Durchführung und Auswertung der Interviews beteiligt. Zentrale Befunde wurden bei der Abschlusskonferenz von Dr. Bettina Rulofs (Deutsche Sporthochschule Köln) und Dr. Mike Hartill (Edge Hill University in Großbritannien) vorgestellt.
Rund 70% der Betroffenen, die an den Interviews im Projekt teilgenommen haben, sind weiblich, 30% männlich. Die Ausübenden der Übergriffe sind fast ausschließlich männlich und in 90% der erhobenen Fälle Trainer oder Verantwortungsträger im Sport.
„Die Bedingungen für sexualisierte Übergriffe sind weniger ineinzelnen Sportarten zu suchen“, sagt Dr. Bettina Rulofs von der Deutschen Sporthochschule Köln, „sondern in generellen Merkmalen des Sports und der Kultur von manchen Sportvereinen und -verbänden.“ So zeigen die Berichte von Betroffenen, dass ihr sportliches Umfeld von engen Abhängigkeitsverhältnissen, Vertrauen, hohem Selektionsdruck und einem streng disziplinierenden Umgang mit dem Körper geprägt war.
Eine zentrale Forderung des Projektes ist, dass Sportorganisationen Vorfälle sexualisierter Gewalt differenziert aufarbeiten und dabei auch die Betroffenen beteiligen. Gloria Viseras, Mitglied der Steuerungsgruppe des Projektes und ehemalige spanische Olympiateilnehmerin im Turnen resümiert: „Die Teilnahme am Projekt VOICE hat uns Betroffenen geholfen, zu verstehen, wie stark unsere Stimmen sind und wie sehr wir dem Sport helfen können, sexualisierte Gewalt zu bekämpfen.“ Insgesamt nahmen 24 Betroffene von sexualisierter Gewalt im Sport an der Abschlusskonferenz teil, um ihre Stimme für einen gewaltfreien Sport in Europa zu erheben und sich aktiv an der Präventionsarbeit zu beteiligen.
„Sportorganisationen müssen den Betroffenen sexualisierter Gewalt zuhören und sie dann aktiv in die Arbeit zur Prävention von Gewalt einbeziehen“, so das Fazit von Susan Greinig, Medical Programmes Senior Manager beim Internationalen Olympischen Komitee, während der abschließenden Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern des Sports.
Dem fügte Jan Holze, Vorsitzender der dsj, auf dem Podium hinzu: „Mit dem europäischen Projekt VOICE wurde ein Prozess eingeleitet, der mit dieser Konferenz nicht zu Ende ist. Die Stimmen der Betroffenen helfen uns die Kultur in Sportverbänden und –vereinen zu verändern, indem wir lernen über sexualisierte Gewalt im Sport zu sprechen.“
(Quelle: Deutsche Sporthochschule/dsj)