Sportliche Brücken bauen im Mannheimer Jungbusch
Wie die DJK Jungbusch durch Bewegung und Gemeinschaft Integration schafft
29.07.2024
Seit vielen Jahren engagiert sich die DJK Jungbusch aus Mannheim als Stützpunktverein im Bundesprogramm "Integration durch Sport" und hat in dieser Zeit zahlreiche integrative Projekte erfolgreich umgesetzt. Seinem Ziel, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in einem sozialökonomisch belasteten Stadtteil eine freudvolle und sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten, ist der Verein einen großen Schritt nähergekommen. Über die Herausforderungen, Ziele und Visionen dieses multikulturellen Sportvereins haben wir mit dem 1. Vorsitzenden, Michael Scheuermann, gesprochen.
Redaktion Sport in BW (SiBW):Herr Scheuermann, Sie sind nicht nur der 1. Vorsitzende der DJK Jungbusch, sondern auch Leiter des Gemeinschaftszentrums Jungbusch und Quartiermanager des Stadtteils. Können Sie uns einen Überblick über Ihre Aufgaben und die besondere Verbindung zwischen dem Sportverein und der Gemeinwesenarbeit geben?
Michael Scheuermann: Als Leiter des Gemeinschaftszentrums und Quartiermanager des Jungbuschs habe ich eine vielfältige Rolle, die eng mit der Arbeit der DJK Jungbusch verknüpft ist. Der Wunsch nach einem Sportverein entstand 2007 mit dem Bau der Jungbuschhalle, um den Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils verschiedene sportliche Angebote zu bieten. Seitdem arbeiten der Sportverein und das Gemeinschaftszentrum als sozialer Anker im Stadtteil Hand in Hand, insbesondere in den Bereichen Integration, Frauen- und Jugendarbeit. Obwohl es sich um zwei verschiedene Organisationen handelt, sind unsere Ziele und Aktivitäten stark miteinander verwoben. Ich sehe vieles aus zwei Perspektiven und versuche, die Synergien einer sozialen Einrichtung und des Sportvereins so gut es geht miteinander zu verzahnen.
SiBW: Welche Ziele verfolgt die DJK Jungbusch und wie unterstützen Sie Ihre Mitglieder?
Scheuermann: Unser Hauptziel ist es, ein normaler Sportverein zu sein, in dem Menschen zusammenkommen, Spaß haben und Freundschaften knüpfen können. Viele unserer Mitglieder befinden sich jedoch in schwierigen Lebenssituationen und benötigen Unterstützung. Wir helfen ihnen nicht nur durch sportliche Aktivitäten, sondern auch durch soziale Unterstützung. Dies umfasst zum Beispiel Lernhilfen, Konfliktlösungstrainings oder Orientierungsangebote. Uns ist es besonders wichtig, jungen Menschen zu einem guten Schulabschluss zu verhelfen und ihnen einen realistischen Lebensweg aufzuzeigen, den sie mit wachsendem Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten beschreiten können. Unsere Sportgruppen werden zudem von der Jugendinitiative Jungbusch und dem Internationalen Frauentreff begleitet, um die Teilnehmenden umfassend zu unterstützen.
SiBW: Können Sie ein Beispiel für die Verzahnung von Sport und sozialer Unterstützung nennen?
Scheuermann: Ein gutes Beispiel ist unsere Gymnastikgruppe für Frauen. Viele von ihnen sind noch nicht lange in Deutschland. Neben den sportlichen Aktivitäten bieten wir Workshops und Gruppengespräche an, die den Teilnehmerinnen eine Orientierung in der Gesellschaft geben. Es geht darum, ihnen Mut zu machen, Alltagsratschläge zu geben und auch traditionelle Rollenbilder kritisch zu hinterfragen. Diese Unterstützung ist ein langer Prozess, aber durch den Austausch mit anderen Teilnehmerinnen können sie lernen und wachsen.
SiBW: Demokratiebildung ist ebenfalls ein Thema bei Ihnen. Wie setzen Sie das im Verein um?
Scheuermann: Demokratie erlebbar zu machen, ist uns sehr wichtig. Beim Fußball wie auch in der Gesellschaft etwa neigen viele dazu, nach einem starken Mann zu verlangen, der alles entscheidet. Wir arbeiten daran, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und demokratische Prozesse innerhalb der Mannschaften zu fördern. Ein weiteres Beispiel ist unser Internationaler Frauentreff, der Frauen bei der Kommunalwahl unterstützt hat. Durch Info-Veranstaltungen und gemeinsame Gänge zu Wahllokalen haben sie sich gut vorbereitet und ohne Scham teilgenommen.
SiBW: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit?
Scheuermann: Eine der größten Herausforderungen ist die hohe Fluktuation im Stadtteil. Viele unserer Mitglieder kommen aus prekären Verhältnissen und es gibt wenig Konstanz. Das erfordert viel Flexibilität und die Fähigkeit, mit Unklarheiten umzugehen. Zudem haben viele Jugendliche und junge Erwachsene eingeschränkte soziale Fähigkeiten. Es fehlt an Durchhaltevermögen oder an einer gewissen Verbindlichkeit. Diese sozialen Skills müssen unsere Mitglieder erlernen, um nicht ständig anzuecken und in der Gesellschaft langfristig bestehen zu können. Daher legen wir großen Wert auf die Ausbildung unserer Trainerinnen und Trainer, damit sie nicht nur sportliches Know-how, sondern auch soziale Kompetenzen vermitteln können.
SiBW: Wie finanzieren Sie diese vielfältigen Angebote?
Scheuermann: Die Finanzierung unserer Aktivitäten erfolgt über verschiedene Kanäle. Die DJK finanziert die Trainerinnen und Trainer, während die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter vom Gemeinschaftszentrum finanziert werden. Wir erhalten auch Gelder aus Integrationsprogrammen, wie dem Bundesprogramm „Integration durch Sport“ und von der Stadt Mannheim. Diese Mittel fließen in den Sport und in die soziale Arbeit, um wichtige Fähigkeiten zu vermitteln. Die Stadt Mannheim ist ein starker Partner in der Zusammenarbeit. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit dem Jugendamt präventive Projekte aus, denn in diesem Fachbereich, darf der Sport nicht zu kurz kommen.
SiBW: Wie gewinnen Sie neue Mitglieder für den Verein?
Scheuermann: Oft kommen neue Mitglieder über Multiplikatoren zu uns, die im Stadtteil leben oder arbeiten. Diese fungieren wie Seismografen und informieren uns frühzeitig über Neuankömmlinge. Ein gutes Beispiel ist der Kunstpädagoge Alexander Bergmann. Der gebürtige Usbeke lebt schon lange im Jungbusch und hat sich 2022 um die ukrainischen Geflüchteten im Stadtteil gekümmert. Unter ihnen war eine Ukrainerin, die in ihrer Heimat Yogakurse gegeben hat. Diesen Yogakurs bietet sie jetzt im Jungbusch an und bereichert damit unsere Gemeinschaft.
SiBW: Welche Rolle spielen Ihre Kooperationspartner?
Scheuermann: Unsere Kooperationspartner sind essenziell für unsere Arbeit. Beispielsweise arbeiten wir mit den Thai Bombs Mannheim zusammen, die unseren Boxtrainer Kris beim Konzipieren des Boxtrainings unterstützen. Boxen kann besonders für die Jugendlichen im Jungbusch eine gute Präventionsmaßnahme sein, aber es muss richtig vermittelt werden. Durch die Kooperationen können wir Deeskalationsmaßnahmen und andere wichtige Trainings anbieten, um unser Personal besser auf seine Aufgaben vorzubereiten.
SiBW: Gibt es besondere Projekte, die Ihnen am Herzen liegen?
Scheuermann: Eines meiner Herzensprojekte ist unser Spendenlauf "Runtegrate – Laufen für den Jungbusch", der leider 2019 das letzte Mal stattfand. Es war ein Highlight des Vereins, bei dem eine Vielfalt an Menschen zusammenkam und eine besondere Stimmung herrschte. Leider haben wir nach der Corona-Pandemie den Anschluss verpasst, und einige Kooperationspartner sind abgesprungen. Bisher hat das Revival noch nicht stattgefunden, aber vielleicht klappt es 2025, in meinem letzten Amtsjahr, nochmal. Der Organisationsaufwand ist erheblich, und es braucht natürlich Partner zur Umsetzung. Aber die Resonanz dieses Spendenlaufs war erheblich und hat das Zusammenwachsen des Vereins sehr gefördert.
SiBW: Herr Scheuermann, vielen Dank für das ausführliche und spannende Interview. Wir wünschen Ihnen und der DJK Jungbusch weiterhin viel Erfolg!
Scheuermann: Herzlichen Dank! Es war mir eine Freude.
Text: BSB Nord